Porsche Carrera GT und Mercedes SLR McLaren
Gebrauchte Traumsportwagen mit V10 und V8

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Über 1.200 PS,1.370 Newtonmeter und 18 Zylinder: Die Dream-Cars Porsche Carrera GT und Mercedes SLR McLaren stehen für viele Superlative. Sie können aber auch einen herbstlichen Wochentag aufhellen, selbst als rund zehn Jahre alte Gebrauchte.

Porsche Carrera GT - Mercedes SLR McLaren - Gebrauchte Sportwagen - Supersportwagen
Foto: Andreas Becker

Wir schreiben das Jahr 2004: "König" Otto Rehhagel wird mit den Griechen Fußball-Europameister. Michael Schumacher gewinnt beim 700. Grand Prix von Ferrari seinen siebten WM-Titel. Rekord. Von der Formel-1-Euphorie angesteckt, zeigen Mercedes und McLaren einen gemeinsam entwickelten Supersportler aus Carbon, der natürlich "das Beste aus zwei Welten" vereinen soll.

Anders als Schumi und Co. muss der SLR-Fahrer mit acht statt zehn Zylindern auskommen, immerhin sorgt AMG für ordentlich Power. Und Porsche? Die Zuffenhausener glänzen zwar seit 1991 durch Abwesenheit in der Königsklasse des Motorsports, doch 2004 bringen auch sie ein Super-Car auf den Markt, den Carrera GT. Und dieser hat einen V10- Motor hinter dem Fahrer installiert.

Unsere Highlights

Kenner wissen Bescheid: Der 5,7-Liter-Motor sollte eigentlich einen Le-Mans-Renner antreiben. Doch den Mut, beim 24-Stunden-Rennen an der Sarthe anzutreten, hatte Porsche damals noch nicht. Also adaptierte man den Rennmotor für die Straße, entwickelte ein wunderschönes Carbon-Auto drum herum - und fertig war der Überflieger Porsche Carrera GT. Was sagt uns dieser Exkurs in die Vergangenheit? In diesem Segment können Wurzeln aus dem Motorsport nicht schaden, wenn man etwas Spektakuläres auf vier Räder stellen möchte.

Ab 600.000 Euro gibt’s gebrauchte Porsche Carrera GT

Zurück ins Hier und Jetzt. Die Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG rückt für 36 Stunden einen besonderen Gebrauchten raus: S-GO 449. Wenn es mein Porsche Carrera GT wäre: Ich hätte ihn nicht mal für 36 Sekunden aus der Hand gegeben. Der rote Flachmann ist elf Jahre alt und hat 43.819 Kilometer runter. Neupreis: 452.690 Euro. Aktueller Wert: zwischen 600.000 und 1,1 Millionen Euro. Respekt.

Ein Druck auf die Schlüsseltaste, den versteckten Türgriff finden und rein in den Mittelmotor-Renner. Zur Begrüßung zeigt uns das Cockpit seinen zentralen Drehzahlmesser mit 10.000er-Skala, der Tacho reicht bis 380 km/h. Zündung an, der V10 im Rücken brüllt kurz auf. Die rechte Hand umfasst den Schalthebel aus Buchen-Schichtholz (nein, ultraleichtes Balsa gab es nur im Le-Mans-Renner 917), der Rückwärtsgang rastet präzise ein.

Unfassbar, wie spontan der 5,7-Liter hochdreht und sofort wieder auf Leerlaufdrehzahl fällt, wenn man den Fuß vom Gas nimmt. Bereits beim Ausparken spürt man seine Abstammung vom Rennmotor. Die Kupplung: aus Keramik-Verbundmaterial, nur 169 Millimeter groß und Voraussetzung, den Motor möglichst tief einzubauen. Ihr wird ja eine digitale Arbeitsweise nachgesagt - an oder aus. Für Novizen im Cockpit in jedem Fall eine Herausforderung. Also allerhöchste Konzentration beim Rangieren, bevor es auf dem Parkplatz im Porsche-Werk richtig peinlich wird.

V10 im Carrera GT macht abhängig

Zuschauer gibt es ja immer zuhauf, wenn ein Porsche Carrera GT auftaucht. Doch es klappt auf Anhieb. Ohne abzusterben, rollt S-GO 449 vom Hof. Kein höhnisches Gelächter also, vielmehr bewundernde Blicke, egal ob der rote Racer auf der Schnellstraße mit Tempo 80 dahinrollt oder auf der linken Spur der A 81 angeflogen kommt. Überholprestige? Zu 100 Prozent! Wenn dann mal wieder irgendein Träumer vergessen hat, in den Rückspiegel zu schauen - auch nicht so schlimm. Die Keramikbremse verzögert den Porsche so souverän, dass einem die Worte fehlen. Also kurz warten, zwei, drei Gänge runter und wieder voll auf den Pinsel.

