Mercedes E-Klasse und BMW 5er im Test
Reichen vier Zylinder im Premium-Segment?

Den Wettstreit zwischen BMW und Mercedes in der oberen Mittelklasse begleitet auto motor und sport bereits seit Jahrzehnten. In der neuesten Auflage des süddeutschen Duells wollen die Basisbenziner 520i und E 200 mit mildhybridisierten Vierzylinder-Turbos zeigen, dass die großen Limousinen auch mit kleineren Motoren ihren Führungsanspruch unter den Premium-Modellen rechtfertigen.

Mercedes E-Klasse, BMW 5er
Foto: Hans-Dieter Seufert

Baut BMW bessere Autos als Mercedes? So lautete die Fragestellung über dem großen klassenübergreifenden Duell zwischen den etablierten Schwaben und den aufstrebenden Bayern in auto motor und sport 20/1976. Mit dabei: das erste Treffen von BMW 520 und Mercedes 200. Zur E-Klasse wurde die Baureihe erst 1993 mit der zweiten Modellpflege des W 124. Heute ist die Klassenzugehörigkeit innerhalb des Modellkosmos und auf dem Markt klar definiert.

Unsere Highlights

Schneller Mercedes

Die aktuelle E-Klasse präsentiert sich seit 2020 geliftet und an der Basis mit einem aufgeladenen Zweiliter-Vierzylinder mit 197 PS und Mildhybrid-Zusatz. Zu wenig? Immerhin schafft auch der "kleine" 200er den Standardsprint in 7,8 Sekunden und 240 km/h Spitze.

Mercedes E-Klasse
Hans-Dieter Seufert
Der Mercedes ist in allen Disziplinen schneller als der BMW, sogar im Slalom. Und das trotz einem Mehrgewicht von 87 Kilogramm.

Auch der BMW 5er erhielt 2020 seinen "Life Cycle Impulse", sein gleich großer Turbomotor mit 184 PS zudem Start- und Anschubhilfe aus einem 48-Volt-System. Wäre das jetzt das Heft 20/1976, stände hier nun etwas von den motorischen Vorzügen des BMW-Vierzylinders, über seinen kultivierten Lauf, die gleichmäßige Kraftentfaltung ganzer 115 PS und über sein straffes, sportliches Fahrverhalten. Heute überzeugt der Antrieb des 520i ebenfalls mit Laufruhe und genug Leistung, um den knapp 1,7 Tonnen schweren Fünfer souverän, wenngleich nicht gerade rasant zu beschleunigen.

Sparsamer BMW

BMW 5er
Hans-Dieter Seufert
Der BMW besitzt den effizienteren Antriebsstrang. Im Test verbraucht er mit 8,0 l/100km einen halben Liter weniger als der Mercedes. In der besonders sparsam gefahrenen Eco-Runde verbraucht er gar nur 5,9 l/100km (6,3 im Mercedes).

Das Hybridsystem hilft beim unmerklichen Starten und füttert die Drehmomentkurve untenrum ein wenig an. Die serienmäßige Achtstufenautomatik schaltet meist so unauffällig und schnell, wie man es von ihr gewohnt ist. Meist? Bei voller Leistungsabfrage werden die Gänge zu lange gehalten und dem Motor geht die Kraft aus. Beim Übergang von Schub- zu Lastphasen sind kleinere Ruckler zu spüren. Weitere Disharmonien bleiben jedoch aus.

Alte Werte?

Unterdessen federn die optionalen Adaptivdämpfer gefühlvoll an und erledigen das Ausschwingen ohne unnötige Bewegungen sanft und schnell. Sportlichkeit? Nun, den ganz großen Dynamikfunken lässt der BMW nicht überspringen. Er lenkt verbindlich mit einer gewissen Wattigkeit an, flüchtet aber alsbald in sanftes Untersteuern, aus dem er sich nur mit viel Last herauswinden kann. Die Hinterradlenkung wirkt dabei weder agilitätsfördernd noch schafft sie es, den Wendekreis unter das Niveau der E-Klasse zu drücken.

