Händlerverband kritisiert Luxus-Strategie
Ist Mercedes zu gierig?

Die neue Luxus-Strategie von Mercedes stößt auf harte Kritik aus der Händlerschaft. In einem Brandbrief ist von Gier die Rede. Die Auftragslage sei katastrophal.

Mercedes -Maybach GLS 600 4-Matic
Foto: Mercedes

Am 11. Juli hatte Mercedes-Benz Cars die Zahlen für das zweite Quartal 2023 vorgestellt, und die lasen sich nicht schlecht. Weltweites Wachstum, sechs Prozent Absatzplus, in Deutschland sogar ein Zuwachs um 22 Prozent. Die größte prozentuale Zunahme verzeichnete dabei das von Mercedes "Top-End Segment" benannte Geschäftsfeld, in dem unter anderem die AMG-Modelle, S- und G-Klasse sowie Mercedes-Maybach zusammengefasst sind. Im ersten Halbjahr konnte der Konzern demnach 1,02 Millionen Pkw weltweit absetzen.

Unsere Highlights

Eigentlich ein Grund für zufriedene Mienen im Mercedes-Management, doch intern steht das Verhältnis mit der Händlerschaft derzeit offenbar vor einer harten Belastungsprobe. Der Verband der Mercedes-Benz Vertreter e.V. (VMB), in dem sich die deutschen Mercedes-Händler zusammengeschlossen haben, übt scharfe Kritik an dem eingeschlagenen Kurs der Luxus-Strategie.

In einem von Business Insider öffentlich gemachten vierseitigen Schreiben wenden sich die Verantwortlichen des VMB mit ungewohnt drastischen Worten an das Management der Marke. Kern der Kritik sind die in der Vergangenheit stark angehobenen Endkundenpreise, die laut Schreiben zu signifikanten Bestellrückgängen geführt haben. Die aktuellen Auslieferungszahlen seien nur der Abarbeitung bereits vorhandener Bestellungen zu verdanken, aktuell würde die schlechte Auftragslage, so wörtlich, "eskalieren". Es bestehe die Sorge, dass Mercedes "den deutschen Markt mit Vollgas an die Wand steuert."

Flottenkunden springen ab

Kritik gibt es dabei auch an der Aufpreis-Strategie, bei der zuvor einzeln bestellbare Sonderausstattungen zu Paketen gebündelt werden, die den Preis weiter in die Höhe treiben. Besonders die preissensible Kundschaft von A- und B-Klasse hat hierauf offenbar mit vielen Bestell-Stornierungen reagiert. Die Fortführung dieser Paketlogik bei der neuen C-Klasse bringe auch das Flottengeschäft in Gefahr, so der VMB in seinem Schreiben. Die höheren Preise und die daraus resultierenden höheren Dienstwagensteuern würden den Fuhrpark-Vorschriften vieler Flottenkunden nicht mehr entsprechen und deshalb Modelle von Wettbewerbern gewählt.

Offensichtlich leiden die Mercedes-Vertreter vor allem im Privatkundengeschäft unter der neuen Linie des Konzerns: "Unsere Kunden verstehen die eingeschlagene Strategie der Mercedes-Benz AG weniger als Luxusstrategie, eher als die der ‚Gier'", so der VMB in seinem Schreiben. Ohne Weiteres mit Nachlässen gegensteuern können die Händler nicht mehr. Zum 31. Mai hat Mercedes auf ein Agenturmodell umgestellt und gestaltet die Preise seitdem deutschlandweit einheitlich selbst.

Dass sich Mercedes aus bestimmten Bereichen zurückziehen wird, steht ohnehin bereits fest. Dazu gehört nicht zuletzt der Abschied aus dem Taxi-Geschäft mit der neuen E-Klasse (siehe Bildergalerie), sondern auch das bevorstehende Auslaufen von A- und B-Klasse ohne einen Nachfolger. Das Flottengeschäft, in dem ohnehin mit harten Bandagen und geringen Profiten gekämpft wird, überlässt man möglicherweise lieber den Wettbewerbern.

Umfrage
Halten Sie die aktuellen Mercedes-Preise für angemessen?
3288 Mal abgestimmt
Nein, die sind völlig abgehoben.Ja, Luxus kostet eben.

Fazit

In außergewöhnlich scharfer Weise geht der "Verband der Mercedes-Benz Vertreter" mit dem Stuttgarter Hersteller ins Gericht. Auch dass das interne Schreiben an die Öffentlichkeit gelangte, ist sicher kein Zufall. Die in der jüngeren Vergangenheit im Zuge der "Luxus-Strategie" stark angehobenen Preise stoßen offenbar neben Privatkunden der Einstiegsklassen auch bei Flottenkunden zunehmend auf Ablehnung. Ob Mercedes auf die Kritik eingehen und die Preisgestaltung überarbeiten wird, bleibt abzuwarten.