Die Art, wie der V10 den Zweisitzer beschleunigt, macht schnell abhängig. Die Tachonadel ist fix bei 300 angelangt. Süßer Wahnsinn ... Eigentlich ist es völlig egal, welcher Gang eingespannt ist. Der Mittelmotor ist ebenso elastisch wie drehfreudig. Erst bei 8.250 Touren beginnt der rote Bereich, und es bereitet diebischen Spaß, die sechs Gänge ganz altmodisch mit der rechten Hand zu wechseln. PDK? Nein, danke.

Porsche Carrera GT - Supersportwagen - V10
Andreas Becker
V10, Mittelmotor, 612 PS: Was will man mehr?

Gänsehaut - oder man sitzt im falschen Auto

Der Sound: Innen nicht so euphorisierend wie erwartet. Wer denkt, der Porsche Carrera GT klinge noch schärfer als Gallardo oder Audi R8, täuscht sich. Schuld ist die unterschiedliche Zündfolge. Von außen aber klingeln einem die Ohren: heulend, glockenklar, durchdringend. Am besten genießt man die Zehnzylinder-Melodie im Tunnel: Im sechsten Gang in die Röhre, Radio aus, Fenster runter. Mit Zwischengas in den Vierten oder Dritten, und jetzt den rechten Fuß aufs Bodenblech: Ansauggeräusch und Auspuffsymphonie vermischen sich zu feinstem Formel-1-Sound der 1990er- und 2000er-Jahre. Wer da keine Gänsehaut bekommt, sitzt definitiv im falschen Auto.

Rückblick: Im sport auto-Supertest vor zwölf Jahren erzielte der Porsche Carrera GT 68 von möglichen 70 Punkten. Die Zeit für den Kleinen Kurs Hockenheim: 1.08,6 min - Rundenrekord für Autos mit Straßenzulassung. Auf der Nordschleife erzielte er 7.40 min, trotz nassen Stellen auf der Fahrbahn, aktiviertem ASR und niedrigen Temperaturen. Egal, auch dort deklassierte der Porsche alle vor ihm gemessenen Sportler. Die Topspeed auf der Döttinger Höhe: 294 km/h. Die Zeit für die Beschleunigung von 0 auf 200 km/h: 10,2 Sekunden.

Zahlen, Fakten und Werte, die heute kaum weniger respektabel erscheinen als anno 2004. Begeisternd ist die Kombination aus problemloser Fahrbarkeit und höchst dynamischem Charakter. Richtungswechsel werden quasi telepathisch vollzogen. Minimale Lenkwinkel und superdirekte Reaktionen ergeben einen wahren Handling-Genuss. Das niedrige Gewicht des Carbon-Renners - vollgetankt 1.473 Kilogramm - hilft ungemein. Aber: Der Porsche Carrera GT hat nur ASR, kein ESP, Hobby-Vettels aufgepasst. Die zackige Beschleunigung aus dem Stand verlangt höchste koordinatorische Fähigkeiten. Ein Millimeter zu viel Gas, und schon qualmen die 335er-Hinterreifen, speziell bei herbstlichen Temperaturen.

Porsche Carrera GT verlangt höchste Aufmerksamkeit

Der Über-Porsche ist Supersportwagen durch und durch, vor allem im Stadtverkehr verlangt er höchste Aufmerksamkeit. Speziell wegen der schwer dosierbaren Kupplung, die bei unserem roten Racer am Limit ihrer Lebensdauer angelangt sein dürfte. Dazu rasselt das Getriebe wie eine Körnermühle. Asphaltschäden und Querfugen schlagen trocken bis ins Interieur durch. Das puristisch ausgelegte Cockpit gefällt zwar aus ergonomischer Sicht, Angenehmes wie Ablagen, Sitzheizung und Lenkradtasten wurden aber gestrichen. Ein bequemer Ein- und Ausstieg stand auch nicht im Lastenheft des GT.

Anders bei der britisch-schwäbischen Kooperation Mercedes SLR McLaren. Die Flügeltüren erlauben einen lockeren Zutritt ins Cockpit. Schwarz-beiges Leder und edles Carbon, wohin das Auge blickt. Tempomat, Automatik, elektrische Sitze - der Luxus spricht mehr für Mercedes als für McLaren. Doch mit seiner spitzen Nase will der V8-Sportler an das damalige Formel-1-Engagement erinnern. Außerdem wurde der SLR ja in Woking gefertigt, und zwar ebenfalls komplett aus Carbon. Dass aus ihm kein Leichtgewicht wurde, hat auch mit den zahlreichen Komfort-Features zu tun.

Mercedes SLR McLaren kein Leichtgewicht

1.747 Kilogramm zeigte die Waage beim sport auto-Supertest für das Coupé im Jahr 2004 an. Damit liegt er satte 274 Kilo über dem Porsche Carrera GT, beim Roadster kommen weitere 70 Kilo dazu. Nur ein paar Gramm wiegt die kleine Klappe auf dem Wählhebel, die den Startknopf freilegt. Eine optisch wie haptisch nette Geste: Auf einen kurzen Druck setzen sich acht Zylinder, 32 Ventile und ein großer Schraubenkompressor in Bewegung. Der direkt vor der Spritzwand installierte AMG-Motor M 155 mit 5,5 Litern Hubraum donnert los.

