BMW 535d und Jaguar XF 3.0 V6 Diesel S im Test
Duell der sportlichen Diesel-Limousinen

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Dass der BMW 535d kurz vor dem Ruhestand steht, ist im Vergleich mit dem flüsterleisen 275-PS-Diesel von Jaguar nicht zu überhören: Der bayerische Oldie ist ein eher rauer, mit 286 PS aber auch sehr potenter Geselle und dem selbstzündenden XF-Topmodell mit S-Kennung daher als Einziger gewachsen. Auf Wunsch gibt es den Briten auch mit Performance Paket.

BMW 535d, Jaguar XF 3.0 V6 Diesel S
Foto: Rossen Gargolov

Auf den ersten Blick mag der vorliegende Vergleich unfair erscheinen: Kann ein kurz vor der Ablösung stehendes Auto wie der BMW 535d gegen eine optisch wie technisch hochmoderne und ungleich jüngere Limousine wie den Jaguar XF V6 Diesel S überhaupt Stiche machen? Ganz unberechtigt ist die Frage nicht. Sieben Jahre sind eine lange Zeit. Da kommen Ehen in ihre kritische Phase, werden Kinder schulreif, und die Automobilbranche legt binnen dieser Spanne gar locker einen Generationenwechsel hin. Da dem so ist und weil neue Besen auch und gerade bei den Premiumherstellern des deutschen Fahrzeugbaus zumeist besser kehren als alte, dürfte davon auszugehen sein, dass der in den Startlöchern stehende neue Fünfer-BMW vieles besser können wird als die gerade noch aktuelle Limousine vom Typ E60. Doch ganz ohne einen Vergleich wollten wir den selbstzündenden Jag selbstredend auch nicht im Raum stehen lassen. Und weil es mit Ausnahme des 535d nun mal keinen anderen dem XF V6 Diesel S leistungstechnisch ebenbürtigen Gegner gibt, musste der Oldie halt noch einmal herhalten – was ja auch kein Nachteil ist. Dann lassen sich später die Meriten des Nachfolgers fundierter würdigen. Aber genug der Vorrede.

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Diesel-Limousinen mit 275 PS und 286 PS

Schauen wir uns die beiden Kontrahenten genauer an. 275, mittels zweier Abgasturbolader aus einem längs montierten V6 herausgekitzelte PS beim Jaguar ohne Zündkerzen stehen deren 286 beim BMW gegenüber. Hier sind die sechs Zylinder traditionell in Reihe angeordnet. Trotz dieser Diskrepanz im Motorenaufbau greifen beide Autos auf exakt 2.993 cm³ Hubraum zu. Bohrung und Hub sind mit je 84 und 90 Millimeter ebenso identisch wie die Antriebskonzepte der Mittelklasse-Limousinen.

Sowohl der BMW als auch der Jaguar beaufschlagen ausschließlich die Räder der Hinterachse mit einer satten Portion Drehmoment: Der BMW 535d stemmt bis zu 580, der XF V6 Diesel S gar bis zu 600 Newtonmeter auf die Kurbelwelle. Für die Kraftübertragung zeichnet hier wie da eine von ZF zugelieferte Automatik verantwortlich. Die Anwahl der sechs Fahrstufen erfolgt bei BMW mittels des inzwischen in allen Baureihen eingesetzten Vor-/Zurück-Wahlhebels, Jaguar vertraut auf einen noch futuristischer anmutenden, sich beim Ausschalten des Motors selbsttätig absenkenden metallenen Wahlknopf in der Mittelkonsole.

Jaguar XF wiegt knapp unter 2 Tonnen

Dies und die sich im Ruhezustand wie von Geisterhand schließenden Belüftungsdüsen unterstreichen, dass der XF aller konzeptbedingter Ähnlichkeiten mit dem Fünfer zum Trotz das deutlich modernere, wenngleich auch etwas größere und viel schwerere Auto ist. Mit 4,96 Meter Länge bleibt er nur knapp unter der Fünf-Meter-Marke, mit 1.971 Kilo Lebendgewicht gerade noch unter der Zwei-Tonnen-Schmerzgrenze. Ohne die zum Performance Kit gehörenden 20-Zoll-Räder mit Mischbereifung kommt der Jaguar XF V6 Diesel mit rund 30 Kilo weniger übrigens kaum leichter. So oder so muss der Brite den Bayern in Sachen Leistungsgewicht ziehen lassen. Mit elf Pferdestärken mehr unter der Haube und 223 Kilo weniger auf den Rippen ist der Sieg des 535d in dieser Kategorie der sport auto-Wertung ausgemacht.

Auch der Ausgang des Shootouts auf dem 2,6 Kilometer langen Kleinen Kurs in Hockenheim lässt für den Jaguar Böses ahnen. Tatsächlich zieht der mit Bridgestone Potenza RE050A-Reifen der moderaten Dimension 245/40 R18 rundum angetretene Senior aus München dem in der Normalfassung Dunlop SP Sport 01-bereiften Newcomer aus Coventry im badischen Rund locker davon: 1.19,6 Minuten beim BMW stehen deren 1.21.3 beim Jaguar gegenüber. Erst mit dem aufpreispflichtigen, das adaptierte Fahrwerk des XFR und 20 Zoll große, mit Dunlop Sport Maxx-Reifen der Dimension 255/35 vorn und 285/30 hinten bezogene Leichtmetallräder umfassenden Performance Kit pirscht sich der Brite ein gutes Stück näher an den Bayern heran: So gerüstet verliert der XF V6 Diesel S nurmehr neun Zehntelsekunden auf den 535d und realisiert eine in Anbetracht seines schlechteren Leistungsgewichts durchaus beachtliche Rundenzeit von 1.20,5 Minuten.

Schließlich muss der Jaguar mit jeder seiner Pferdestärken 7,2, der BMW hingegen nur 6,1 Kilogramm in Marsch setzen und halten. Träger anmuten tut doch der Engländer deshalb freilich nicht. Subjektiv würde man den XF Diesel grundsätzlich leichter wähnen, als er ist. Dem agilen Einlenken des großräumigen Viertürers folgt ein sachtes Mitlenken des mit einer markanten Chromspange versehenen Hecks. Dabei bleibt der Jaguar auch im Grenzbereich stets frei von Tücke. Die Arbeitsweise der ZF-Automatik überzeugt auf diesem Areal sowohl im Sport-Modus als auch unter Zuhilfenahme der am Lenkrad montierten Schaltpaddel zur Gänze. Und dass der Selbstzünder zu keiner Zeit als solcher zu erkennen ist, geht hier wie auch im Alltag als überaus sympathischer Charakterzug durch. Der BMW 535d legt diesbezüglich weniger Zurückhaltung an den Tag: Er dieselt vernehmlich, ist dafür aber auch überraschend drehfreudig. Das erklärt das deutlich bessere Abschneiden des Süddeutschen in der Sprint- und Elastizitätsprüfung.

BMW siegt in der Sprint- und Elastizitätsprüfung

Landstraßentempo erreicht der BMW 535d nach 6,3 Sekunden, die 200-km/h-Marke ist nach 18,4 Sekunden Geschichte. Der XF Diesel S geht die gleiche Übung seiner üppigeren Statur entsprechend eine Spur gelassen an: Er sprintet binnen 6,7 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und ist nach 22,0 Sekunden 200 km/h schnell. Bei der Durchzugsmessung kann der distinguierte Brite unten herum gut mithalten, verliert jedoch ab etwa 140 km/h gegenüber dem BMW deutlich an Boden. Andererseits sorgt der Drehmomentverlauf des Jaguar auf langen Überlandfahrten für ein stetes Grinsen im Gesicht: „Selbst im sechsten Gang knüppelt er die Berge platt, dass es eine wahre Freude ist“, kommentiert ein ansonsten eher der Hardcore-Fraktion zuzurechnender Kollege den Charakter des XF und erklärt ob seiner Begeisterung für eine Diesel-Limousine mit automatischer Kraftübertragung den Bankrott seiner sportlichen Gesinnung.

Tatsächlich überzeugen beide Autos primär im täglichen Umgang, für den sie ja auch konzipiert worden sind. In Sachen Platzangebot punktet der im Innen- wie im Kofferraum überdurchschnittlich geräumige XF V6 Diesel S, beim Verbrauch hat der 535d seine immer noch sehr modern anmutende Nase vorn: Während sich der Bayer auf 100 Testkilometern im Mittel mit 10,0 Liter Diesel zufriedengibt, dürstet es den Engländer nach 11,2 Liter Heizöl. Eine gewisse Zurückhaltung des Gasfußes vorausgesetzt, lässt sich jedoch auch der Jaguar mit gut acht Liter auf 100 Kilometer fortbewegen. Materialanmutung und Verarbeitungsqualität sind hier wie da überdurchschnittlich. Bei der Entscheidung pro oder kontra dürfen also getrost persönliche Design-Vorlieben den Ausschlag geben.

Allerdings wird der Mittelklasse-BMW der kommenden Generation diesbezüglich wohl noch einen draufsetzen – das legt der Seitenblick auf den großen Bruder mit der Kennziffer Sieben nahe, dessen edel-minimalistische Cockpit-Gestaltung als State of the Art durchgeht und gemäß der Top-Down-Philosophie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch im neuen Fünfer Glanzpunkte setzen wird. So oder so sind beide Autos bereits sehr nahe an der automobilen Oberklasse dran – sowohl bezüglich der Abmessungen als auch mit Blick auf die Summe der in den Testwagen eingesetzten Komfort- und Hightech-Features. Wenn die Flottenmanager Oberklasse-Limousinen nicht mehr bestellen wollen oder dürfen, dann rüsten die Hersteller eben die Mittelklasse auf. So einfach ist das. Dass derlei auch bei der Preisgestaltung Spuren hinterlässt, versteht sich dabei fast von selbst.

Aufpreis bringt Testwagen an die 75.000 Euro

Während sich die Grundpreise beider Autos mit 55.200 (BMW 535d) und 54.500 Euro (Jaguar XF V6 Diesel S) noch im Rahmen halten, gehen die Premium-Hersteller bei den aufpreispflichtigen Extras in die Vollen. In der Folge notieren die Testwagen unterm Strich deutlich teurer: Der blaue BMW wäre für 74.697, der mit einer strafferen Fahrwerksabstimmung und 20-Zoll-Rädern flott gemachte Jaguar für 74.880 Euro zu haben. Auch damit offenbaren die Limousinen Upper-Class-Ambitionen, denen sie in weiten Teilen auch gerecht werden. Einzig das Sound-System des Jaguar geht als Ärgernis durch: Die Empfangsqualität des Radios ist immer noch unterdurchschnittlich, und in Sachen RDS herrscht ebenso Fehlanzeige. Wer über eine längere Strecke bei ein und demselben Sender verweilen will, muss per Sendersuchlauf wiederholt selbst aktiv werden. Das Navigationssystem leitet verlässlich, gehört in Bezug auf die grafische Darstellung und die Bedienbarkeit jedoch nicht zu den Klassenbesten.

Was das Infotainment angeht, liegt BMW mit seinem inzwischen problemlos bedienbaren iDrive-System und Connected Drive ein gutes Stück vorn. Dafür haben die Briten mit dem XF Performance in anderer Hinsicht ganze Arbeit geleistet: Dass ein Jaguar einen vergleichbaren BMW auf der Bremse und in der Slalomprüfung Mores lehrt, war bislang nämlich beileibe keine Selbstverständlichkeit. Tatsächlich macht der starke Diesel aber gerade hier jene Zähler gut, die ihm unterm Strich zu einem knappen Sieg nach Punkten verhelfen. Mit einer mittleren Verzögerung von 10,6 m/s² bei warmer Bremsanlage liegt der Bremsweg des Jag auch nach der zehnten Vollbremsung aus Landstraßentempo noch unter der punktrelevanten 37-Meter-Grenze. Der 535d verfehlt diese Vorgabe mit 37,2 Meter und einer mittleren Verzögerung von 10,4 m/s² trotz der sehr ähnlich dimensionierten Bremsanlage knapp und muss sich in der Folge in dieser Disziplin mit sechs statt sieben Wertungspunkten zufriedengeben.

In der auf 180 Meter Länge gesetzten Pylonengasse legen die Mittelklässler zwar ähnliche Verhaltensweisen an den Tag, jedoch mit unterschiedlichem Erfolg. Beide Autos warten mit relativ viel Seitenneigung auf. Klar, wenn der Komfort – wie bei für die Langstrecke gedachten Limousinen üblich – nicht zu kurz kommen soll. Insgesamt mutet der leichtere BMW beim Umrunden der in 18 Meter Abstand voneinanderstehenden Hütchen jedoch behäbiger an als der knapp zwei Tonnen schwere Jaguar. Zudem drückt der 535d im Grenzbereich leicht mit dem Heck. Gut kontrollierbar zwar, aber Zeit kostet die Tendenz zum Übersteuern allemal.

Fahrdynamisch kann der Jaguar punkten

Der in hohem Maße der Neutralität verpflichtete Brite lässt sich mit deaktiviertem Fahrstabilitätsprogramm noch eine Spur spielerischer durch die Pylonengasse schaukeln und schiebt seine glänzende Nase mit dem wuchtigen Kühlergrill in der Folge ein gutes Stück schneller über die Ziellinie des Handlingparcours als der zierlichere BMW: 65,1 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit beim XF V6 Diesel S Performance stehen 63,5 km/h beim 535d gegenüber. Ohne Performance Kit operiert der Jaguar in dieser Disziplin in etwa auf dem Niveau des Bayern. Ob der neue Fünfer das alte fahrdynamische Kräfteverhältnis, dem gemäß BMW eigentlich immer vor Jaguar rangierte, wieder herstellen kann, ist bei nächster Gelegenheit zu klären.

Technische Daten
BMW 535d Jaguar XF S 3.0 V6 Diesel Luxury
Grundpreis55.200 €56.300 €
Außenmaße4841 x 1846 x 1468 mm4961 x 1877 x 1460 mm
Kofferraumvolumen520 l540 l
Hubraum / Motor2993 cm³ / 6-Zylinder2993 cm³ / 6-Zylinder
Leistung210 kW / 286 PS bei 4400 U/min202 kW / 275 PS bei 4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
0-100 km/h6,3 s6,7 s
Verbrauch6,7 l/100 km6,8 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten