Arbeitsbedingungen in Tesla-Fabrik Grünheide
Roboter greift Ingenieur an und verletzt ihn

In der deutschen Tesla-Fabrik passieren auffällig viele und schwere Arbeitsunfälle. Ein Großteil der Belegschaft verlangt bessere Arbeitsbedingungen und mehr Sicherheit. Jetzt bekannten sich 1.000 Mitarbeiter bei einer Blitzaktion offen zur IG Metall.

IG Metall Aktion Tesla
Foto: Jochen Eckel / Schönfeld

In einer Blitzaktion am 9. Oktober haben sich über 1.000 Beschäftigte der Tesla Gigafactory Berlin-Brandenburg zur IG Metall bekannt. Zusammen stellten sie offen ihre Forderungen auf Deutsch, Polnisch, Arabisch, Englisch, Türkisch und Kurdisch: "Schluss mit Druck, Willkür und Angst. Gemeinsam für sichere und gerechte Arbeit".

Hintergrund sind die schlechten Arbeitsbedingungen, überdurchschnittliche viele Arbeitsunfälle (siehe weiter unten) und der daraus folgende hohe Krankenstand in der Belegschaft. Für einzelne kleine Mitarbeiter-Gruppen sei es bei Tesla schwierig, sich gewerkschaftlich zu organisieren, erklärt uns ein IG-Metall-Sprecher. Nur durch eine solche Blitzaktion von ausreichend vielen Kollegen und Kolleginnen sei es möglich, sich im Unternehmen Gehör zu verschaffen. Und tatsächlich zeigt die Aktion Wirkung.

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Höhere Gehälter in 2024

Noch im November 2023 möchte Tesla seinen Mitarbeitern des Werks Grünheide höhere Gehälter ankündigen. Das teilte das amerikanische Unternehmen auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. "Über die Höhe informieren wir natürlich zuerst unsere Mitarbeitenden", erklärt Tesla weiter. Schon im vergangenen Jahr musste Tesla die Löhne um sechs Prozent anpassen. Laut Gewerkschaften liegt das Lohnniveau in der Gigafactory immer noch unter dem Branchen-Durchschnitt.

Tesla selbst bestreitet die Vorfälle. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden zu Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen geschult und hätten Zugriff auf die nötige Arbeits- und Sicherheitskleidung. "Für uns als Gigafactory Berlin-Brandenburg steht der Gesundheitsschutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an oberster Stelle und damit auch die Arbeitssicherheit", betont das Unternehmen.

Mitarbeiter fordern Verbesserungen

Laut IG Metall machten Mitarbeiter in der Nacht- und Frühschicht mit Aufklebern an ihren Arbeits-T-Shirts auf das Problem aufmerksam. Auf die Sticker hatte die IG Metall die Parole gedruckt: "Gemeinsam für sichere & gerechte Arbeit bei Tesla."

Der regional zuständige Bezirk der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen schätzt auch die Arbeitsbelastungen in der Fabrik als extrem ein. Zu kurze Taktzeiten, Personalmangel und überzogene Produktionsziele würden auf die Rücken der Angestellten geladen. Hinzu kommen gravierende Mängel bei Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit, die zu Krankenständen von bis zu rund 30 Prozent und einer hohen Zahl von Arbeitsunfällen führten.

Auch Politik mischt sich ein

"Tesla muss auftretende Probleme beseitigen und mit öffentlichen Vorwürfen transparent umgehen", fordert Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). "Jeder Arbeitsunfall ist einer zu viel", sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Mit dieser Meinung steht der Landeschef nicht allein da. Selbst der Bundesarbeitsminister, Hubertus Heil (SPD), äußert sich besorgt über die vielen schweren Arbeitsunfälle bei Tesla. Arbeitsschutz schütze in Deutschland Leben und Gesundheit. Daher wäre er tief besorgt über die Zustände in Grünheide, wie er RTL und n-tv mitteilte.

Kontrollen vom zuständigen Ministerium gebe es regelmäßig im Werk Grünheide. Seit dem Bau der Fabrik werde das Werkgelände durch die Arbeitsschutzbehörde des Landesamts für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) regelmäßig im Zwei-Wochen-Rhythmus besichtigt, versichert ein Sprecher dem rbb. Diesen Umfang hält das Verbraucherschutz-Ministerium für ausreichend. Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Sebastian Walter, wird im Brandenburger Landtag deutlich: "Elon Musk spielt wilder Osten in Brandenburg, und die Landesregierung rollt ihm dafür den roten Teppich aus." Seine Partei fordert einen Untersuchungsausschuss.

Verbrennungen und Amputationen

247 mal musste allein im Jahr nach der Eröffnung der Berliner Tesla Gigafactory ein Rettungswagen oder Hubschrauber nach Grünheide gerufen werden. Das zeigt eine Auswertung von Dokumenten der örtlichen Behörden und Rettungsdienste, die dem Stern vorliegen. Hochgerechnet auf die Mitarbeiterzahl wären das etwa dreimal so viele Einsätze wie im Audi-Werk Ingolstadt. Derzeit arbeiten rund 11.000 Menschen im deutschen Tesla-Werk.

Auffällig ist dabei die Schwere der Unfälle. Von Verätzungen mit Salzsäure, Verbrennungen und massiven Quetschungen ist die Rede. Dem Bericht zufolge sei einem Mitarbeiter eine 50 Kilogramm schwere Holzkiste aus mehreren Metern Höhe auf den Kopf gefallen. Ein anderer Kollege sei mit dem Fuß in einen Dosierofen mit glühend heißem, flüssigem Aluminium eingebrochen – reines Aluminium schmilzt bei 660,3 Grad Celsius. Die Liste der Verletzungen liest sich dabei wie der Bericht aus einem Kriegsgebiet. Selbst von amputierten Gliedmaßen ist die Rede.

Viele meldepflichtige Arbeitsunfälle

Den Behörden liegen solch detaillierte Informationen vor, weil Arbeitsunfälle dann meldepflichtig werden, wenn ein Arbeiter drei Tage oder länger arbeitsunfähig bleibt. Allein zwischen Juni und November 2022 hatte Tesla laut Stern 190 solcher Arbeitsunfälle gemeldet.

"Diese Häufigkeit an Arbeitsunfällen ist nicht normal", meint der Bezirksleiter der IG Metall Berlin/Brandenburg und Sachsen, Dirk Schulze. Es handele sich um ein Vielfaches dessen, was in Automobilfirmen sonst üblich ist. "Ich habe die größte Sorge, dass irgendwann jemand zu Tode kommt."

Umweltvorfälle ebenfalls häufig

Ähnlich häufig geriet die Tesla Gigafactory Grünheide wegen schwerwiegender Umweltvorfälle in die Schlagzeilen. Seit der Eröffnung im Frühjahr 2022 seien insgesamt 26 Umwelthavarien gemeldet worden. Das hat neben dem Stern ebenfalls die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Beide Medien beziehen sich auf Informationen des Brandenburger Landesamts für Umwelt.

Konkret handele es sich dabei um Brände oder ausgelaufene Gefahrstoffe wie Diesel oder Lacke. Zur Erinnerung: Die Tesla-Fabrik liegt mitten im geschützten Trinkwasser-Einzugsbereich, darf das Monitoring der Grundwasserqualität allerdings selbst übernehmen. Eine grundsätzlich hohe Gefährdung mit Blick auf das Trinkwasser sieht der Leiter für Ökosysteme am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Martin Pusch. Gegenüber der dpa sagt er: "Es ist ein hohes Risiko der Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung aufgrund der geringen Rückhaltekapazität des Untergrunds." Derzeit baut Tesla das Werk am Standort Grünheide weiter aus.

Schlechte Bedingungen auch in anderen Werken

Grünheide scheint mit solchen Problemen nicht allein zu sein. Medien- und Insiderberichte aus den USA deuten beispielsweise auf "erschreckende" Zustände in der Gigafactory Texas hin. Laut Augenzeugen wurde etwa ein Ingenieur verletzt, der sich einem Roboterarm näherte. Die Maschine habe ihre Bewegungen ausgeführt und den Mitarbeiter gekrallt und an die Wand gedrückt. Der Tesla-Mitarbeiter wurde dabei an Rücken und Armen verletzt.

Es mangele an Schutzausrüstung und Arbeitssicherheit. Dazu scheint die Arbeitsbelastung in Tesla-Werken höher zu sein, als sonst in der Branche üblich. Anzahl und Folgen von Arbeitsunfällen muss Tesla in den USA an die Occupational Safety and Health Administration (OSHA) übermitteln. Nach diesen Zahlen sei im Jahr 2022 jeder 21. Arbeiter verletzt worden.

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Fazit

In der Tesla Gigafactory Grünheide bei Berlin passieren deutlich mehr und schwerere Arbeitsunfälle als in anderen deutschen Autofabriken. Allein im Jahr 2022 musste fast jeden Tag ein Rettungswagen oder Rettungshubschrauber gerufen werden. Einige Politiker fordern Aufklärung, zusätzliche Kontrollen und mehr Transparenz von Tesla. Im Werk fordern mittlerweile auch die Angestellten bessere und sicherere Arbeitsbedingungen. Das Unternehmen bestreitet die Vorfälle, kündigt für Ende 2023 aber höhere Löhne an.