Dagegen überzeugt die Fahrassistenz auf ganzer Linie – na ja, fast. Während Totwinkelwarner, Spurhalteassistent und ACC sehr verlässlich arbeiten, leistet sich die Verkehrszeichenerkennung im Test die ein oder andere Unsicherheit. Dank der zentralen Assistenztaste lassen sich die Helferlein auf Wunsch leicht deaktivieren. "Leicht" ist dabei das Stichwort für die gesamte Bedienung des Fünfer, die mit dem iDrive-Steller, dem großen Touchscreen und einer intelligenten Sprachsteuerung einen Top-Eindruck hinterlässt. Die Menü- führung ist logisch, die Lenkradtasten klar und gut platziert. Das kaum konfigurierbare Cockpitdisplay mit den mäßig ablesbaren Skalen passt da so gar nicht ins Bild.

BMW 5er
Hans-Dieter Seufert
Das iDrive-System im BMW mit gewohntem Dreh-Drückschalter überzeugt und funktioniert deutlich besser als die Touchgeschichten im Benz.

Zurück zum Fahren: Was die großartigen Dämpfer nicht wegstecken, versandet spätestens in den bequemen Komfortsesseln. Die Bezeichnung ist dabei wörtlich zu nehmen, denn zum einen gehören die BMW-Sitze zu den weicher gepolsterten Vertretern ihrer Zunft. Zum anderen lassen sie sich dank der umfassenden Verstellmöglichkeiten inklusive einer zweiteiligen Lehnenverstellung für jeden Körpertyp leicht anpassen.

Der Fond ist dank der großen Sitzauflage und einer passablen Ausformung der Rückbank ebenfalls angenehm. Einzig der Kofferraum könnte ein paar zusätzliche Ablagen vertragen. Ebenfalls schön: BMW spart sich Experimente bei der Tankgröße und bietet ausschließlich einen 68-Liter-Tank an. Serienmäßig bringt der 520i bereits den großen Touchscreen mit Navigation, Connectivity und dem vollen Entertainment-Programm, Einparkhilfe vorn wie hinten sowie dreigeteilt klappbarer Rückbank mit.

Charakterliche Annäherung

1976 wie heute bietet der Mercedes den gegenüber BMW günstigeren Einstieg bei höheren Ausstattungskosten. Der W 123 bekam vor allem für Fahrkomfort, das gute Platzangebot und die Wertigkeit Lob. Die Kritikpunkte: etwas zäher Motor, wenig Sportlichkeit und nur mittelmäßige Fahrleistungen. Dass sich BMW und Mercedes über die Jahre angenähert haben, zeigen nicht nur der großartige Komfort und die edle Anmutung des BMW. Der E 200 beschleunigt schneller und fährt sogar leichte Vorteile bei Slalom und Ausweichtest heraus. Woran liegt’s? Der Mercedes setzt auf eine Mischbereifung mit 275er-Reifen (!) an der Hinterachse.

Aber auch auf der Vergleichsfahrt mit 245er-Winterreifen rundum erweist er sich dem BMW mindestens als ebenbürtig. Da die Lenkung um die Mittellage sehr sanft und komfortorientiert arbeitet, zeigt der E 200 selbst im Sport-Modus zunächst keine große Kurvenlust. Fordert man ihn aber, baut seine Lenkung angenehm Widerstand und Feedback auf. Zudem untersteuert er sogar etwas weniger als der BMW. Der Sport-Plus-Modus hingegen wirkt überflüssig, da er das optionale Luftfahrwerk zu steif macht und das Fahrgefühl damit unangenehm ins Holzige abdriftet.

Mercedes: Guter Komfort, schlechte Bedienung

Mercedes E-Klasse
Hans-Dieter Seufert
Die Lenkradbedienung mit kapazitiven Tasten kann nicht überzeugen und verringert die Trefferquote der eigenen Finger enorm.

Viel besser versteht sich der Mercedes im Comfort-Modus auf einen überragenden Federungskomfort. Typisch für die Luftbälge ist das um eine Nuance herbere Ansprechverhalten. Danach schwingt die E-Klasse aber in einer derart kontrollierten Gelassenheit über kurze wie lange Unebenheiten, dass einem nichts anderes übrig bleibt, als in die Phrasenschublade zu greifen und den Vergleich mit einem fliegenden Teppich herauszuholen.

Auch der Motor wirkt alles andere als zäh, läuft eine Stufe ruhiger als der des BMW und verträgt sich bestens mit der sanften, nicht ganz so fixen Neunstufenautomatik. Zudem bietet das MBUX-System eine sehr hilfreiche Sprachsteuerung, kann jedoch bei der Menüführung und der haptischen Bedienung via Touchpad nicht ganz mit dem BMW-System mithalten.

Deutliche Abzüge gibt es für das Lenkrad mit schlecht reagierenden kapazitiven Tasten und Slidern, die Entertainment- und Tempomatbedienung erschweren. Wie im BMW überzeugt die gesamte Fahrassistenz mit Ausnahme der Verkehrszeichenerkennung, die Höhen-Durchfahrtsschilder als Tempolimits interpretiert.

Sitze mit Langzeitwirkung

In Sachen Wertigkeit bleibt sich der Stern ganz treu: Offenporiges Holz, feinstes Leder, taktil klickende Regler – alles wirkt äußerst solide und noch etwas edler als im BMW. Sämtliche Zierleisten schließen perfekt mit ihren Gegenstücken in den Türen ab. Die optionalen, straffen Multikontursitze sind weniger couchig als im BMW und erinnern an einen dieser hochergonomischen Bürostühle, deren Komfort man erst nach einer gewissen Zeit zu schätzen lernt.

Neben der Sitzmassage bietet die E-Klasse unter anderem eine automatische Sitzeinstellung anhand der Eingabe der eigenen Körpergröße. Die Sitzposition, die das System dann einstellt, könnte aber auch aus der Daimler-Truck-Sparte kommen, und Teile der Sitzbedienung sind umständlich in Menüs versteckt.

Entscheidend in diesem Vergleich: Die Mercedes-Optionsbremse lässt dem ordentlich, aber nicht brillant bremsenden BMW keine Chance und beschert der E-Klasse den Testsieg – trotz der gewohnt dreisten Preispolitik. Nicht mal eine klappbare Rückbank ist serienmäßig. Obwohl sich die beiden ewigen Rivalen über die Jahre charakterlich annäherten, baut Mercedes nach einem Unentschieden von 1976 aktuell das bessere Auto.

Mercedes E-Klasse, BMW 5er
Hans-Dieter Seufert
Der Mercedes gewinnt dieses Mal, wenn auch nur knapp. Komfort, Fahreigenschaften und Top-Bremse kaschieren die Schwächen in der Bedienung.
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Fazit

1. Mercedes E 200
649 von 1000 Punkte

Damals wie heute edel, komfortabel und geräumig. Dank Top-Bremsen und fahrdynamischer Motivation ganz vorn. (Lenkrad-)Bedienung nicht optimal, sehr teure Extras.

2. BMW 520i
644 von 1000 Punkte

Damals wie heute dynamisch und geschmeidig motorisiert. Ohne fahrdynamische Vorteile und mit schwächerer Bremse knapp auf Platz zwei – trotz Top-Bedienung.

Technische Daten
Mercedes E 200 BMW 520i Luxury Line
Grundpreis51.468 €55.750 €
Außenmaße4935 x 1852 x 1460 mm4963 x 1868 x 1479 mm
Kofferraumvolumen540 l530 l
Hubraum / Motor1991 cm³ / 4-Zylinder1998 cm³ / 4-Zylinder
Leistung145 kW / 197 PS bei 6100 U/min135 kW / 184 PS bei 5000 U/min
Höchstgeschwindigkeit240 km/h235 km/h
0-100 km/h7,8 s8,1 s
Verbrauch8,5 l/100 km5,3 l/100 km
Testverbrauch8,5 l/100 km8,0 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten