Mercedes SLS AMG Black Series und SRT Viper im Vergleich
Power to the People

Weit über 600 PS, relativ geringes Gewicht – im SRT Viper und Mercedes SLS AMG Black Series wird das Fahren sozialversicherungspflichtig, denn es bedeutet Arbeit. Harte, aber erfüllende Arbeit.

Mercedes SLS AMG Black Series, SRT Viper, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Alle Allein-Regierungs-Phantasten, Weltbeherrschungs-Hammond-Orgel-Erfinder und Freizeit-James-Bond-Schurken dürften die Fahrer eines SRT Viper ziemlich beneiden. Denn die können, was sie selbst nicht können – oder zumindest noch nicht: Unwetter auf Abruf zu erzeugen. Ein einziger Knopfdruck genügt, auf den Start-Button nämlich, und es bricht ein Gewitter los, wie es in der freien Natur unserer Breiten bestenfalls extrem heiße Sommertage beendet.

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Da wird selbst der Mercedes SLS AMG Black Series ein bisschen blass um den Frontsplitter, obwohl AMG-Modelle im Allgemeinen und der scharfe Flügeltürer im Besonderen nun wirklich weit davon entfernt sind, ihre Stimmgewalt sanft wie Smetanas Moldau oder Prokofjews Peter und der Wolf zu entfalten.

SRT Viper mit Soundgewalt und laxer Verarbeitung

Stattdessen rempelt auch der SLS tief, rau und kehlig mit der Sensibilität finanzjonglierender Fussballmanager durch Schallschutztüren, als gälten in dieser Leistungsklasse keine Lärmemissions-Grenzwerte. Doch was der SRT Viper abfeuert, lässt vermuten, dass bald rohe, blutige Steaks aus den Sidepipes purzeln. Das 8,4-Liter-Triebwerk metzgert seine Verbrennungsgeräusche geradezu heraus, verbreitet, wenn nicht Angst, dann doch Ehrfurcht.

Dem Mercedes wiederum gelingt das vorwiegend durch seine Optik, die den Eindruck erweckt, dass er aus Versehen aus dem Parc Fermé des letzten Langstreckenrennens in die Redaktionsgarage abbog. Verwunderlich nur, dass von den versprochenen 70 kg Einsparung gegenüber dem zuletzt gewogenen Basis-SLS gerade einmal acht übrigbleiben. Das im Testwagen installierte Infotainment-System inklusive Bang und Olufsen-Beschallung erklärt die marginale Differenz nur unzureichend.

Und der SRT Viper? Mit exakt 1,5 Tonnen wiegt er 124 Kilogramm weniger als der Mercedes, fällt zudem mit seinen kompakteren Abmessungen nicht ganz so raumgreifend aus wie der SLS. Wer oder was ist eigentlich SRT? Das Kürzel steht für Street and Racing Technology, die Sportabteilung der Chrysler Gruppe. Die erfand den Sportwagen nicht komplett neu, sondern strickte stattdessen das bis Anfang 2011 gebaute Modell mitsamt dessen Zehnzylinder-Saugmotor kräftig um. Nachdem der Einstieg über die heißen Auspuffrohre dank der weit öffnenden Türen recht locker gelingt, drückt die triste Plastik-Welt im SRT Viper doch arg aufs Gemüt.

Laxe Spaltmaße und Kunststoffe, deren Qualität schon von Kreditkarten in den Schatten gestellt wird, zeigen, dass der Fokus der SRT Viper-Entwicklung auf anderen Dingen gelegen haben muss. Haarspaltereien? Na ja, angesichts des Kaufpreises von knapp 140.000 Euro - den SRT Viper holen derzeit nur freie Importeure wie Geigercars nach Deutschland – sollte zumindest darauf hingewiesen werden.

AMG richtet den Black Series dagegen deutlich hochwertiger ein, rollt fleißig Alcantara und Leder aus, backt spezifische Carbon-Accessoires wie die Mittelkonsole, möbliert mit dünnen, perfekt geschnittenen Schalensitzen, alles humorlos-unerschütterlich verarbeitet – und hält hinterher die Hand auf: 249.900 Euro. Mag der Einrichtungsstil noch Geschmackssache sein, ist eine optimale Sitzposition hingegen essenziell für ein Fahrerlebnis, das im Zurechtschnitzen von Bestzeiten gipfeln soll. Und hier punktet der Mercedes, denn er passt – auch wenn die breiten Schweller einen eleganten Einstieg türsteherhaft zu verhindern wissen.

Im SRT Viper passen die von Sabelt zugelieferten Möbel ebenfalls prima, nicht ganz so martial-schalig wie im SLS, dennoch packend. Einzig zu hoch sind sie montiert, wenngleich 20 Millimeter niedriger als im Vorgänger. Groß gewachsene SRT Viper-Fahrer glotzen dennoch an den schwarz tapezierten, weit vorgezogenen Dachhimmel. Der SLS-Fahrer streckt sich derweil, angelt sich die Flügeltür, sie fällt ins Schloss.

Mercedes V8 kommt gewaltig

Das 6,2-Liter-Triebwerk bebt im Leerlauf, wartet ungeduldig darauf, sich der von 7.200 auf 8.000/min erhöhten Drehzahlgrenze nähern zu dürfen. Ein Ruck am kunstvoll gearbeiteten Wählhebel befehligt dem Doppelkupplungsgetriebe den ersten von sieben Gängen, der Mercedes rollt los. Mechanisches Schaben aus dem Antriebsstrang schiebt alberne Fragen nach der Cruising-Fähigkeit des Black Series beiseite, wenngleich der 631 PS starke V8-Motor auch bei niedrigem Tempo ruckfrei Gas annimmt – wenn es denn sein muss.

Was aber wirklich sein muss: ein Ausflug auf die Rennstrecke. Bereits auf dem Weg dorthin gewährt der SLS Einblicke in eine Welt, in der Motoren selten unter 6.000/min drehen, das Infotainment aus der Telemetrie zur Box besteht, Übersichtlichkeit, Geradeauslauf und die Straßenverkehrsordnung untergeordnete Rollen spielen. Der V8-Sauger beschäftigt sich unterdessen mit dem, was er am besten kann: ansaugen – und zwar jede Menge Luft durch das Kühlermaul und den rechten Fuß des Fahrers. Jeden Gaspedalbefehl retourniert der Direkteinspritzer sofort, schreit sich metallisch die Drehzahlskala empor, zerstäubt deren Markierungen innerhalb weniger Sekunden.
Erst wenn der Schaltblitz schon dunkelgelb – oder hellrot, je nachdem – in des Fahrers Augen schreit, ist das Getriebe bereit, mit höchstem Tempo und maximaler Brutalität die Gänge zu wechseln. Die Race-Startfunktion sorgt dafür, dass der Mercedes in 3,8 Sekunden von null auf Tempo 100 schießt und nach 11,5 Sekunden die 200 km/h-Marke verspeist. Selbst auf der Landstraße packt der SLS die ganz große Faszinationskeule aus, kleistert sich auf ihr fest, fordert immer wieder zu Zwischenspurts heraus, will zeigen, was er kann. Blöd nur, dass die richtig launigen Routen meist so schmal sind, dass sie der Mercedes zu sprengen droht. Seine Direktheit steckt an, jeder Lenkbefehl kommt der perfekten Wunscherfüllung gleich, jeder Gasstoß rückt die Erinnerung an den letzten Ausflug in ein neues Licht der Langsamkeit – der Mercedes ist immer schneller, viel schneller.

Die Schlange im Genick

Der SRT Viper klebt ihm dabei dicht an den vier Endrohren, fasziniert einerseits mit seiner Kumpelhaftigkeit, da er sich bis hin zur Schaltarbeit ganz dem Fahrer anvertraut. Trotz der unglücklichen Sitzposition behält er im SRT Viper besser die Übersicht, und das ist gut. So bleibt genug Konzentration auf die lawinenartige Leistungsentfaltung übrig, dann, wenn der V10 mit seinem Drehmoment von 814 Nm die Welt um sich herum begräbt. Finger weg vom Schalter der Traktionskontrolle, auch wenn er so griffgünstig in der Lenkradspeiche steckt!

Übrigens: Die in der Elektronik integrierte Launch-Control hilft dem SRT Viper wenig. Er verfehlt die Beschleunigungs-Werksangabe von 3,1 Sekunden deutlich, die Werte des SLS bleiben ebenso unerreicht. Dennoch: Danke. Danke dafür, dass der SRT Viper seinem Fahrer einen knuffigen Schalthebel reicht, der am Ende des Sechsgang-Getriebes steckt. Damit muss nun der überirdische Motor bei Laune gehalten werden – was nicht gerade nach leichter Unterhaltung klingt. Tatsächlich erfordern die Gangwechsel Konzentration, speziell beim Zurückschalten vom Dritten in den Zweiten, aber nur mäßig trainierte Waden, wie nett.

Nett? Eine SRT Viper? Bei hohem Tempo befreit er sich von jedem Nettigkeits-Verdacht, beginnt ein wenig aufgeregt zu tänzeln und überlässt dem Fahrer mit der etwas indirekten Lenkung die Korrekturversuche. Derweil bohren sich die 649 PS des Vollaluminium-Triebwerks hämmernd, bassend und geradezu höhnisch dröhnend in sein Gehirn, wo die urgewaltige Faszination des SRT Viper allmählich Besitz über sämtliche Sinne ergreift.

Slalom dominiert SRT Viper

Den SLS hat er natürlich aus dem Blick verloren, der SRT Viper, will die Niederlage in den Beschleunigungs-Disziplinen rächen. Mit seinen breiten, der Rollwiderstandsarmut unverdächtigen 295er Vorderreifen baut er im 18-Meter-Slalom unerschütterlichen Grip auf, lenkt flipperig ein, ermöglicht dem Fahrer so, die 1,5 Tonnen gezielt und schnell durch die Pylonengasse zu scheuchen – keine Chance für den Mercedes, obwohl er mit seinem Piloten viel besser kommuniziert. Seine Lenkung arbeitet etwas leichtgängiger, vor allem aber mit weit mehr Rückmeldung. Zusammen mit der modifizierten Vorderachse (steifere Elastokinematik, neue Radträger, mehr Spurweite, neue Stabis) lenkt der Black Series geradezu rechtwinklig ein, lässt sich im engen Slalom dann aber doch von seiner Masse beeindrucken und beginnt leicht zu schieben – ein Dämpfer also, kurz vor dem Start zum Duell auf dem Kleinen Kurs von Hockenheim.

Knackt ihn der SRT Viper auch hier? Leicht macht er es ihm jedenfalls nicht, seinem Fahrer aber auch nicht. Zu sehr flirtet der Sportwagen mit dem Jenseits der Haftgrenze, wirkt in seiner Balance nervös, das massige Heck groovt gerne etwas mehr, als es der Pilot wünscht. Sensationell: die Leistung der SRT Viper-Bremse.

Der SLS verzögert ebenso konstant, erreicht die Werte des SRT Viper jedoch nicht ganz. Sein Trumpf: Mit gezielten, tief grollenden Zwischengasstößen bekämpft er das Schleppmoment beim Anbremsen. Überhaupt wirkt der Mercedes wie die Ruhe selbst, feuert mit höchster Stabilität, Traktion und Präzision um den Kurs, arbeitet Runde um Runde ab, als mache er das täglich – 1.08,2 Minuten. Der SRT Viper bleibt mit 1.10,5 Minuten etwas zurück. Doch die Weltherrschaft ist in Reichweite, zumindest in der Welt der Sportwagen.

Fazit

1. Mercedes SLS AMG Black Series
303 von 1000 Punkte

Käfig reinschrauben, Helm auf, Rennen gewinnen – kaum ein Fahrzeug ist so nahe am Motorsport wie der Black Series-Flügeltürer. Und kaum eines kostet derart viel Geld.

2. SRT Viper
295 von 1000 Punkte

Ein irrwitziger, leichter Sportwagen, der Viper. Er verlangt mehr Mut als der SLS und bietet dafür weniger Grip. Zu dem Preis ist das US-Toy dennoch eine Empfehlung.

Technische Daten
Mercedes SLS AMG Black Series Dodge SRT Viper
Grundpreis249.900 €139.900 €
Außenmaße4646 x 1977 x 1264 mm4463 x 1941 x 1246 mm
Kofferraumvolumen176 l
Hubraum / Motor6208 cm³ / 8-Zylinder8382 cm³ / 10-Zylinder
Leistung464 kW / 631 PS bei 7400 U/min477 kW / 648 PS bei 5600 U/min
Höchstgeschwindigkeit315 km/h330 km/h
0-100 km/h3,8 s
Verbrauch13,7 l/100 km18,0 l/100 km
Testverbrauch16,9 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten