Kommentar – Investitionen Verkehrs-Infrastruktur
Die Ampel steht auf Rot ...

… nicht nur für Straße und Schiene. Deutschlands Regierungskoalition streitet sich ausgerechnet bei der Diskussion um Beschleunigung von Infrastrukturprojekten in eine unnötig lähmende Pattsituation.

Gerd Stegmaier Ampel
Foto: Malte Buls

Nach jahrelanger Austeritätspolitik, in denen die schwarze Null bei den Staatsfinanzen oberste Maxime war, bröselt Deutschlands Infrastruktur. Schulen, Brücken, Schiene – erbärmliche Zustände wohin man blickt. Das war die Ausgangslage der Ampelkoalition. Dann kam Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine als zusätzliche Herausforderung. Aber plötzlich ging manches ganz schnell: LNG-Terminals beispielsweise.

Doch kaum geht es um scheinbar weniger Dringliches als die Sicherung der Energieversorgung für die deutsche Wirtschaft, gibt es Zeit für Streit, Wesentliches lässt sich wegdiskutieren, selbst wenn es im Koalitionsvertrag steht, wie das Klimaschutzsofortprogramm etwa; vor allem Verkehr und Gebäude hinken den ehrgeizigen Zielen hinterher. Eine Voraussetzung: die Dekarbonisierung der Energieversorgung.

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Wohin mit dem Geld?

Für alles zusammen ist jede Menge Geld nötig. Man könnte nun meinen, im Zentrum der Debatten steht, wo das herkommen soll. Achim Wambach, Präsident des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hingegen meint: "Die größte Bremse bei den Investitionen ist – neben dem Fachkräftemangel – die lange Dauer der Planungs- und Genehmigungsverfahren."

Canakkale Brücke Türkei
Heidelberger Cement
Infrastrukturprojekte wie Brücken beispielsweise (hier die Cannakale-Brücke in der Türkei) brauchen in Detuschland lange Planungs- und Genehmigungsphasen.

Der Kanzler hat darum einen "Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung" ausgerufen. Schon die für Nicht-Bürokraten zungenbrecherische Bezeichnung deutet auf einen womöglich eher problem- als lösungsorientierten Ansatz hin. Bezeichnenderweise entbrennt der Streit allerdings nicht darum, wie beschleunigt werden soll, sondern was. Dabei orientiert sich der Frontverlauf an politischen Lagern und nicht an Fakten.

Sind Autobahnen schon fortschrittlich, wenn sie neu sind?

Die Grünen wollen Schiene und Windräder beschleunigt wissen und würden die Sanierung maroder Autobahnbrücken (Finanzbedarf: rund zehn Milliarden Euro) noch hinzunehmen. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will selbst für Autobahn-Neubau-Projekte den Blinker links setzen, um langwierige Umweltprüfungen zu überholen – daraus leitet die FDP den Vorwurf ab, die Grünen stünden auf der Bremse, statt zu beschleunigen.

Deutsche Bahn ICE Stadt
Universal Images Group via Getty Images
Emittiert pro Personenkilometer etwa 30 Gramm CO2: Reise in der Bahn.

Reduzierten Naturschutz zugunsten neuer Autobahntrassen sehen allerdings nicht nur die Grünen schwer mit dem Klimaschutzsofortprogramm in Einklang zu bringen. Schließlich emittiert der Personenkilometer im zügig gefahrenen (und einfach besetzten) Diesel-Pkw rund zehnmal so viel CO₂ wie der im ICE, selbst im E-Auto sind es (wegen des noch nicht sonderlich grünen Strommixes) noch gut viermal so viel wie im Schnellzug. Das sollte man nicht gegen das E-Auto oder das Auto generell instrumentalisieren, die Mobilität braucht alle Verkehrsträger – aber nicht konkurrierend, sondern einander ergänzend.

Wissing argumentiert, der Straßenverkehr werde laut Prognosen zunehmen, Staus sollen verringert werden. Dagegen lässt sich einwenden, dass der Minister, dessen Ressort Experten den größten Nachholbedarf im Hinblick auf CO₂-Einsparung bescheinigen, überlegen muss, wie er den Mobilitätsbedarf in Zukunft möglichst Treibhausgas-arm stillen kann, statt sich von binsenweisen Prognosen entschuldigen zu lassen. Transformation verlangt von politischer Gestaltung mehr, als die Anforderungen "Verkehrsleistung rauf, CO₂-Emissionen" mit einem Lösungsvorschlag zu beantworten, der scheinbar beschleunigen will, aber in jede Richtung.

Stau Autobahn Winter
simonkr via GEtty Images
Können neue Autobahnen für weniger Staus sorgen? Zügig gefahrene Pkw emittieren allein besetzt jedenfalls etwa zehnmal so viel CO₂ wie die Reise in der BAhn.

Das neutralisiert sich und blockiert neben dem Fortschritt den politischen Diskurs – besonders mit den Grünen, denen nach Gas-Deals mit zweifelhaften Partnern, Kompromissen bei Atomkraftwerken und der Räumung von Lützerath nicht so leicht mangelnde Elastizität vorzuwerfen ist. Sie könnten im Gegenzug den beim Klimaschutz säumigen Verkehrsminister erneut mit der unseligen Tempolimit-Diskussion in die nächste Sackgasse bugsieren.

Blockade und Stillstand sind nicht nur das Gegenteil von Mobilität, sondern auch von Veränderung und Transformation. Vielleicht braucht die Politik eher einen Pakt für "Umdenkungsbeschleunigung". Das Land würde davon profitieren.