VW-Marken-Chef Thomas Schäfer im Interview
„Werden den Golf in die elektrische Zukunft führen“

VW-CEO Thomas Schäfer über die Herausforderungen der Transformation von Volkswagen, die aktuellen Produktionsdrosselungen und darüber, was Volkswagen in Zukunft eigentlich sein möchte.

Thomas Schäfer, Vorstand Markengruppe Volumen Volkswagen AG und CEO VW Pkw
Foto: Volkswagen AG
Limousinen haben es grundsätzlich schwerer in Deutschland, verglichen mit SUV und Kombis. In welchem Absatzverhältnis werden ID.7 Tourer und Limousine zueinander stehen?

Wir sind froh, unseren Kunden beide Varianten anbieten zu können. Der vollelektrische ID.7 ist ein wichtiges Auto für Volkswagen. Auf der einen Seite ist es ein komfortables Familienfahrzeug, auf der anderen Seite ein langstreckentaugliches Flottenfahrzeug. Im Vergleich zum Wettbewerb ist der ID.7 sehr gut positioniert. In Europa wird der Tourer die größere Rolle spielen, in Amerika und China die Limousine.

Unsere Highlights

In Deutschland rechnen wir damit, dass rund zwei Drittel der verkauften ID.7 Tourer sein werden. In China und Amerika bieten wir ausschließlich die Limousine an.

Toller Fahrkomfort, Massagesitze, oberklassige Extras: VW verortet den ID.7 in der gehobenen Mittelklasse. Wie luxuriös will VW in Zukunft sein?

Der Kern der Marke VW liegt im A-Plus-Segment, wie wir es nennen. Der Tiguan und der Golf sind im Wesentlichen der Kern unserer Marke. Natürlich muss man das Programm nach oben abrunden, zum Beispiel mit besonderen Fahrzeugen. Der Touareg ist so ein Fahrzeug, der Phaeton war es mal. Das darf man als Volumenmarke aber nicht überreizen. Wir werden unser Angebot nach oben nochmal erweitern, wenn der Trinity kommt. Dann könnten wir auf der gleichen Basis ein vollelektrisches Fahrzeug in der Größe des Touareg auf den Markt bringen. So etwas bringt Wert in die Marke.

Beim Infotainment gibt es Verbesserungen gegenüber ID.3 und ID.4. Es wurde schon die Rückkehr des Tastenlenkrads angekündigt. Wie sieht die Bedienung eines VW in Zukunft aus?

Wir haben den Kunden genau zugehört und zuletzt intensiv an der Bedienung gearbeitet. Wir haben mehrere Monate mit verschiedenen Teams alle Funktionen nach Bedienregelmäßigkeit und -Reihenfolge sortiert. Dabei haben wir uns gefragt: Was muss auf das Display, was auf eine Taste? Wo fasst man intuitiv hin für bestimmte Funktionen? All das haben wir umfangreich getestet. Haptische Tasten sind für uns weiterhin ein Thema. Wir haben jetzt ein komplettes Konzept hinsichtlich unserer Marken-DNA im Innenraum, auch in Sachen Wertigkeit und Materialien. Das wird zum ersten Mal Ende 2025 in der Serienversion des ID. 2all zum Einsatz kommen. Die unbeleuchteten Slider waren zum Beispiel keine gute Idee, das haben wir korrigiert. Deswegen bringen wir in den neuen Modellen durchgängig Features, die wertig sind und der Marke voll und ganz entsprechen.

2024 kommt das Facelift des Golf somit ohne das neue Bedienkonzept. Der Golf ist immer noch erfolgreich, hat seine dominante Rolle in Europa jedoch verloren. Wie schafft VW mit dem Facelift, dass er wieder dahin kommt, wo er mal war?

Der Golf ist und bleibt für Volkswagen ein absolutes Kernmodell. Die dominante Rolle hat er deswegen verloren, weil der T-Roc von der Halbleiterknappheit weniger betroffen war. Das lag nicht an der mangelnden Nachfrage unserer Kunden. Im kommenden Jahr erhält der Golf ein sehr großes Upgrade, auch beim Infotainment. Der Golf und das ganze Segment sind in Europa nach wie vor sehr populär. Und ich glaube auch, dass das so bleibt. Deswegen werden wir den Golf auch in die elektrische Zukunft überführen.

Erhält der Golf 8 bis zu seinem Produktionsende besondere Derivate?

Das will ich nicht ausschließen. Der Golf feiert schließlich nächstes Jahr auch seinen 50. Geburtstag. Konkret werden kann ich dazu aber noch nicht.

Wenn der Golf elektrisch wird, ist es automatisch das Todesurteil für den ID.3?

Nicht unbedingt. Aktuell stellt sich die Frage aber auch gar nicht.

VW musste in mehreren Werken die Produktion drosseln. ID.4 und ID.5 gehören zu den erfolgreichsten E-Fahrzeugen in Europa. Trotzdem scheinen sie die Absatzerwartungen nicht zu erfüllen. Hat sich VW verkalkuliert?