Zum Aufwärmen erst mal durch die City cruisen. Auch der Mercedes SLR McLaren ist ein echtes Statement: Wer mit ihm daherkommt, fällt auf. Ungefähr so wie ein entlaufener Alligator in der Fußgängerzone. Überall folgen einem Blicke, Smartphones werden gezückt. Das liegt natürlich auch am wummernden Klangteppich, den der SLR mit seinen vier Sidepipes auslegt. Trockener V8-Bass bei innenstadttauglichen Drehzahlen, scharfer Achtzylinder-Beat plus helles Kompressor-Sirren bei Drehzahlen über 4.000 Touren.

Mercedes SLR McLaren - Supersportwagen - V8 mit Kompressor
Andreas Becker
0-100 km/h in 3,9 Sekunden: sport auto-Messwert vom SLR McLaren.

Langschnauzer mit spitzer Lenkung

Im gestreckten Galopp über die Landstraße - da präsentiert sich der Langschnauzer nicht so vertrauenerweckend wie der Porsche, obwohl ESP an Bord ist. Schuld ist die spitze, zu direkte Lenkung. Der Effekt verstärkt sich, wenn das Profil der Pneus zur Neige geht. Gewöhnung verlangt auch das pumpende Heck bei schneller Fahrt über Bodenwellen. Oder die Dosierbarkeit der Keramikbremse. Dafür kann der McLaren-Mercedes dem Porsche bei der Längsbeschleunigung locker folgen. Bis Tempo 100 sind sie praktisch gleichauf, bis 200 fehlen dem SLR nur wenige Zehntel (11,1 zu 10,2 Sekunden).

Den Gewichtsnachteil gleicht der britische Schwabe beim Drehmoment aus: Mit 780 Nm schlägt er den Stuttgarter (590 Nm) um Längen. Umgekehrtes Bild auf der Rennstrecke: Weder in Hockenheim noch auf der Nordschleife hatte der Mercedes SLR McLaren eine Chance gegen den Porsche Carrera GT. Unterm Strich ist er aber der alltagstauglichere Supersportwagen. Automatik, ESP, mehr Helferlein im Cockpit, ein Kofferraum - bei den verwöhnten US-Bürgern war der SLR beliebter als der puristische Porsche. Das Verdeck will zwar manuell entriegelt werden, bevor es elektrisch nach hinten surrt. Dafür muss man aber beim Porsche zwei Dachschalen von Hand ausklinken. Platz finden sie im vorderen Kofferraum - der dann keiner mehr ist.

Auch Superhelden haben Problemzonen

Porsche Carrera GT und Mercedes SLR McLaren: Zwei Superhelden von damals. Doch auch sie haben Problemzonen. "Beim SLR schwächeln im Alter die Dämpfer der Flügeltüren", so Sportwagenhändler Christoph Zitzmann aus Nürnberg. Auch die Reifendruckkontrolle nervt zuweilen durch Fehlermeldungen. Beim Porsche ist es die Kupplung, die, falsch behandelt, ihren Dienst quittieren kann. Dann sind die Experten vom Porsche-Zentrum gefragt. Dort hilft man Kunden des Carrera GT auch bei Fragen zum Reifen. 2013 hat Michelin zusammen mit Porsche einen neuen Pneu entwickelt. Der Pilot Super Sport in 265/35 ZR 19 vorn und 335/30 ZR 20 hinten löst den Pilot Sport PS2 ab. Seine Vorzüge: mehr Grip, besseres Handling und höhere Querbeschleunigung. Insgesamt profitiert der Fahrer laut Porsche von einem harmonischeren Fahrverhalten und einer höheren Lebensdauer. Einfach traumhaft.

Vertrauensfrage:

Autos dieser Kragenweite sind nichts für Träumer. Wer sich ein solches Super-Car in die wohltemperierte Garage stellen möchte, sollte auch finanziell kein Schattenparker sein. Ein SLR McLaren kostet gebraucht mindestens 200.000 Euro, ein Carrera GT das Dreifache. Wie immer gilt bei dieser Fahrzeuggattung: Es gibt kaum Grenzen nach oben. Ob die zum Teil horrenden Preisvorstellungen wirklich realisiert werden können, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Dabei waren beide Supersportwagen schon einmal günstiger zu haben: Der Tiefpunkt beim Deutsch-Briten lag 2013 bei rund 150.000 Euro. Kaum jemand hätte gedacht, dass er die 200.000-Euro-Schwelle je unterschreiten würde. Ein noch dramatischeres Bild zeigt der Blick auf die Wertentwicklung des Zuffenhauseners: Ende 2013 rutschte der Porsche auf 180.000 Euro ab. Gut für Spekulanten, schlecht für Zauderer. Wer sich über die verpassten Chancen ärgert: Genau die gleichen Gesetze gelten auch an der Börse. All jenen, die sich so ein Auto weder damals noch heute leisten können, sei empfohlen: Einfach ein Poster kaufen und ins Schlafzimmer hängen. Und dann vom Dream-Car träumen.

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten