Hyundai Ioniq 5, Kia EV6, Volvo XC40 Recharge im Test
800-Volt-Technik oder Google-Infotainment?

Nach dem Hyundai Ioniq 5 setzt nun auch der Kia EV6 mit 800-Volt-Technik zum Höhenflug in der Mittelklasse an. Kann der überarbeitete Volvo XC40 Recharge sie mit seinem Google-Infotainment abfangen?

Hyundai Ioniq 5, Kia EV6, Volvo XC40
Foto: Hans-Dieter Seufert

Bis wir elektrisiert abheben, vergehen wohl noch ein paar Jahrzehnte. Da bleiben wir mit Hyundai Ioniq 5, Kia EV6 und Volvo XC40 Recharge lieber auf dem Boden – nicht nur der Tatsachen, sondern mit den einmotorigen Varianten in irdischen Leistungs- und Preisregionen. Klingt spannend? Na, dann: Anschnallen, Lehne aufrecht und Klapptische hoch – wir starten gleich mit dem Neuesten der drei durch.

Wie Sie sicherlich wissen, teilt sich der Kia EV6 die Elektro-Plattform mit dem Ioniq 5 – streckt sich aber sechs Zentimeter länger und schlüpft mit strömungsgünstigerem cW-Wert 0,28 und kleinerer Stirnfläche als der Minecraft-artig designte Hyundai (0,29) und der SUV-ige Volvo (0,33) durch den Wind. Der EV6 sieht nicht nur dynamischer aus, er fährt auch so. Klar, Kia versteht sich selbst als sportliche Marke. Mit strafferer Abstimmung und ohne die adaptiven Dämpfer des bereits getesteten Topmodells federt er auf unebenen Straßen spürbar herber. Dafür beruhigt er seinen flacheren Aufbau schneller. Auch in Kurven, die er präzise und willig entert und mit starker Hecktraktion oder komplett deaktivierbarem ESP sogar leicht powerslidend durchquert. Kein Wunder also, dass der mit optionalen 20-Zöllern (500 Euro) ausgestattete Viertürer den höher bauenden Konkurrenten auch im Slalom sowie im doppelten Spurwechsel davonfährt.

Neue Mobilität im Alltag

Noch beeindruckender: Bei wiederholter Vollbremsung aus Tempo 100 steht er mit 32,7 Metern mehr als eine halbe Fahrzeuglänge vor Hyundai und Volvo. Zudem vermittelt er im Alltag mehr Gefühl, da er das "Überblenden", also den Wechsel vom elektrischen zum hydraulischen Bremsen, noch feiner kaschiert und das Verzögerungsgeschehen zusätzlich mit einem sportlichen Bremsmodus inszeniert. Etwas übertrieben dagegen klingt der künstliche Motorsound. Den können Sie sogar selbst modellieren: vom U-Bahn- über Formel-E- bis hin zum Warp-Klang. Doch am besten schalten Sie die "Musik" aus und genießen die Stille dank der exzellenten Dämmung.

Freude am Assistieren

Für Unterhaltung beim Handling ist also gesorgt. Doch wie sieht es mit der Handlichkeit aus? Theoretisch sollte das Hecktrieblerprinzip der Vorderachse mehr Raum zum Einschlagen geben. Doch in der Praxis machen zwölf Meter Wendekreis sowie die ausladenden Karosserien die beide Koreaner noch unübersichtlicher als den kompakten Fronttriebler-Volvo. Immerhin erleichtern alle drei mit 360-Grad-Kameras das Parken. Der Kia lässt sich sogar von außen mittels Druck auf die Fernbedienung vorwärts oder rückwärts in Parklücken dirigieren – dieses und auch die folgenden Kunststücke würde der Hyundai mit der nächsthöheren Ausstattung ebenfalls beherrschen.

Hyundai Ioniq 5
Hans-Dieter Seufert
Hyundai Ioniq 5: Heckmotor mit 160 kW, 350 Nm, 72,6-kWh-Akku, 273 km Testreichweite, Testwagenpreis: 56.800 Euro.

Denn natürlich unterstützt der EV6 den Piloten beim Fahren: Wie in der S-Klasse wirbeln im Head-up-Display Augmented-Reality-Pfeile zur Navigation umher und markieren Abstände virtuell. Zudem blendet er beim Blinken die Außenspiegelkamerabilder im gut ablesbaren Digitalcockpit ein, minimiert so den toten Winkel. Auf mehrspurigen Fahrbahnen wechselt er darüber hinaus selbstständig die Spuren, erkennt und übernimmt Tempolimits sicherer als der nervös agierende Ioniq 5 sowie der stets auf große Abstände bedachte XC40. Unpraktischer wird es bei der Bedienung der Klimafunktionen. Diese teilen sich ein Touchpanel mit den Infotainment-Direkttasten. Eine mäßige Lösung, weil man sich stets vergewissern muss, ob man die Temperatur verstellt oder versehentlich auf der Navi-Karte umherzoomt. Dafür aktiviert man hier über separierte Touchfelder Sitzklimafunktionen, die Ioniq 5 und XC40 im Infotainment verstecken.

Auf den bequemen elektrischen Sitzen ist man mindestens so gut aufgehoben wie die Habseligkeiten auf, unter und in der geräumigen Mittelkonsole. Und sollte das nicht reichen, bieten alle drei einen "Frunk" unter der Fronthaube. Dort verstaut man am besten die Ladekabel oder packt diese in das flache Fach unter dem Kofferraumboden. Hier lagern Volvo und Kia auch ihre Gepäckabdeckungen, wenn die asymmetrisch teilbaren Rücksitzlehnen samt Durchreiche barrierefrei flach liegen. Beim EV6 gelingt das sogar mit einem Zug an der Fernentriegelung, dafür verschenkt sein Schrägheck gegenüber den kastenförmigen Konkurrenten aber Kopffreiheit und Ladehöhe.

Unpraktisch sind die automatisch ausklappenden Türgriffe, die sich dabei auch noch selbst verkratzen – immerhin verspricht Kia, bei betroffenen Fahrzeugen nachzubessern. Die Fondbank wärmt hier die Hintensitzenden, Smartphones lädt man via USB-C-Buchsen oder an der 230-Volt-Dose. Bisher liefern aber nur die Koreaner einen Adapter für den Typ-2-Anschluss, mit dem sich auch liegen gebliebene E-Autos laden lassen.

Gar nicht so unwahrscheinlich, dass das passiert. Schließlich bot der XC40 bis vor Kurzem noch nicht mal eine verlässliche Restreichweitenanzeige. Zudem ist die Routenplanung zumindest bei den Koreanern eine Herausforderung: Denn deren Navi-Software ist im Gegensatz zum Android-System des Volvo nicht in der Lage, selbstständig Schnelllader in die Routenführung zu integrieren.

Laden ohne Aufwärmübung

Und es gibt noch ein Problem, ein temporäres, wenn Sie so wollen: Bei sommerlichen Temperaturen konnten die beiden Koreaner mit ihren 800-Volt-Bordnetzen durch echte Schnellladezeiten überzeugen. Zwar baut der Hyundai-Konzern in beide E-Autos Akkuheizungen ein, doch das Konditionieren der Batterien vor dem Ladestopp soll erst im Laufe des zweiten Halbjahres möglich werden. Somit erreichen weder Ioniq 5 noch EV6 im Winter annähernd die maximal möglichen 220 und 240 kW DC-Leistung. Sie laden jedoch immer noch deutlich flotter als der XC40 Recharge mit seinem 400-Volt-Netz samt aktivem Akku-Lademanagement, der seine maximal möglichen 150 kW ebenfalls nur unter Optimalbedingungen erreicht. Denn bekanntermaßen ist DC-Laden nicht nur von Faktoren wie Batterie- und Außentemperatur, sondern auch von der Ladesäulenleistung sowie deren Auslastung abhängig.

Verlässlicher klappt da das Wechselstromladen: Alle drei E-Autos ziehen sich den AC-Saft dreiphasig über 11-kW-Onboard-Lader rein. Damit stehen Sie an der 22-kW-Test-Wallbox zwischen sieben (Ioniq 5 und XC40) und neun Stunden (EV6) für eine Vollladung. Die gespeicherte Energie verstromt der Kia bei frostigen Außentemperaturen im Test mit 25,2 kWh am effizientesten (Hyundai: 27,8; Volvo: 28,8 kWh). Dabei drückt der EV6 – bei dem die Wärmepumpe 1000 Euro extra kostet – als Einziger den Stromverbrauch auf der Eco-Runde unter 20 kWh und kommt dank der 77,4-kWh-Batterie mit 317 Kilometern am weitesten (Ioniq 5: 72,8 kWh, 273 km; XC40: 69 kWh, 243 km).

Kia EV6
Hans-Dieter Seufert
Kia EV6 2WD: Heckmotor mit 168 kW, 350 Nm, 77,4-kWh-Akku, 317 km Testreichweite, Testwagenpreis: 55.480 Euro.

Einen Anteil daran hat sicherlich der Elektromotor. Im Kia und Hyundai arbeitet im Heck die gleiche ölgekühlte Synchronmaschine mit innenliegenden Neodym-Magneten und Hairpin-gewickeltem Stator – dessen Drähte sind also eckig statt rund, legen sich so enger zusammen. Somit soll der Motor effizienter, kompakter und leichter sein als der des Volvo. Dafür holt der XC40 mit 170 kW die etwas höhere Spitzenleistung raus. Das ist umso bemerkenswerter, da die Leistung des Elektromotors unter anderem auch abhängig vom Stromversorger, sprich der Akkugröße, ist – der Schwede jedoch die wenigsten Zellen rumschleppt. Doch der Leistungsvorteil kommt weder im Alltag noch auf dem Flughafen in Lahr zum Tragen, wo wir stets fahrdynamische Messwerte erheben.

Auf dem 2,4 Kilometer langen Taxiway beschleunigt der Hyundai beim Sprint auf 100 km/h mit 7,5 Sekunden sogar einen Wimpernschlag schneller. Ansonsten zeigt der Ioniq 5 aber kaum dynamische Ambitionen: Beim Einlenken schiebt er schnell über die Vorderachse, gerät anschließend stärker ins Wanken und muss sein drängendes Heck vom ESP einfangen lassen.

Also geht man es im Hyundai lieber entspannter an. Wie der EV6 bietet der Ioniq 5 unzählige Rekuperationsmöglichkeiten: Zusätzlich zum in der Stadt nützlichen Einpedalfahren über drei abgeschwächte Stufen bis hin zum widerstandslosen Segeln auf der Autobahn gibt es auch noch einen abstufbaren Auto-Modus der auf Topografie und Vorausfahrende reagiert. Die drei Fahrmodi Eco, Comfort und Sport beeinflussen vor allem den Fahrpedalwiderstand und damit das Ansprechverhalten.

Ioniq 5: das Raum-Schiff

Unterschiede zum EV6 finden sich vor allem beim Platzangebot. Der Ioniq bietet mit seiner verschiebbaren Mittelkonsole, der erhöhten Sitzposition sowie mehr Kopffreiheit ein Airbus-artiges Raumgefühl. Das spüren auch Passagiere auf der verschiebbaren Fondbank samt neigbarer Lehne, der Durchlade und Fernentriegelung fehlen. Dafür verstaut der Hyundai, mit 584 bis 1.644 Litern mit Abstand am meisten im Frachtraum und darf etwas mehr Gewicht zuladen.

Ja, da hat der E-Volvo das Nachsehen. Immerhin darf er auch 1,5 Tonnen ziehen. Hinter der sensorgesteuerten und weit aufschwingenden Steilheckklappe liegt Laderaum mit größter Höhe. Hier faltet sich die Bodenplatte zum Taschenhalter auf, und die kleine Durchlade kaschiert zusätzlich die Kompakt-SUV-Maße und das nach Litern kleinste Gepäckabteil etwas. Dass der XC40 einer Verbrenner-Plattform entstammt, bekommt man vor allem hinten zu spüren. Hier degradiert ein Kardantunnel den Mittelplatz zum Notsitz. Trotz des serienmäßigen Panoramadachs und steil stehender Lehne ist die Kopffreiheit großzügig.

Bequemer sitzt da der Pilot auf dem elektrisch verstellbaren Stoffsessel. Von hier aus legt man einfach los: Denn wie bei Tesla gibt es keinen Startknopf. Besondere Fahr- oder Rekuperationsmodi spart sich Volvo, versteckt lediglich One-Pedal-Drive und ein Offroad-Programm im Fahrassistenzmenü.

Volvo XC40
Hans-Dieter Seufert
Volvo XC40 RC: Frontmotor mit 170 kW, 330 Nm, 69-kWh-Akku, 243 km Testreichweite, Testwagenpreis: 56.400 Euro.

Wer zu forsch auf das Fahrpedal tritt, bekommt schnell Traktionsprobleme an der Vorderachse. Klar, unter der Motorhaube arbeitet schließlich der Permanentmagnet-Synchronmotor mit 330 Nm Drehmoment aus dem Polestar 2. Den Bewegungsdrang bremsen zudem die serienmäßige Allwetterbereifung und der Vmax-Limiter bei 160 statt 185 km/h. In Kurven wankt der Volvo am stärksten und wird schnell vom rigoros regelnden ESP gefangen. Obwohl er etwas hölzern abrollt, pariert der Recharge buckelige Landstraßen am souveränsten.

Noch feiner agiert da nur Google Assistant. Die Software versteht jedes Wort und plant bei der Navigation mit Maps zielsicher Ladestopps ein, kennt den voraussichtlichen Akkustand bei der Ankunft, gibt Auskunft über die Mindeststandzeit an der Ladesäule und konditioniert den Akku vor.

Fehlt eigentlich nur noch, dass sich Ladestationen reservieren lassen oder deren Auslastung angezeigt wird. Zwar kann man während des Aufenthalts dort nicht wie bei den Koreanern in Liegestellung entspannen, dafür flimmern allerlei Apps über den Hochkant-Infotainmentscreen. Schade nur, dass die Auflösung etwas schlierig und das App-Menü zu kleinteilig ist.

Hier gibt’s den vollen Bonus

Ganz und gar nicht umstandskrämerisch ist die Preispolitik: Alle drei Testwagen kosten zwar mehr als 55.000 Euro mit den bewertungsrelevanten Extras. Wobei der Volvo als Ultimate bereits nahezu alle verfügbaren Extras mitbringt und ausstattungsbereinigt rund 2.000 Euro günstiger kommt. Viel Geld, doch immerhin können Sie bei allen drei E-Autos die vollen 9.570 Euro Umweltbonus abziehen. Wie das? Nach Kia und Hyundai schlüpft nun auch Volvo durch das Loch in den Bafa-Förderrichtlinien. Und das geht so: Die Hersteller deklarieren größere Batterien sowie zusätzliche Motoren nicht als Modellvariante, sondern als Ausstattungspaket. Diese werden gemäß Bafa-Richtlinien nicht berücksichtigt. Ausschlaggebend für die Zuschlagshöhe sind somit die Nettolistenpreise der Basisvarianten, die laut aktueller Bafa-Liste unter der magischen 40.000-Euro-Grenze liegen.

Übertragen auf die Verbrennerwelt wäre das so, als ob Sie einen BMW M5 zum Preis eines Basis-Fünfer gefördert bekämen. Ein absurdes Beispiel? Na, dann gehen Sie doch mal in den Konfigurator und stellen sich den 585 PS starken EV6 zusammen. Ganz schön abgehoben, oder?

Umfrage
Der Kia EV6 fährt dynamisch, kommt weit, zieht Anhänger, gibt anderen Autos Strom und lässt sich vergleichweise schnell laden - Zeit für Sie, auf ein Elektroauto umzusteigen?
23681 Mal abgestimmt
Ja, es ist soweit - Elektroautos sind ja schon seit Längerem normaler Bestandteil des Straßenbilds.Nein, für mich müssen die Kosten und selbst die Ladezeiten noch deutlich weiter runter.

Fazit

1. Kia
633 von 1000 Punkte

Zum Überflieger wird der EV6 nicht nur dank des agilen Fahrverhaltens und guter Bremse, auch weil er Strom am effizientesten nutzt, schnell lädt und sich gut bedienen lässt.

2. Hyundai
604 von 1000 Punkte

Beim Raumangebot überflügelt der Ioniq den EV6. Der Ioniq 5 ist abgesehen vom betulichen Fahrverhalten und dem Verbrauch in fast allen Kapiteln gleichauf – leider auch beim Preis.

3. Volvo
563 von 1000 Punkte

Von der Konkurrenz abheben kann sich der kleinere Volvo durch die Google-Integration samt Routenplanung sowie die vollwertige Ausstattung und den etwas softeren Federungskomfort.

Technische Daten
Hyundai Ioniq 5 (72,6 kWh) TechniqKia EV6 77,4 kWh 2WD Paket GT-LineVolvo XC40 Recharge Pure Electric Single Motor Recharge Plus
Grundpreis51.400 €59.990 €52.150 €
Außenmaße4635 x 1890 x 1605 mm4695 x 1890 x 1550 mm4425 x 1863 x 1647 mm
Kofferraumvolumen584 bis 1644 l542 bis 1352 l450 bis 1295 l
Höchstgeschwindigkeit185 km/h185 km/h160 km/h
0-100 km/h7,5 s7,6 s7,9 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km18,0 kWh/100 km0,0 kWh/100 km
Testverbrauch27,8 kWh/100 km25,2 kWh/100 km28,8 kWh/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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