Nein. Das Hauptproblem ist, dass einige europäischen Länder ihre Förderungen zurückgefahren haben, zum Beispiel Schweden und Deutschland, auch im Flottenbereich. Das merken nicht nur wir bei den Auftragseingängen, sondern auch unsere Wettbewerber. Entweder produziert man in so einem Zwischentief weiter, und versucht die Fahrzeuge günstig in den Markt zu drücken oder man passt die Produktion an die Nachfrage an. Für die Restwerte und das Ergebnis ist es besser, die Produktion anzupassen, als blind Fahrzeuge in den Markt zu schieben. Das schadet am Ende auch den Kunden. Solche Berge und Täler gehören in der Transformation dazu.

Wie hält man Volkswagen in diesen herausfordernden Zeiten flexibel?

Wir waren bisher zu unflexibel. Wir planen traditionell rund zehn Jahre voraus: Welche Autos werden auf den Markt kommen? Welches Modell führen wir in welchen Ländern ein? Mit welcher Nachfrage rechnen wir? Das wird aggregiert und dann beginnt die Planung der Produktion mit Anlaufkurve, Peak und dem danach wieder sinkenden Absatz. Das heißt: Der Vertrieb rechnet bei einem Modell im Peak beispielsweise mit 150.000 Autos pro Jahr. Die Produktion hätte sich früher sicherheitshalber auf 170.000 Fahrzeuge vorbereitet, damit alles glattgeht. Wenn dann das Volumen nicht erreicht wird, weil nur 120.000 Fahrzeuge im Jahr bestellt werden, hat man sofort eine große Überkapazität. Beim neuen Passat zum Beispiel planen wir bereits von vorneherein mit 80 Prozent des Peak-Produktionsvolumens. Das setzen wir bei allen künftigen Modellen auch um und haben es im Rahmen der Werkebelegung bereits eingeplant. Sind die Märkte stark, arbeiten wir die fehlenden 20 Prozent mit Zusatzschichten weg. Das schafft Flexibilität in schwierigen Phasen.

Aktuell gibt es Kooperation in China mit Xpeng und SAIC. Wird der deutsche Kunde etwas von diesen Kooperationen spüren?

Wir müssen die rasante Geschwindigkeit in China mitgehen. China ist sehr fokussiert auf seine eigenen Produkte und Features im Bereich Infotainment und Technologie. Dinge, die zum größten Teil in Europa gar nicht zulassungsfähig wären. Deshalb müssen wir unsere Fahrzeuge für China auch in China entwickeln. Das ist auch der Grund, weshalb wir in Anhui fast 2000 Entwickler anstellen.

Zudem haben wir Kooperationen mit Thundersoft und Horizon Robotics für Themen rund um Infotainment und das autonome Fahren. Mit XPeng schließen wir eine Segment-Lücke, in der wir aktuell kein Angebot haben. Wir nutzen deren Architektur und Know-how und gehen gemeinsam in den Markt. Aber das gilt ausschließlich für China. In China müssen wir andere Themen schnell zünden, um dort erfolgreich zu sein.

Vita

Thomas Schäfer wurde 1970 in Marburg geboren. Sein Einstieg in die Automobilindustrie war ein duales Studium bei der Daimler AG, das er 1994 als Diplom-Ingenieur in der Fachrichtung Maschinenbau abschloss. Bis 2002 bekleidete er bei Daimler verschiedene leitende Positionen in den Bereichen Produktion und Qualitätssicherung in Deutschland, den USA und Südafrika. Von 2002 bis 2005 war er als Technikvorstand Gründungsmitglied der DaimlerChrysler Malaysia.

Zwischen 2005 und 2012 verantwortete Schäfer in der Stuttgarter Zentrale die Fahrzeugauslieferungen sowie die Kundencenter und das weltweite CKD-Geschäft in Schwellenmärkten.

Im Mai 2012 wechselte Schäfer zur Volkswagen AG. Dort leitete er zunächst die Konzern-Produktion Ausland und war mit der Leitung von CKD-Projekten sowie mit Verhandlungen über neue Produktionsstandorte betraut.

Ab 2015 war er in der Funktion des Chairmans und Managing Directors der Volkswagen Group South Africa tätig und verantwortete die Entwicklung der Konzernmarken in der Region Subsahara-Afrika.

Im August 2020 wurde er Vorstandsvorsitzender von Skoda in Tschechien. Er setzte die neue Unternehmensstrategie NEXT LEVEL – ŠKODA STRATEGY 2030 auf, trieb die Elektrifizierung des Modellportfolios voran.

Am 1. April 2022 übernahm die Funktion des Chief Operating Officer der Marke Volkswagen.

Seit 1. Juli 2022 ist er Mitglied des Konzernvorstands, CEO der Marke Volkswagen Pkw und Leiter der Markengruppe Core.

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