Mazda 6 G 194 gegen Volvo S60 B4
Exoten im Limousinenkleid

Aus der Mitte der Gesellschaft in die Marktnische: Stufenheck-Limousinen der Mittelklasse sind die Verlierer des SUV-Trends – wenn sie nicht gerade Audi, BMW oder Mercedes heißen. Wir vergleichen zwei alltägliche Exoten von Volvo und Mazda.

Mazda 6, Volvo S60
Foto: Hans-Dieter Seufert

Pythagoras sagte: "Die Zahl ist das Wesen aller Dinge." Mit Zahlen kannte sich der gute Mann ja wirklich aus. Ein Blick auf die Anzahl der bei uns verkauften Mazda 6 Limousinen im vergangenen Jahr (228) – und der Fall wäre für Pythagoras klar: Der Mazda besitzt das Wesen des Unwesentlichen. Zumindest im Kontext des deutschen Automarkts. Dem Volvo S60 ergeht es nicht viel besser. Nur sechs Prozent der S/V60-Baureihe werden mit Stufenheck verkauft.

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Hier zeigt sich klar und deutlich, wie schwer es Stufenheck-Limousinen mittlerweile haben. Zum Vergleich: Ein Lamborghini Aventador kam laut KBA 2020 auf 728 Neuzulassungen. Im Vergleichstest zwischen Mazda 6 und Volvo S60 mit jeweils rund 200 PS starken Benzinern gehen wir der Frage nach, ob die Limousine in der Mittelklasse noch das Zeug zum versteckten Champion hat oder auf der letzten und tiefsten Stufe ihrer Karriereleiter steht.

Lang und gemütlich

Volvo S60
Hans-Dieter Seufert
Mazda 6 G 194: 194 PS, 258 Nm, Gewicht: 1.553 kg, Testverbrauch: 8,2 l, 480 l Kofferraum, ab 40.690 Euro.

Exoten haben bekanntlich ihre Eigenarten. So streckt sich der Radstand des Mazda 6 ganze acht Zentimeter über den der viel beliebteren Kombi-Variante hinaus. Mit 4,87 Metern Länge ist die Limousine nach Maßstäben der Mittelklasse ein ganz schöner Lulatsch. Sie gönnt den Insassen im Fond viel Beinfreiheit und den Füßen ausreichend Platz unter den Vordersitzen. Nur die flache Dachlinie kostet Kopffreiheit. In der vorderen Reihe eröffnet sich ein schön eingerichteter Arbeitsplatz – auch dank der fast kompletten Vollausstattung des Testwagens.

Die Materialien wirken durch das verbaute Sports-Line Plus-Paket (3.650 Euro) mit Sen-Holz, Nappaleder und künstlichem Rauleder ausgesprochen fein. Abgesehen von den elektrisch verstellbaren Vordersitzen bietet das Paket kaum praktische Vorteile, doch es macht so einen Mazda 6 glamouröser, als es sein biederes Image verspricht. Gleichwohl fühlt sich nicht alles am Mazda sonderlich edel an – der quietschig dünnblechige Tankdeckel zum Beispiel oder die windige Fernentriegelung für die Rücksitzlehne. Aber irgendwo muss die Preisdifferenz zwischen den beiden Kandidaten ja herkommen, denn der Volvo kostet schon ohne weitere Extras über 3.000 Euro mehr.

Doch zurück zum Mazda. Seine Bedienung macht dank des Dreh-Drück-Stellers wenig Mühe. Leider ist die Sprachsteuerung wenig hilfreich, und mit seiner altbackenen Kartendarstellung und dem pixeligen Kamerabild hätte der 6 langsam mal das besser auflösende System aus dem Mazda 3 und CX-30 verdient.

Von der leicht erhöhten Sitzposition auf bequemen, wenig haltstarken Ledersesseln mit etwas kurzer Schenkelauflage fällt der Blick auf das serienmäßige Head-up-Display, auf dem sich der durchaus rapide Geschwindigkeitszuwachs beim Beschleunigen beobachten lässt. Das Problem: Dafür muss die sanfte, aber ausreichend fixe Automatik den Saugbenziner auf hohe Drehzahlen bringen, und dabei wird’s laut. Trotzdem gefällt die homogene Motorcharakteristik, wenn auch vorwiegend bei ruhiger Gangart.

Bei der Assistenz ergibt sich ein gemischtes Bild. Während der Adaptivtempomat in allen Situationen souverän reagiert, ist der Spurverlassenswarner nur als Teilzeitkraft dabei. Mal korrigiert er, mal nicht. Die Verkehrszeichenerkennung hat es hingegen besonders eilig, hebt Tempolimits teilweise bereits auf, obwohl sie noch gelten.

Das Fahrwerk spricht tendenziell straff an, wird dann aber auf schlechteren Straßen nachgiebig, lässt in Kurven spürbare Neigung zu und schluckt Unebenheiten sehr sauber. Die leichte Kopflastigkeit des 6 will und kann es aber nicht verbergen. Dazu passt die eher indirekte, aber rückmeldungsstarke Lenkung.

Solides Stück

Mazda 6
Hans-Dieter Seufert
Volvo S60 B4: 197 PS, 300 Nm, Gewicht: 1.767 kg, Testverbrauch: 8,0 l, 427 l Kofferraum, ab 43.800 Euro.

Eine, wie sie dem etwas taub lenkenden Volvo auch stehen würde. Dessen Cockpit wirkt mangels Tasten minimalistischer und nochmals wertiger. Materialien und Verarbeitung sind erstklassig, die Sportsitze der R-Design-Linie eine ergonomische Wohltat mit viel Seitenhalt und einer elektrisch verstellbaren Oberschenkelauflage. Dazu sitzt man eine halbe Etage tiefer als im Mazda und wird stärker vom Cockpit umschlossen. Trotzdem wird es eng, denn das optionale Glasdach kostet Kopffreiheit.

Die Bedienung erfordert Gewöhnung, aber das schnelle, nur manchmal etwas unübersichtliche Sensus-System bietet große Touch-Flächen und eine flache Menüstruktur. Eine wirklich intuitive Sprachsteuerung fehlt aber auch ihm. Im Fond gibt es etwas mehr Kopffreiheit als beim 6, dafür ist die Sitzbank etwas flach und kurz geraten. Die Rücksitzlehne entriegelt elektrisch und legt sich flach, aber der Knopf ist unpraktisch neben der Kopfstütze platziert.

Auch an den Fahrkomfort des Mazda kommt der Volvo nicht heran. Sein Adaptivfahrwerk federt straffer und spricht auf kurzen wie langen Wellen härter an. Dafür hat er dem Mazda den Kreuzungsassistenten, die Unfallvorbereitung sowie den Ausweichhelfer voraus, und alle Systeme gehen ihrer Arbeit gewissenhaft nach – bis auf eines. Der Notbremsassistent ist in der Stadt äußerst nervös und sieht gerne Gefahren, wo keine sind.

Im Gegenzug bietet der S60 mit seinem leisen Turbomotor den souveräneren Antrieb. Frühzeitig schaufelt er Drehmoment an die Vorderräder, passend portioniert von der sanften Achtgangautomatik, die hier und da ihre schläfrigen Momente hat. Insgesamt wirkt der Volvo mit seinem ultrastabilen Geradeauslauf souveräner und schwerer als der Mazda – was er auch ist. Gut 200 kg extra bringt er auf die Waage, verbraucht aber dank Mildhybrid-System und Zylinderabschaltung eher weniger Superbenzin.

Erkaufen muss man sich den Volvo dafür im wörtlichen Sinne, denn bei gleichem Ausstattungsniveau knackt er locker die 50.000-Euro-Marke. Trotzdem reicht es dank des starken Motors und der besseren Assistenzausrüstung zum Sieg. Ob der S60 als Limousine damit noch mal zum Siegeszug ansetzt? Eher unwahrscheinlich. Eine zweite Karriere als unaufdringliche Kombi- und SUV-Alternative für Individualisten ist da wahrscheinlicher und verspricht eine willkommene, wenn auch bekannte Abwechslung.

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Fazit

1. Volvo S60 B4
419 von 1000 Punkte

Trotz kleiner Fahrwerksschwächen reicht es mit guter Assistenz und starkem Antrieb zum Sieg. Der S60 holt viele Punkte im Komfortkapitel, ohne sehr komfortabel zu federn.

2. Mazda 6 G 194
408 von 1000 Punkte

Trotz fairer Preisgestaltung nur Platz zwei. Die ausgewogene 6 Limousine zieht aus ihrer größeren Karosserie zu wenig Vorteile und verliert bei Assistenz und Ausstattung.

Technische Daten
Volvo S60 B4 R DesignMazda 6 G 194 Sports-Line
Grundpreis44.150 €41.990 €
Außenmaße4761 x 1850 x 1431 mm4870 x 1840 x 1450 mm
Kofferraumvolumen427 l480 l
Hubraum / Motor1969 cm³ / 4-Zylinder2488 cm³ / 4-Zylinder
Leistung145 kW / 197 PS bei 4800 U/min143 kW / 194 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit180 km/h223 km/h
0-100 km/h7,7 s
Verbrauch6,3 l/100 km6,7 l/100 km
Testverbrauch8,0 l/100 km