Stellantis-CEO Tavares im Gespräch
In 2 Sekunden von 0 auf 100 - für die Sicherheit

Stellantis-CEO Carlos Tavares erklärt, warum Elektro-Power nötig ist, warum die STLA Large-Architektur erst mit 400 statt 800 Volt kommt und auf welche Wettbewerber der Konzern besonders achten muss.

Carlos Tavares Stellantis
Foto: Stellantis

Im Rahmen der Vorstellung der neuen STLA Large-Plattform, die unter anderem von Alfa Romeo, Jeep, Maserati und Dodge genutzt werden soll, äußerte sich auch Stellantis-Konzernchef Tavares zu der Technologie. Angesprochen auf die maximal mögliche Beschleunigung eines nicht näher genannten Fahrzeugs, das die Plattform nutzen wird, sagte Tavares: "Dass es möglich ist, damit in zwei Sekunden von Null auf 100 km/h zu beschleunigen, ist ein Sicherheitsaspekt, denn so können sich Überholvorgänge drastisch verkürzen." Es ginge überhaupt nicht um die reine Beschleunigung.

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Welches Modell sich der High-End-Auslegung der Plattform bedient, ließ Tavares offen. Nur, dass ein Dodge-Modell den Anfang macht. Da die Architektur allerdings maximal flexibel ausgelegt ist, lassen sich keinerlei Rückschlüsse ziehen. Sowohl Länge, Breite, Radstand und Bodenfreiheit können variieren als auch die angetriebenen Achsen (Front-, Hinterrad- und Allradantrieb) und die Spannung des Hochvoltnetzes. Zunächst startet STLA Large mit 400 Volt, obwohl Porsche, Audi und der Hyundai-Konzern bereits 800 Volt ausrollen. "Mag sein, dass andere das bereits machen, doch wir sind sicher, dass diese Technik weder ausgereift noch zu vertretbaren Kosten darstellbar ist", erklärt der CEO. Die hohe Spannung reduziert in erster Linie die Ladeleistung an, die Stellantis derzeit etwas kryptisch mit bis zu 2,4 kWh/Min angibt. Das entspricht bei einer Vollladung einer durchschnittlichen Ladeleistung von 144 kW. Zum Vergleich: Ein Hyundai Ioniq 6 kam im Test von auto motor und sport auf über 160 kW von fünf auf 100 Prozent Ladestand.

Heute sind alle unsere Produkte profitabel

Zurück zu den Kosten. Klare Ansage von Tavares: "Innerhalb der nächsten vier Jahre müssen die Kosten für Elektrofahrzeuge noch um 40 Prozent runter." Wegen der Profitabilität? Nein, denn "bereits heute sind alle unsere Produkte profitabel. Weltweit", betont der Konzernchef. Der Grund sei offensichtlich, denn wenn die E-Auto-Verkäufe überall dort einbrechen, wo die staatliche Förderung gestoppt wird, sei die Botschaft klar: "Die Kunden wollen einfach günstige Elektroautos. Dafür müssen wir alle Anstrengungen unternehmen".

Wie sollen die Kosten runter? "Wir müssen Geld verdienen, um in Technologien investieren zu können, die es ermöglichen, unsere Effizienz zu erhöhen und damit die Kosten der Produkte zu senken – und dennoch weiter Geld zu verdienen", skizziert Tavares. Angesprochen auf die jüngsten Preissenkungen von Wettbewerbern wie VW, BYD und Tesla entgegnet er: "Damit vernichtet man lediglich den Wert der Produkte. Das müssen wir unbedingt verhindern".

Man kann auf einer Plattform Modelle und Marken differenzieren

Überhaupt die Chinesen: "Das sind für uns die wichtigsten Wettbewerber", betont Tavares. Deshalb will Stellantis nicht nur insgesamt vier Architekturen über den gesamten Konzern, zu dem 14 Pkw- und Nutzfahrzeugmarken (darunter auch Opel) gehören, ausrollen. Die Plattformen STLA Small, Medium, Large und Frame (für Nutzfahrzeuge wie Pickups) sollen auch in sich maximal flexibel ausgeführt werden. Wie können sich da einzelne Marke, die zum Teil über eine hohe Emotionalität verfügen, noch differenzieren? "Die Diskussion, ob man auf einer Plattform Modelle und Marken ausreichend differenzieren kann, gibt es schon seit 30 Jahren. Es ist längst bewiesen, dass das geht."

Ist eine Flexibilität hinsichtlich politischer Strömungen ebenfalls gegeben? "Wir bereiten uns weiterhin darauf vor, ab 2030 bis zu 100 Prozent rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge anzubieten", sagt Tavares. Und wenn die Politik unabhängig von der Antriebsart regulieren möchte, so wie Frankreich bei den SUV? "Wenn Frankreich keine SUV mehr zulässt, dann ist das okay. Dann verkaufen dort eben andere Karosserievarianten. Wir müssen das verkaufen, was unsere Kunden möchten. In den USA beispielsweise ist das immer noch der Pickup. Meinen französischen Freunden rate ich allerdings, dass sie aufpassen müssen, sich nicht in ihrem Recht auf Mobilität einschränken zu lassen", sagt der CEO.

Nur auf eine Frage findet Tavares, der aktiv Motorsport betreibt und schon einige Male in einem privat eingesetzten Opel Astra OPC beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring startete, keine Antwort: Wann er mit einem elektrisch angetriebenen Stellantis-Modell zum Rundenzeiten-Angriff auf der Nordschleife antritt. "Das ist derzeit noch nicht absehbar".

Über Carlos Tavares

Der 65-jährige Manager wurde in Lissabon geboren und lebt aktuell auf einem landwirtschaftlich genutzten Anwesen in seiner Heimat Portugal. Er besuchte dort als Kind eine französische Schule und schloss ein Ingenieur-Studium an der École Centrale in Paris ab. Seine berufliche Karriere begann Tavares 1981 bei Renault, war nach Stationen bei Nissan dort wieder von 2011 bis 2013 als Chief Operating Officer tätig. 2014 übernahm er als CEO die Leitung des damaligen PSA-Konzerns, der später mit FCA (Fiat und Chrysler) fusionieren sollte. Das Zusammenschloss wurde im Januar 2021 endgültig vollzogen. Tavares gilt als humorloser Sanierer, gleichwohl er in der Öffentlichkeit freundlich und verbindlich auftritt. Der Manager räumt Gesprächen durchaus mehr Zeit als geplant ein, wenn er es für relevant hält – lässt dafür im Gegenzug andere warten. Doch neben dem Fokus auf Wirtschaftlichkeit darf der Portugiese durchaus als Car Guy bezeichnet werden, da er seit über 40 Jahren aktiv Motorsport betreibt – allerdings rein privat. Im Berufsleben gilt dagegen auch hier: Es werden nur jene Motorsport-Aktivitäten geduldet, die der jeweiligen Marke auch Geld in die Kassen spült.

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Fazit

Stellantis plant, die Kosten für Elektrofahrzeuge in den nächsten vier Jahren um 40% zu senken, trotz der bereits bestehenden Profitabilität. Die neue STLA Large-Plattform bietet Flexibilität in Bezug auf Größe und Antrieb, beginnt jedoch mit 400 Volt, während andere Hersteller bereits 800 Volt nutzen. Stellantis sieht China als Hauptkonkurrent und plant, vier Architekturen über den gesamten Konzern auszurollen.

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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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