Stromanbieter widerspricht Bundeskartellamt
Sind die Preise für Ladestrom zu hoch?

Das Bundeskartellamt sieht keine Belege dafür, dass die Ladestrompreise in Deutschland "systematisch und flächendeckend" überhöht sind. Ein Ökostromanbieter widerspricht vehement.

BMW 745e, Mercedes S 560 e, Ladesäule
Foto: Achim Hartmann

Das Bundeskartellamt führt derzeit eine "Sektoruntersuchung zur Infrastruktur bei Ladesäulen" durch. Die Behörde ist mit dieser Aufgabe zwar noch nicht fertig, hat die ersten Ermittlungsergebnisse jedoch nun in einem "Sachstandsbericht" veröffentlicht. Die dem Bundeswirtschaftsministerium untergeordnete Institution sieht dem Bericht zufolge "keine Belege dafür, dass die Ladestrompreise in Deutschland systematisch und flächendeckend überhöht sind". Ausgerechnet ein Stromanbieter sieht das komplett anders.

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10/2021, Grafik 1 Ladesäulencheck 2021 Monopol
Lichtblick SE
Lichtblick zufolge treiben viele Faktoren die Strompreise an Ladesäulen nach oben.

Dem Bundeskartellamt zufolge gebe es allenfalls in Einzelfällen "missbräuchlich überhöhte Preise", die aber mit dem bestehenden kartellrechtlichen Instrumentarium bekämpft werden könnten. Mit zunehmendem Ausbau der Infrastruktur und des Wettbewerbs auf diesem Markt werden die Preise jedoch sinken, meint die Behörde. Preisobergrenzen für die Ladetarife, wie sie für das flächendeckende "Deutschlandnetz" von Schnellladesäulen beabsichtigt ist, ist nach Ansicht des Bundeskartellamtes hingegen nicht zielführend. "Solche regulierungsähnlichen Vorgaben verzerren den Wettbewerb und könnten bereits existierende oder geplante private Angebote verdrängen und damit einem schnellen Ausbau entgegenstehen", heißt es im Sachstandsbericht.

Bis zu 140 Prozent teurer als an der Steckdose daheim

Lichtblick, ein Anbieter für Ökostrom mit Sitz in Hamburg, hat sehr wohl überhöhte Preise an Elektroauto-Ladestationen ermittelt. Dem aktuellen Ladesäulencheck des Unternehmens zufolge kostet der Strom an der öffentlichen Strom-Zapfsäule bis zu 140 Prozent mehr als im Haushalt. Laut Lichtblick sei dies das Ergebnis einer "zunehmenden Monopolbildung", die einen Wettbewerb beim Stromladen verhindere. Zumal externe Anbieter wie Lichtblick der Untersuchung zufolge hohe Aufschläge von 25 bis 100 Prozent – in der Spitze sogar 300 Prozent – zahlen müssen, um Zugang zu kommunalen Ladesäulen zu erhalten.

9/2020, Hyundai Kona Elektro an EnBW Ladesäule
Hyundai
Laut Bundeskartellamt beherrschen regionale Anbieter den Markt an kommunalen E-Auto-Ladesäulen.

"Die Daten dokumentieren einen klaren Fall von Marktversagen. Regionale Monopole behindern die Verkehrswende", sagt Ralph Kampwirth, Unternehmenssprecher von Lichtblick. Die Strompreise für E-Mobilist*innen seien zudem oft intransparent und überhöht. "Die willkürliche Preistreiberei der Ladesäulen-Betreiber gegenüber Wettbewerbern verstößt gegen das Kartellrecht", sagt Kampwirth. Die Situation erinnere an die ersten Jahre im liberalisierten Strommarkt, als Stadtwerke und Konzerne neue Anbieter systematisch diskriminiert hätten.

Marktmacht der kommunalen Stadtwerke

Wettbewerbs-Defizite beim Ladestrom streitet das Bundeskartellamt nicht ab. Die Untersuchung der Behörde zeigt, dass Flächen, die von Kommunen für Elektroauto-Ladestationen zur Verfügung gestellt werden, zu selten öffentlich ausgeschrieben werden. Teilweise werden diese Flächen vollständig oder überwiegend an ein und denselben Betreiber vergeben, meist das kommunale Stadtwerk. Damit aber im Bereich der öffentlichen E-Ladeinfrastruktur "wettbewerbliche Marktstrukturen" entstehen, müsse die Vergabe dieser Flächen "diskriminierungsfrei" erfolgen. Sollte eine öffentliche Ausschreibung gesetzlich vorgeschrieben werden, könne sich die Situation jedoch verbessern.

Grundsätzlich ist die Situation aber längst noch nicht so verfahren, dass alle wettbewerbsrechtlichen Instrumente ausgeschöpft werden müssten. "Ein funktionierender Wettbewerb bei den Ladesäulen wird eine flächendeckende Versorgung, angemessene Preise und Auswahlmöglichkeiten für Ladekundinnen und -kunden befördern", sagt Andreas Mundt. Um das sicherzustellen, müsse man bereits in der jetzigen Phase des Aufbaus der Infrastruktur für einen offenen und diskriminierungsfreien Marktzugang sorgen. "Mit der Vergabe geeigneter öffentlicher Flächen und finanzieller Fördermittel hat der Staat selbst den Schlüssel in der Hand, um den Wettbewerb bei Ladesäulen zu fördern."

"Fehleranfällige Regulierung vermeiden"

Das Bundeskartellamt selbst will sich nicht zu früh einmischen und lieber erst abwarten, wie sich die Marktmechanismen auf die Preise, Kostentransparenz, Nutzerfreundlichkeit und Anzahl der Ladesäulen auswirken. "Ein reguliertes Durchleitungsmodell wie bei den Stromnetzen ist nach unserer Einschätzung nicht der richtige Ansatz", sagt Mundt. Vielmehr solle eine aufwändige und gerade in der Markthochlaufphase fehleranfällige Regulierung vermieden werden.

10/2021, Grafik 1 Ladesäulencheck 2021 Wettbewerb
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So sieht die Wunschvorstellung von Lichtblick aus - mit Wahlfreiheit seitens des Kunden.

Die in Bonn ansässige Behörde hat aber noch weitere Defizite ermittelt. "Die Transparenz hinsichtlich der Preise und die Nutzerfreundlichkeit an den Ladesäulen sind verbesserungsfähig", sagt Andreas Mundt. Dem Präsident des Bundeskartellamtes zufolge könnten hier ebenfalls ein intensiver Wettbewerb sowie gezielte ordnungsrechtliche Vorgaben notwendige Verbesserungen bewirken. Mundt ist jedoch skeptisch, ob die Erweiterung der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe auf Ladestromtarife Abhilfe schaffen würde. Der Grund: "Die Markt- und Wettbewerbsbedingungen im Bereich der öffentlichen Ladeinfrastruktur sind derzeit noch grundlegend andere als bei klassischen Tankstellen." Dies müsse erst noch genauer untersucht werden.

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Fazit

Dass Deutschlands Ladesäulen-Infrastruktur von wenigen Playern beherrscht wird – meist von den lokalen Stadtwerken in den Kommunen und großen Konglomeraten an den Fernstraßen -, dürfte jeder Elektroauto-Fahrerin und jedem Elektroauto-Fahrer bereits aufgefallen sein. Genau wie die Tatsache, dass der Ladestrom an den Ladepunkten oft deutlich teurer ist als an der heimischen Steckdose. Alles sehr dramatisch, sagt ein Ökostrom-Anbieter, der sich natürlich einen einfacheren Zugang zu diesem potenziell sehr lukrativen Markt wünscht. Alles gar nicht dramatisch, sagt das Bundeskartellamt, das die Sache lieber vom Markt geregelt sehen will. Diese Haltung kennen wir aus früheren Zeiten in Hinblick auf die Spritpreise an Tankstellen. Um Besserung zu bewirken, kam irgendwann die Markttransparenzstelle. Die Antwort auf die Frage, ob dieses Instrument zu mehr Preistransparenz und generell niedrigeren Tarifen an den Zapfsäulen geführt hat, muss jede und jeder für sich selbst beantworten.