Hyundai Ioniq 5 N im sport auto Supertest
So geht E-Auto für die Nordschleife!

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Weltexklusiv durften wir als erstes mit dem Hyundai Ioniq 5 N einen Performance-Test produzieren. Damit waren wir gleichzeitig auch das erste Medium, das überhaupt ein Elektrofahrzeug auf der Nordschleife getestet hat. Was kann das E-Auto von Verbrennerfans für Verbrennerfans? Hier kommt der erste Sportauto-Supertest eines Elektroautos!

Hochdrehzahl, hochoktanig, hochjubelnd – dieser außergewöhnliche Supertest beginnt zunächst sport auto-typisch. Wie es der Zufall will, erfolgt die Anreise zum ersten Elektro-Supertest der sport auto-Historie mit dem aktuellen Überflieger der Sportwagenszene, dem Porsche 992 GT3 RS. Doch auch das bringt sie bei Hyundai nicht aus der Fassung. Noch vor der Markteinführung dürfen wir den Ioniq 5 N einem Performance-Test unterziehen – und zwar in unserem Königstest inklusive Rundenzeit auf der Nordschleife.

Unsere Highlights

Hyundai mutiger als Porsche

Hyundai Ioniq 5 N
Hans-Dieter Seufert

Mit dem 5 N ist ein Konzept gelungen, das man aus sportlicher Sicht ernster nehmen kann als alle anderen E-Autos, die bisher über die Nordschleife gefahren sind.

Respekt, Hyundai! Sich mit einem Elektroauto in die Höhle der Verbrennungslöwen zu wagen, dazu gehört aktuell viel Mut. Bei Porsche, die sich ja gerne mit Nordschleifen-Elektrorekorden ihrer Taycan-Derivate rühmen, scheiterten bereits zwei Testwagen-Anfragen für den Supertest. Auch Audi verneinte die Anfrage nach einem RS e-tron GT. Alle Absagen hatten den gleichen Tenor: Noch sei die Zeit für einen Supertest nicht reif. Hyundai hat uns übrigens proaktiv den Supertest mit dem Ioniq 5 N angeboten.

Albert Biermann hatte dem Ioniq 5 N vorab höchstpersönlich ins Lastenheft diktiert, dass der sport auto-Supertest dessen erster Performance-Test sein müsse. Früher Entwicklungschef von BMW M und der Hyundai Motor Group, heute leitender Technikberater der südkoreanischen Marke – die Erfolgsstory der N-Modelle ist eng mit dem Namen Biermann verknüpft.

Hyundai Ioniq 5 N – N wie Nordschleife

"Ziel war es, die Maßstäbe, die wir bisher an ein N-Modell gesetzt haben, unverändert auf unser erstes N-Elektrofahrzeug zu übertragen. Der klare Fokus galt hier der Fahrdynamik, aber auch neuen Technologien, um ein Gesamtwerk abzuliefern, das auch den klassischen Verbrennerkunden und N-Thusiasten abholt. Dieses Fahrzeug sollte sich im Charakter nicht von den bisherigen Modellen unterscheiden, was angesichts der Größe und des Gewichts natürlich eine enorme Herausforderung darstellte. Letztlich wollten wir beweisen, dass sich ein E-Fahrzeug keinesfalls von den Tugenden eines rassigen Verbrenners verabschieden muss", erklärt Tyrone Johnson, Director Vehicle Development Hyundai Motor Europe Technical Center.

Hyundai-Entwicklungszentrum in Meuspath nahe der Nordschleife: Während draußen ein 4,0-Liter-Sauger nachknistert, geht’s drinnen zum Erstkontakt mit der neuen Welt. Hoffentlich erklären mir hier nicht verstrahlte Entwickler, wie Elektroautos nun die Welt retten.

Im Gegenteil: Mit Sven Risch (Fahrdynamik-Ingenieur) und Felix Rodner (Ingenieur Powertrain) betreuen zwei Entwickler des Ioniq 5 N den Supertest mit, die privat Petrolheads sind. Sven schraubt an einem BMW E28 520i mit Umbau auf M20B25-Reihensechser des E30 325i. Felix hat mehrere Driftautos in Japan stehen und fliegt mehrmals pro Jahr zum Querfahren ins Land der aufgehenden Sonne. Also ganz unsere Wellenlänge bei sport auto.

