Opel CEO Florian Huettl im Interview
„Der neue Manta kommt rein elektrisch“

Seit einem halben Jahr lenkt er die Opel-Geschicke: Im Gespräch mit auto motor und sport-Chefredakteuer Michael Pfeiffer legt CEO Florian Huettl die Strategie und Modellpolitik der nächsten Jahre dar.

Florian Huettl; CEO Opel
Foto: Opel Automobile GmbH
Sie sind der dritte CEO innerhalb von zwei Jahren. Kehrt nun wieder Ruhe ein bei Opel?

Opel bewegt sich längst wieder in ruhigem Fahrwasser. Mein Vorgänger Uwe Hochgeschurtz wurde schlicht nach neun Monaten im Amt zum Europa-Chef im Stellantis-Konzern befördert. Die beiden vorherigen CEOs waren jeweils mehr als vier Jahre an der Spitze von Opel. Was aber noch viel wichtiger ist: Die strategische Ausrichtung, die Opel seit Verkündung des Unternehmensplans PACE! im November 2017 eingeschlagen hat, bleibt unverändert. Opel ist inzwischen so erfolgreich wie schon lange nicht mehr: Wir sind nachhaltig profitabel, zukunftssicher aufgestellt und bald zu 100 Prozent elektrisch.

Unsere Highlights
Sie sagen, es ist klar, wo die Marke hin soll. Bis 2028 sollen in Europa nur noch elektrische Modelle angeboten werden. Wie wird sich bis dahin das Portfolio von dem unterscheiden, was wir heute kennen?

Das Portfolio wird sich natürlich weiterentwickeln. Jedes Mal, wenn wir unseren Plan überprüfen, stellen wir uns die Frage, in welchen Segmenten wir präsent sein wollen. Bis 2028 machen wir den Schritt zum vollelektrischen Mobilitätsanbieter. Wir haben stark investiert. Die konsequente Entscheidung, auf Null-Emissionsantrieb zu setzen, und die entsprechende Umsetzung lohnen sich. Das zeigt sich schon heute: Opel hat aktuell einen Marktanteil im batterieelektrischen Markt, der deutlich über unserem Gesamt-Marktanteil liegt und sehr stark wächst. In Deutschland waren schon rund 20 Prozent unserer Verkäufe 2022 rein elektrische Fahrzeuge.

Um dann noch mal beim Portfolio zu bleiben: Der Astra wird das nächste E-Modell sein. Und wie geht die Reise weiter?

Ja, wir werden unser Portfolio komplett elektrifizieren. Opel ist bereits heute elektrisch und hat schon 12 elektrifizierte Modelle im Markt. So schätzen die Kunden etwa den elektrischen Mokka und Corsa, und sie können bereits heute alle unsere leichten Nutzfahrzeuge – Combo, Vivaro und Movano – als E-Transporter kaufen. Zeitnah kommen jetzt der neue Astra Electric und der Astra Sports Tourer Electric als rein Batterie-elektrische Versionen in den Verkauf. Und dann geht es Schritt für Schritt weiter – mit Nachfolgern von Crossland und Insignia sowie einem völlig neuen Manta. Alle elektrisch!

Für uns noch ein spannendes Thema ist das Thema Klein- und Kleinstwagen. Was dürfen wir hier erwarten?

Wir sehen, dass sich möglicherweise eine Lücke auftut, von der Opel profitieren kann. Denn im Klein- und Kleinstwagenbereich zieht sich der eine oder andere Wettbewerber zurück und hat in diesem Segment aktuell noch kein elektrifiziertes Modell im Angebot. Wir sehen Bedarf an bezahlbarer Mobilität – auch im Elektrozeitalter ist das für uns ein großes Thema. Der Corsa ist schon heute der erfolgreichste Kleinwagen Deutschlands. Und mit dem Rocks-e haben wir bereits ein innovatives Konzept auf dem Markt. Es bietet urbane Mobilität für junge Fahrer ab 15 Jahren zu höchst bezahlbaren Preisen. Elektromobilität ist heute grundsätzlich noch teurer als klassische Verbrenner. Aber es liegt auch noch viel Potenzial bei den Finanzierungsmodellen oder etwa der Wiederverwendung der Batterie, womit sich die Kosten reduzieren können, wenn man das intelligent nutzt.

Die Rohstoffpreise steigen, die CO₂-Werte für die Stromproduktion auch, das Elektroauto könnte wieder in die Diskussion kommen. Beeinflusst es Ihre Strategie?

Nicht das Ziel, aber vielleicht den Weg dahin. Wenn Rohstoffpreise und Energiepreise starke Veränderungen erfahren, hat das möglicherweise eine Auswirkung auf die Größe der Batterie. Vielleicht sagen wir auch, wir brauchen weniger Reichweite und laden dafür schneller. Für uns spielt das schon eine Rolle, wie schnell Sie ein Elektroauto wieder von 20 auf 80 Prozent laden können, um danach wieder zwei, drei Stunden auf der Autobahn fahren zu können. Das wäre ein typisches Beispiel dafür, wie veränderte Rahmenbedingungen den Weg anpassen, aber wie gesagt nicht das Ziel.

Und andere Märkte, die sich vielleicht gar nicht groß elektrifizieren lassen, da gehen Sie dann auch raus. Oder erst einmal nicht?

Unser Weg ist klar batterieelektrisch. Wir sind mit Opel auch außerhalb von Europa sehr präsent. So sind wir beispielsweise in der Türkei oder in Marokko erfolgreich unterwegs. Dort sehen wir inzwischen auch einen wachsenden Grad an Elektrifizierung, wenn auch noch mit einer anderen Geschwindigkeit als hierzulande. In der Türkei etwa haben wir heute schon mehrere Dutzend Händler und ein elektrifiziertes Angebot. Das heißt, die Händler sind auch bereit, da entsprechend zu investieren und ihre Mitarbeiter zu schulen. Und wir wissen, dass sich das in der Tendenz auch in anderen Ländern außerhalb Europas so abzeichnet.

Wie sehen Sie das Thema Plug-in-Hybride?

Wir beobachten sehr genau, wie schnell sich die neuen "Antriebs-Segmente" entwickeln. Unser Plan ist klar, in Europa ab 2028 ausschließlich elektrische Fahrzeuge zu verkaufen. Dennoch bleiben Plug-in-Hybride eine interessante Brückentechnologie auf dem Weg zur reinen E-Mobilität. Denn sie bieten deutliche Vorteile gegenüber den Verbrennern. Wer einen Plug-in-Hybrid regelmäßig lädt, der kann den Verbrauch auf unter drei, dreieinhalb Liter senken. Am Ende ist es eine Entscheidung des Kunden und abhängig von seinem Nutzerprofil – und davon, wie viel er elektrisch fährt.

Das kann ja eine richtige Challenge werden, oder?

Ja, für mich ist es immer wichtig, auch den sportlichen Ehrgeiz beim niedrigen Verbrauch anzusprechen. Wir sehen den Plug-in-Hybrid klar als Übergangstechnologie – so lange, bis die Lade-Infrastruktur für batterieelektrische Modelle ausreichend verfügbar ist.

Wie sehen Sie den Vorschlag der EU-Kommission zu Euro 7? Tangiert Sie das jetzt noch groß, ist das mit ein Grund zu sagen: "Okay, das war’s mit den Verbrennern."?

Grundsätzlich sehen wir die Euro-7-Abgasnorm als nicht zielführend an. Bei der Entwicklung unserer elektrischen Technologie haben wir große Herausforderungen zu stemmen. Darauf würden wir unsere Energie gerne konzentrieren – auf die effizienten Systeme, Antriebe, Techniken, die es uns erlauben, die Zukunft zu meistern. Ingenieurskapazitäten für Euro 7 bereitzustellen, von denen wir nur noch kurze Zeit profitieren werden, sind unnötige Investments, die uns davon abhalten, unseren geplanten Weg mit voller Konzentration zu gehen.

Schon entschieden? Machen Sie es noch, oder lassen Sie es?

Wenn Euro 7 so kommt wie heute angekündigt, dann heißt das, wir müssen dafür Ingenieurskapazität freistellen. Und dann schauen wir uns natürlich genau an, auf welchem Motor die dafür nötigen Komponenten laufen oder nicht. Dann kann es passieren, dass gewisse Verbrennungsmotoren, die heute noch eine bedeutende Rolle im Markt spielen und vielen Kunden den Zugang zur individuellen Mobilität erlauben, nicht mehr zur Verfügung stehen werden.

Florian Huettl; CEO Opel
Opel Automobile GmbH
Da strahlt er: Mit dem Mokka-e hielt nicht nur eine neue Technologie bei Opel Einzug, auch der optische Markenauftritt wurde deutlich modernisiert. Opel nennt das „Modern German“.
Also möglicherweise auch im Bereich der Basis- oder Einstiegsmotorisierungen.

Das kann durchaus passieren. Wir sind gerade dabei zu definieren, wie unsere Antwort darauf aussieht. Wir versuchen aber, unsere Energie darauf zu konzentrieren, was wir für wirklich relevant halten. Und da geht es eher um Batterien und das optimale Package von Kapazität plus Ladetechnik und günstiger Aerodynamik, um eine entsprechende Leistung anbieten zu können. Und das zu einem bezahlbaren Preis. Das ist ein großes Thema.

Das heißt, die Reichweite steht nicht notwendigerweise über allem?

Nein, wir sehen das heute sehr klar in unseren Kundengesprächen. Viele Kunden haben bereits gelernt, mit Elektroautos hervorragend zu leben. Die abstrakte Reichweitenangst weicht der echten "User Experience": Mit der Erfahrung im Alltag, wo jeder weiß, wann er einen Ladestopp einplanen muss, legt sich die Reichweitenangst. Wir sehen auch: Wer einmal einen elektrischen Opel fährt, der kehrt nicht mehr zurück zum Verbrenner. Und ja, ich halte den ausschließlichen Fokus auf der absoluten Reichweite für übertrieben. Sie müssen keine 700 Kilometer Reichweite zur Verfügung haben, die Sie nur zweimal im Jahr brauchen. Wie gesagt, wir müssen vielmehr die richtige, kundenorientierte Abstimmung finden. Und unsere Erfahrung zeigt, dass die Kunden, die wir im Elektrobereich dazugewinnen, sogar gewillt sind, mehr für das neue Fahrerlebnis auszugeben. Wir erobern Kunden, die davor noch nicht Opel gefahren sind – darunter auch viele, die ein höheres Haushaltseinkommen haben und vorher eher Modelle von Premiumherstellern gefahren sind.

Wird Opel auch wieder Ikonen aufleben lassen, wie so mancher andere Hersteller?

Wieder aufleben lassen? Nein, das ist nicht unsere Strategie. Denn das wäre retro. Wir gehen nicht in die Vergangenheit und bringen alte Konzepte nicht 1:1 wieder. Was wir aber machen, und das auch mit sehr viel Konsequenz und Liebe: Wir lassen uns von dem inspirieren, was Opel in der Vergangenheit ausgemacht hat. Wenn Sie sich unser neues Front-Design anschauen, kann man sagen: Die Ursprünge liegen 40, 50 Jahre zurück – zum Beispiel beim Kühler des Manta A. Ähnliche Beispiele können wir Ihnen für das Compass-Design, den Vizor oder auch die puristischen Innenräume nennen. Eine Menge solcher Elemente ziehen wir heute wieder heran, um unseren Auftritt zu stärken. Legendäre Modelle wie GT, Monza, Manta und Diplomat sind uns eine Inspiration. Opel hat schließlich eine starke und lange Historie. Dass wir einen neuen Manta bringen, haben wir ja schon gesagt. Gerade haben wir auch die ersten Entwürfe für ein weiteres völlig neues Auto gemacht, ein ganz besonderes Auto, das kann ich schon sagen. Mit sehr viel Opel-DNA und gleichzeitig mit modernster Technologie.

Das heißt, der Name wird vertraut sein, aber das Konzept völlig anders?

Es gibt natürlich eine gewisse Nähe zu dem, was solche Modelle wie den Manta in der Vergangenheit ausgemacht hat. Insbesondere ein sehr charakteristisches Design. Aber wir machen keinen Retro-Manta. Der Manta ist eine automobile Legende in Deutschland, und damit gehen wir respekt- und verantwortungsvoll um. Und wir müssen Standards schaffen, um das Modell auf den Markt zu bringen. Wir stellen sicher, dass wir die Emotionen wecken. Die neuen Modelle unserer neuen, besonders sportlichen Submarke GSe – das steht für Grand Sport electric – sind ein Beispiel dafür, wie wir uns in der Historie Inspiration suchen und diese dann konsequent zukunftsorientiert umsetzen. In diesem Fall mit zwei Plug-in-Hybriden – im Astra und Grandland GSe. Sie finden dann darin auch all die Zutaten, die Sie von einem GSe erwarten können, wie das adaptierte Chassis, die noch direktere Lenkung, entsprechende Design-Elemente, alles, was Fahrspaß bringt, aber eben elektrifiziert. Und mit richtig viel Power.

Wo ist denn oben die Grenze?

Opel braucht ein Flaggschiff. Deswegen bekommt der Insignia natürlich einen Nachfolger. Das Konzept ist keine klassische Limousine oder Kombi, es wird ein modernes Topmodell mit den entsprechenden Fahrleistungen, die man von einem solchen Fahrzeug erwarten kann. Mit bestechender Aerodynamik. Und natürlich rein batterieelektrisch.

Hilft hier der Stellantis-Konzern?

Im Stellantis-Konzern gibt es 14 Marken. Jede hat auch die Aufgabe, sich von den übrigen Marken abzugrenzen und klar zu positionieren. Wir bei Opel haben das als einzige deutsche Marke im Konzern klar definiert und unsere Marken-Identität herausgearbeitet: Opel steht für Modern German, Detox und Greenovation – also "grüne" Innovationen über die Elektromobilität hinaus.

Was bedeutet das im Detail?

Opel steht für moderne elektrische Fahrzeuge mit einem aufregenden deutschen Design, mit scharfen Linien, mit klaren Proportionen sowie mehr und mehr erstklassiger Aerodynamik – übrigens eine typische Opel-Tugend, denken Sie nur an den cw-Weltmeister Calibra. Wir stehen zudem für Detox, sprich für die Konzentration auf das Wesentliche, für aufgeräumte Innenräume, mit der Anzeige der relevanten Informationen im Cockpit, ohne Überfrachtungen und unnötige Ablenkungen. Unter "Modern German" verstehen wir Opel als die progressive deutsche Marke. Positiv nach vorne schauen und Veränderungen als Chancen begreifen, das sind wir. Unsere Marken-Identität steht auch für eine Menge traditioneller deutscher Autowerte, wie dynamisches Fahrverhalten, hohe Qualität der Materialien. Durch die entsprechenden Synergien und Skaleneffekte haben wir nun sehr viele Möglichkeiten, die uns helfen. So ist in Rüsselsheim beispielsweise die Entwicklung für das Thema Wasserstoff angesiedelt. Hier bauen wir auch den Opel Vivaro-e Hydrogen. Erste Kunden haben das Wasserstoff-Brennstoffzellen-Fahrzeug bereits erhalten. Sie sehen: Es läuft bei Opel.

Vita

Florian Huettl, Jahrgang 1977, ist seit dem 01.07.2022 Chief Executive Officer (CEO) der Opel Automobile GmbH. Er bekleidete bereits verschiedene leitende Positionen bei Stellantis und der Renault-Gruppe. Dabei konnte er in Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und Russland internationale Erfahrung sammeln. Huettl hat einen Bachelor-Abschluss in International Business Management der FH der Wirtschaft in Bergisch Gladbach.