"Prototype vehicle", verraten Aufkleber auf dem Armaturenbrett der beiden schwarzen Ioniq 5 N. Bis auf die Sicherheitsausstattung (Schalensitz Fahrerseite, Sechspunktgurte, Feuerlöscher) sei alles wie später in der Serie, wird versichert.

Weniger der Vorserienstand als dass da zwei Fahrzeuge für einen E-Auto-Supertest scheinbar nötig sind, macht skeptisch. Ist das die Trackday-Realität für Elektroautos? Abwarten. Im Nachhinein wird der Supertest fast ausschließlich mit einem Auto produziert. Der dritte, hellblaue Ioniq 5 N wird nur für Fotos genutzt, da die Fotorunde am Ring bei Dämmerung startet.

20 Runden Nordschleife pro Tag?

Hyundai Ioniq 5 N
Hans-Dieter Seufert

16 Wochen war der Ioniq 5 N im Industriepool in der Entwicklung und im anschließenden Dauerlauf auf dem Ring unterwegs.

Kein vorschnelles Fazit: Als erster Hersteller verspricht Hyundai nämlich, dass der Ioniq 5 N zwei Runden Nordschleife unter Volllast am Stück fahren könne. Das hat bisher kein E-Auto geschafft. Anschließend soll die Batterie (84 kWh Energiegehalt), die mit bis zu 350 kW laden kann, in 18 Minuten geladen werden können (10 auf 80 Prozent).

Laut Hyundai sind die internen Dauerlauffahrer mit dem riesigen Hot Hatch bis zu 20 Runden Nordschleife pro Tag in der Erprobung gefahren. Hyundai hat das Thema Nordschleife beim ersten N-Elektromodell so ernst genommen wie bereits bei den N-Verbrennern.

Ein Elektromotor sitzt beim Ioniq 5 N an der Vorderachse, der zweite an der Hinterachse. Die Nennleistung des vorderen Motors wird mit 166 kW (226 PS) beziffert, die der hinteren E-Maschine mit 282 kW (383 PS). Ergibt eine Systemnennleistung von 609 PS. Per rotem Boostknopf rechts oben am Lenkrad kann die Leistung für zehn Sekunden auf 650 PS gesteigert werden.

Die Kraftübertragung erfolgt an Vorder- und Hinterachse jeweils über zwei Stirnradpaare mit einer Gesamtübersetzung von 10,65. Mit seinem Einganggetriebe verfügt der Ioniq 5 N also über keine Gänge, sondern eine stufenlose Automatik.

Keine Gänge, keine Unterbrechung

An die Automatik ohne Zugkraftunterbrechungen gewöhnt man sich auf der Nordschleife schnell. Deutlich gewöhnungsbedürftiger ist das Fehlen der Dimension eines ansteigenden Motorgeräuschs. Nahezu geräuschlos hetzt der Ioniq 5 N über die Ideallinie. Dabei fällt es schwer, das Tempo einzuschätzen, ohne auf den Tacho zu linsen.

Abhilfe schafft Hyundai mit einer cleveren Sound-Lösung: In den Untermenüs des N-Modus findet sich das Programm N Active Sound+. Drei Soundsettings stehen zur Wahl: "Evolution" und "Supersonic" klingen albern, Sportfahrer entscheiden sich für "Ignition".

Ignition? Zündung? Richtig gehört. Hyundai simuliert hier einen Verbrenner-Sound, denüLautsprecher sowohl ins Interieur als auch nach außen übertragen. Wählt man zusätzlich im Menü den Modus N e-Shift an, bekommen auch hartgesottene Verbrennerfans wie ich plötzlich ein verklärtes Grinsen ins Gesicht gezaubert: Bei Hyundai simulieren sie dann doch glatt noch das Verhalten eines Vierzylinder-Turbos mit Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe!

Im Display erscheint plötzlich ein analog wirkender Drehzahlmesser mit 8000er-Skalierung. Im Stand imitiert eine leicht zuckende Drehzahlnadel das Verhalten eines Verbrenners im Leerlauf, während es im Hintergrund leicht unrund wummert. Unter Volllast schaltet der N-Pilot dann über die Schaltwippen am Lenkrad die simulierten Gänge wie beim i30-N-Pendant mit echtem Verbrenner durch.

Coole Verbrenner-Simulation

Hyundai Ioniq 5 N
Hans-Dieter Seufert

Der Ioniq 5 N nutzt an der Hinterachse eine elektronisch geregelte Differenzialsperre mit 12-Scheiben-Nasskupplung in externer Bauweise.

Blau, Grün, Rot – im Display signalisieren Schaltlampen den idealen, aber fiktiven Hochschaltpunkt. Sogar ein ruckelnder Drehzahlbegrenzer wird imitiert, wenn zu spät geschaltet wird. Lupft man das Fahrpedal bei hoher Drehzahl, räuspert sich der Ioniq 5 N mit simuliertem Auspuffbollern und "Controlled Misfire" durch seinen imaginären Abgastrakt.

Doch nicht nur optisch und akustisch wird Verbrenner-Spektakel suggeriert. Beim Hochschalten unter Volllast werden Schaltrucke mit einer leichten Zugkraftunterbrechung eingestreut, was zu einem dezenten Kopfnicken des Fahrers führt. Laut Hyundai wurde die gesamte Charakteristik eines Verbrennermotors, inklusive der Ansaugverluste, hinterlegt, um das Motorschleppmoment so realistisch wie möglich zu simulieren. Sogar eine Elastizitätsmessung konnten wir mit dem simulierten DKG durchführen (siehe Datenkasten).

Coole Idee, Hyundai! Die Verbrenner-Simulation fühlt sich so an wie vegane Spaghetti Bolognese, bei denen du nicht merkst, dass sie fleischlos sind, weil sie gut schmecken.

Der N-e-Shift-Modus schluckt allerdings Leistung. Laut Hyundai haben die eigenen Testfahrer damit drei bis vier Sekunden auf der Nordschleife verloren. Ohne Stoppuhr wäre die Schalt-Verbrenner-Sim mein favorisierter Modus für die Rennstrecke, da du dich von einem i30 N kaum adaptieren musst. Für Bestzeiten ist der stufenlose Automatikmodus die erste Wahl. Im Display wird nun ein analog gestalteter Tacho mit 300-km/h-Skalierung angezeigt.

Im Ignition-Soundmodus steigt der Geräuschpegel dann mit zunehmender Drehzahl an – nicht der simulierten Verbrenner-Drehzahl, sondern jener der Elektromotoren. Beim Topspeed von 261 km/h auf der Döttinger Höhe sind das 20.600/min. Die Maximaldrehzahl der E-Motoren liegt übrigens bei 21 000/min. Wenn man die Lautstärke voll aufdreht, gibt’s einen wilden Akustik-Cocktail mit Anleihen von Ducati Panigale und Bohrmaschinen. Ich bin Lautstärke Stufe 5 von 20 gefahren, um akustisch das Tempo besser "fühlen" zu können, aber nicht von dem ungewohnten Hochdrehzahl-Geräusch abgelenkt zu werden.

Reinsetzen, losfahren, Spaß haben? Dank seiner guten Fahrbarkeit tastet man sich mit dem Ioniq 5 N schnell ans Limit vor. Als Saugmotorfan muss ich gerade ehrlich zu mir selbst sein: Der Ioniq 5 N hängt extrem spontan am Gas – unmittelbarer als alles, was ich bisher gefahren bin. Zehnzylinder-Sauger à la Porsche Carrera GT, Vierliter-Sauger à la Porsche 997 GT3 RS 4.0 oder Reihensechser-Sauger à la BMW M3 E46 CSL nehmen trotzdem weiterhin die Podestplätze in meinem Herzen ein, da sie viel emotionaler sind.

Antrieb gewöhnungsbedürftig

Hyundai Ioniq 5 N
Hans-Dieter Seufert

Über den roten Lenkradknopf („NGB“ steht für „N Grin Boost“) kann die Leistung im Sprint-Mode für je zehn Sekunden um 41 PS gesteigert werden.

Aufgrund des elektromotortypischen Ansprechverhaltens hatte ich zunächst eine gewisse Unfahrbarkeit befürchtet. Die hohe Leistung verpufft jedoch keineswegs mit wild qualmenden Reifen. Dosierbarkeit und Kraftübertragung sind gut abgestimmt. Trotzdem muss man sich an die Leistungsentfaltung des E-Antriebs (viel Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen, weniger bei hohen Touren) im Vergleich zu einem gegensätzlich agierenden, leistungsstarken Hochdrehzahl-Verbrenner im Grenzbereich gewöhnen.

Antriebsverteilung à la carte

Im Menü "N Torque Distribution" sind zehn verschiedene Stufen der Kraftverteilung wählbar. Stellt der Fahrer auf "100 Prozent nach hinten", wird der Ioniq 5 N zum Driftmobil und agiert nahezu hinterachsorientiert. Der Teillastbereich bietet in Abhängigkeit vom gewählten Fahrprogramm (Eco, Normal, Sport, N, Custom) Unterschiede in der Kraftverteilung. Während im Normal Mode die Kraftverteilung eher neutral ausgelegt ist, sind die sportlichen Modi heckbetont. Durch die unterschiedlichen Motoren und deren unterschiedliche Drehmomentkurven ergibt sich unter Volllast nicht die "eine Kraftverteilung". Bis 85 km/h liegt die prozentuale Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse bei 46 zu 54, darüber konstant bei nahezu 40 zu 60.

Attacke im N-Mode: Trotz 2.194 kg bewegt sich der Ioniq 5 N erstaunlich agil. Auf Lastwechsel reagiert er mit erfrischenden Heckschwenks, deren Ausprägung variabel ist. Über die Wippen am Lenkrad können drei unterschiedliche Rekuperationslevel (Lvl 1, Lvl 2, Lvl 3) justiert werden. Empfehlung für schnelle Rundenzeiten: Lvl1.

Beim Anflug von Untersteuern zieht sich der Ioniq 5 N unter Last wieder in die Neutrale und drückt im weiteren Kurvenverlauf sogar mit dem Heck. In der lang gezogenen Rechtskurve Klostertal 2 richtet sich der E-Sportler so beispielsweise mit Leistungsübersteuern perfekt für den nachfolgenden Verlauf der Ideallinie gen Karussell aus. Torque Vectoring vom Feinsten! Ein Performance-Vorteil von E-Autos: die prinzipiell viel präzisere und schnellere Regelung querdynamisch relevanter Systeme.

Natürlich wurden nicht nur alle Regelsysteme für die N-Version gegenüber der Basis verändert. Die Rohkarosse des Ioniq 5 N verstärkten die N-Entwickler beispielsweise durch 42 zusätzliche Schweißpunkte und weitere Versteifungselemente gezielt, um die Kräfte des Fahrwerks und der Lenkung mit höherer Präzision aufzunehmen.

Die elektromechanische Lenkung ersetzten die Fahrdynamikentwickler ebenfalls durch eine Variante (Rack-EPS) mit direkterer Übersetzung und stärkerem E-Motor der Servoeinheit (8,0 statt 7,1 Nm). Feedback der Lenkung im Grenzbereich? Direkt und nicht künstlich. Außerdem wurden die Federraten um mehr als ein Viertel an der Vorder- und Hinterachse angehoben. Änderungen gab’s auch an Fahrhöhe (minus 18,5 mm vorne, minus 24 mm hinten), Dämpferkennlinien, Aufhängung, Buchsen, Stabis und der Fahrwerksgeometrie.

Während im Alltag die im N-Mode gestraffte Dämpferkennlinie gut passt, hätte es für die Nordschleife noch härter sein dürfen. Verglichen mit dem i30 N spürt man beim Ioniq 5 N mehr Aufbaubewegungen.

Das Gewicht stört erst im Grenzbereich

Hyundai Ioniq 5 N
Hans-Dieter Seufert

Natürlich schockt Sportfahrerherzen erst einmal das hohe Fahrzeuggewicht von 2.194 Kilogramm.

Sein hohes Gewicht von 2.194 kg kann der Ioniq 5 N trotzdem dank seines niedrigen Schwerpunkts fast verheimlichen. Die 485,7 kg schwere Batterie ist tief über die gesamte Bodengruppe platziert. Im Vergleich zu den normalen Ioniq-5-Modellen liegt der Schwerpunkt des Ioniq 5 N neun Millimeter tiefer. Der Schwerpunkt eines i30 N liegt übrigens acht Prozent höher.

Im ersten Teil der Nordschleifen-Runde gelingen dem Ioniq 5 N sogar etwas höhere Kurvengeschwindigkeiten als dem i30 N Performance in Supertest 1/2022. Bemerkenswert, da dieser satte 697 kg leichter war. Die tiefe Schwerpunktlage und die ausgeglichene Gewichtsverteilung begünstigen zunächst das Fahrverhalten des E-Sportlers. Fährt man jedoch nur wenige Prozent über das Limit, schlägt die Physik unbarmherzig zurück: Das hohe Gewicht löst urplötzlich unerwartete Fahrzeugreaktionen aus, die geschulte Reflexe erfordern. Auch wenn das Gripniveau der Pirelli P Zero Corsa erstaunlich konstant bleibt, ist aktuell das Gewicht das größte Manko der E-Mobilität beim sportlichen Fahren. Stellen wir uns doch mal diese Technik in einem Hot Hatch mit 1.497 kg vor. Wie krass wäre die Querdynamik dann!

Im Vergleich zum ebenfalls mit Corsa bereiften i30 N überzeugt der Ioniq 5 N mit besseren Verzögerungswerten. Die Fahrdynamikentwickler haben das hydraulische Bremssystem mit elektronischem Bremskraftverstärker und die Rekuperationsbremse zu einer gut funktionierenden Einheit geformt. Mit wohldosierbarem Pedaldruck kann beispielsweise jener Punkt im Pedalweg gut gefunden werden, um kurz vor dem ABS zu bleiben. Aber auch auf Bodenwellen à la Bergwerk kann erstaunlich spät ins ABS reingebremst werden.

Geheimrezept? Die Kühlung

Hyundai Ioniq 5 N
Hans-Dieter Seufert

Im Sprint-Mode ist der Ioniq 5 N mit 7.45,59 Minuten der schnellste Serien-Hyundai auf der Schleife.

"In den sportlichen Modi ändern sich auch die Bremspedalkennlinie und der ABS-Regelbereich. Das System erkennt hartes, schnelles Bremsen und passt den Druckaufbau bezogen auf die dynamische Radlast an. Vereinfacht dargestellt regelt das ABS selbst später an, was zusätzliche Vorteile auf unebenen Rennstrecken und für die Regeneration ergibt. Die spätere Anregelung ermöglicht es, länger höhere Regenerationswerte zu nutzen", erklärt Fahrdynamik-Ingenieur Sven Risch.

Schafft der Ioniq 5 N wirklich zwei Runden Nordschleife am Stück? Zunächst muss über das Programm N Battery Preconditioning die Batterie auf eine Temperatur zwischen 20 und 30 Grad Celsius vorgeheizt werden. Für den Zwei-Runden-Ritt geht’s zudem in den sogenannten Endurance Mode.

Statt bis zu 650 Boost-PS steht dann weniger Leistung zur Verfügung. 522 PS ergab die Leistungsmessung bei Maha. Die erste Runde im Endurance Mode absolviert der Ioniq 5 N in 8.04,13 min. Auf der zweiten Runde läuft zunächst alles gut, doch ab Brünnchen merkt man, wie die Leistung langsam einbricht.

Im Streckenabschnitt Anfahrt Schwalbenschwanz fehlen bereits 13 km/h Topspeed auf die vorherige Runde. Extrem spürbar wird der Leistungseinbruch auf der Döttinger Höhe. Statt der 261 km/h Topspeed in der ersten Runde schafft es der Ioniq 5 N jetzt gerade noch auf 169 km/h. Auf dem leichten Bergaufstück auf Höhe der Touristeneinfahrt geht’s sukzessive auf 144 km/h zurück, während links neben dem Tachometer die Batterietemperatur rot leuchtend 56 Grad Celsius vermeldet. Klassisches Derating.

Die Leistungsrücknahme beginnt beim Ioniq 5 N bei einer Batterietemperatur von 54 Grad. Das Derating ist jedoch ladezustandsabhängig. Eine sehr voll geladene Batterie sowie eine fast leere Batterie können den Wert beeinflussen. Nach der Hohenrain-Schikane ist die Leistung richtig im Keller. Mehr als 80 km/h schafft der Ioniq 5 N jetzt nicht mehr und schleppt sich auf letzter Rille über die Ziellinie an der T13. Rundenzeit nun? 8.33,86 min.

Weniger Leistung in Runde zwei

Hyundai Ioniq 5 N
Hans-Dieter Seufert

Für einen Zwei-Runden-Ritt steht im sogenannten Endurance-Mode deutlich weniger Leistung zur Verfügung. 

Analyse: Problem war nicht der State of Charge (SOC), der nach zwei Runden noch bei 23 Prozent lag, sondern die zu hohe Batterietemperatur in der zweiten Runde. Woran lag es? Zum einen war die Batterietemperatur zu Beginn der beiden Runden nicht ideal, zum anderen an der Fahrweise. Da ich gerne spät bis ins ABS bremse, rekuperiert der Ioniq 5 N nicht so viel wie für die beiden Runden kalkuliert.

Zweiter Versuch. Batteriestarttemperatur jetzt 25 Grad Celsius. Außerdem versuche ich bei sämtlichen Anbremsmanövern vor dem ABS-Regelbereich zu bleiben. Erste Runde in 8.01,33 Minuten. In der zweiten Runde klettert die Batterietemperatur nicht so schnell so hoch wie beim ersten Versuch, die Leistung bleibt länger konstant.

Im Brünnchen liegt die Batterietemperatur mit 52 Grad noch knapp unter der Derating-Grenze. Bei 50 Grad hatte die Temperaturanzeige kurz zuvor an der Hohen Acht von Weiß nach Gelb gewechselt. Jetzt geht es in die spannende Phase.

Anfahrt Schwalbenschwanz: Topspeed 203 km/h, Batterietemperatur 53 Grad. Dabei spürt man, wie der Ioniq 5 N sanft die Leistung zurückgenommen hat. Mit 54 Grad biegt der Elektro-N aus dem Galgenkopf auf die Döttinger Höhe ein, erreicht trotzdem noch einen Topspeed von 228 km/h. Erst auf Höhe der Touristeneinfahrt wechselt die Temperaturanzeige von 54 auf 55 Grad und farblich von Gelb nach Rot. Trotzdem hechtet der Ioniq 5 N noch mit 230 km/h durch die Tiergartensenke. Erst in der Zielkurve merkt man jetzt, dass der elektrifizierte N die Leistung spürbar zurückgenommen hat. Rundenzeit nun? 8.15,65 min.

Hyundai kommuniziert ehrlich, dass für zwei perfekte Runden sämtliche Parameter passen müssen. Und was ist das N-Geheimrezept dafür? "Schon in der frühen Designphase wurden der Antrieb und die Kühlungskonfiguration auf hohe Performance ausgelegt", hatte Tyrone Johnson vorab erklärt. "Die Kühlung hat im Endurance Mode ein eigenes Mapping. Wir betreiben zudem aktives Leistungsmanagement. Die Regeneration während des Bremsvorgangs ist auch von Vorteil, entgegen der Annahme, dass diese sich negativ auf das Verlängern der Performance auswirkt", fügt Felix Rodner hinzu.

Was mir am besten im Grenzbereich gefällt? Du musst nicht eine Lift-and-Coast-Strategie fahren und weit vor der Kurve bereits vom Gas gehen. Vor allem im sogenannten Sprint Mode mit bis zu 650 PS kann voll attackiert werden. Zwölf Mal wandert der Daumen auf der Nordschleifen-Runde dann in Richtung des roten Boostknopfs am Lenkrad und ruft die 41 Zusatz- PS für je zehn Sekunden ab.

Das Ergebnis? Der Ioniq 5 N kürt sich mit einer Rundenzeit von 7.45,59 min nicht nur zum schnellsten Serien-Hyundai bis dato auf der Nordschleife. Mit ihm ist zudem ein Elektro-Konzept gelungen, das man aus sportlicher Sicht ernster nehmen kann als alle anderen Elektrofahrzeuge, die bisher über die Nordschleife gefahren sind. Respekt, Hyundai!

Supercheck Wertungen
Nürburgring Nordschleife
13
maximal 20 Punkte

Boost-Lexikon für die Nordschleife. An folgenden Streckenabschnitten wurden die jeweils für zehn Sekunden zur Verfügung stehenden 41 Zusatz-PS per Lenkradknopf abgerufen: 1. beim Rausbeschleunigen aus Hocheichen, 2. hinter Flugplatz Richtung Schwedenkreuz, 3. hinter der Arembergbrücke runter in die Fuchsröhre, 4. aus dem Adenauer Forst, 5. aus Wehrseifen Richtung Breidscheid, 6. aus Bergwerk ins Kesselchen, 7. hinter der Mutkurve, 8. aus dem Karussell raus, 9. hinter Hoher Acht, 10. im Brünnchen, 11. im Bellof-S, 12. beim Rausbeschleunigen aus dem Galgenkopf auf die Döttinger Höhe.

Hockenheim-Ring Kleiner Kurs
11
maximal 20 Punkte

Fast noch spannender als die Rundenzeit auf dem GP-Kurs in Hockenheim ist das Ergebnis, wie lange der Ioniq 5 N im Sprint-Mode ohne Nachladen hier durchhält. Start mit 98 Prozent State of Charge, Ende mit 31 Prozent SOC. Rundenanzahl: zwei In-Laps, fünf gezeitete Runden am Limit insgesamt, zwei Out-Laps. Aufgrund der begrenzten Streckenverfügbarkeit konnten wir den Endurance-Mode hier nicht testen. Wir waren aber bei einem Ipool-Testtag an einem anderen Tag vor Ort, als Hyundai mit dem Ioniq 5 N acht Runden am Stück mit konstanten Zwei-Minuten-Rundenzeiten gedreht hat.

Beschleunigung / Bremsen
8
maximal 10 Punkte

Trotz seines hohen Gewichts legt der 5 N, dank seiner hohen Leistung mit Boost, einen beachtlichen Wert von 0 auf 200 km/h hin. Die Traktion ist dabei beim Sprintstart sehr gut. Subjektiv rennt der E-Sportler nahezu ohne Schlupf los. Auch der Verzögerungswert ist gut (11,8 m/s²).

Windkanal
9
maximal 10 Punkte

Im Vergleich zum Serien-Ioniq-5 wurde für die N-Version die Aerodynamik von Front- und Heckschürze, Seitenschwellern sowie Felgen und Heckspoiler optimiert. Der Elektrosportler hat sogar noch etwas mehr Abtrieb hinten als der i30 N, dafür

aber Auftrieb an der Vorderachse.

Querbeschleunigung
8
maximal 10 Punkte

Trotz des hohen Gesamtgewichts von 2.194 Kilogramm gelingt es dem Ioniq 5 N, unter anderem dank seines tiefen Fahrzeugschwerpunkts und der ausgeglichenen Gewichtsverteilung, in dieser Disziplin arrivierten Kurvenhelden eine lange Nase zu drehen. Mit maximal 1,40 g schlägt der Corsa-bereifte Ioniq 5 N hier den Porsche 992 Turbo S (ohne Corsa).

36-Meter-Slalom
5
maximal 15 Punkte

Wie im Ausweichtest kommt der 5 N hier nicht an den ebenfalls Corsa-bereiften Verbrenner-Bruder i30 N Performance heran. Die Lenkung arbeitet zielgenau, die Vorderachse beißt, aber das Heck wird recht schnell lose. In Rekuperationslevel Lvl1 ist es stabiler. Erwartungsgemäß bringen die stärkeren Lastwechselreaktionen von Lvl3 mehr Unruhe ins Fahrzeug.

Ausweichtest
5
maximal 15 Punkte

Der Ausweichtest ist nicht die Paradedisziplin des Ioniq 5 N. Im absoluten Grenzbereich macht sich Einlenkuntersteuern und am Ausgang Power-Oversteer mit recht abruptem Haftungsabriss bemerkbar. Leichte bis mittlere Wankbewegungen begleiten die Fahrt durch den Ausweichtest. Lob gibt’s hingegen für die direkte Lenkung mit guter Rückmeldung.

Fazit

59 Punktemaximal 100 Punkte

Ich plädiere für Technologie-Offenheit und die Koexistenz aller Antriebstechniken im sportlichen Segment: Verbrenner, Performance-Hybrid und E-Antrieb. Der Hyundai Ioniq 5 N ist ein Ausrufezeichen, in welche Richtung ein sportliches E-Auto gehen muss. Die Lade-Infrastruktur im Allgemeinen und das hohe Fahrzeuggewicht im Speziellen sind aktuell die größten Probleme der E-Mobilität.

Technische Daten
Hyundai Ionoq 5 N
Grundpreis74.900 €
Außenmaße4715 x 1940 x 1585 mm
Kofferraumvolumen480 bis 1540 l
Höchstgeschwindigkeit260 km/h
Verbrauch0,0 kWh/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten