Tesla entwickelt neue Produktionsmethode
Unboxing folgt auf Gigacasting

Elon Musk möchte erneut die Automobilproduktion revolutionieren. Per "Unboxing" will er Autos von innen nach außen bauen. Tesla erprobt die Methode bereits.

Tesla Gigafactory Texas Eröffnung
Foto: Tesla

Neue Zahlen der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY zeigen es: Tesla musste in Sachen Profitabilität in jüngerer Vergangenheit massiv Federn lassen. Die Gewinnmarge des E-Auto-Herstellers sank im Vergleich zum Vorjahr von 16,8 auf 9,2 Prozent. Bedeutet: Die US-Amerikaner müssen ihre Kosten senken, um trotz des von ihnen angezettelten Preiskampfs im E-Auto-Sektor profitabel zu bleiben. Einer der größten Hebel dabei ist laut Elon Musk die Produktion. Der Tesla-Chef hatte erst kürzlich einen Umbruch in der Autofertigung eingeleitet, indem er das Prinzip des "Gigacastings" (siehe Video und Fotoshow) in der Branche salonfähig machte. Nun zettelt er die nächste Revolution an. Wie das "Handelsblatt" berichtet, funktioniert die Autofabrik der Zukunft nach der Methodik des "Unboxing".

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Auf diese Weise will Tesla die bisherige Produktionslogik umdrehen: Statt erst die Rohkarosserie zu produzieren und lackieren sowie im Anschluss Antrieb und Interieur einzubauen, sollen künftige Modelle der Marke nach dem Prinzip "von innen nach außen" entstehen. Es beginnt mit der Bodenplatte, die als Erstes die Batterie erhält. Sie entsteht ebenso im Gigacasting-Verfahren, also in riesigen Aluminium-Druckguss-Pressen, wie der Vorder- und Hinterwagen. Sie tragen ihre Motoren, Achsen und Fahrwerkskomponenten bereits, bevor sie mit der Bodenplatte verbunden werden. Diese hat in der Zwischenzeit bereits den Innenraum erhalten, der so von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Robotern leichter installiert werden konnte. Erst ganz am Ende dieses Prozesses folgen die restlichen, zu diesem Zeitpunkt bereits einzeln lackierten Karosserieelemente wie Seitenteile oder Türen.

40 Prozent weniger Personal benötigt

Die Kosten sollen vor allem dadurch sinken, da das Personal ergonomischer und somit schneller arbeiten kann, weil die sonst störende Karosserie hier fehlt. Außerdem lassen sich so mehr Arbeitsschritte als bisher automatisieren. Das Einsparpotenzial ist Tesla zufolge enorm: Bei einem um 40 Prozent geringeren Personaleinsatz sollen sich Autos künftig 30 Prozent schneller als zum jetzigen Zeitpunkt bauen lassen. Die Werke selbst sollen sich fast ein Drittel günstiger hochziehen lassen als bislang.

Allerdings stellen sich Fragen, ob Teslas Unboxing-Methode tatsächlich funktionieren kann. Beispielsweise, wie beim stabilen Anbringen der Karosserieteile Schweißarbeiten erledigt werden können, ohne den bereits installierten Innenraum zu beschädigen. Oder wie der Hersteller verhindern will, dass einzeln lackierte Karosserieteile feine Farbunterschiede aufweisen, sobald sie zu einem kompletten Auto zusammengesetzt wurden. Das Thema Rostschutz wird von der Konkurrenz ebenso kritisch beäugt. Laut "Handelsblatt" habe der "Produktionsvorstand eines großen deutschen Premiumherstellers" nach Bekanntwerden der Pläne angemerkt, dass das "nicht mit unseren Qualitätsversprechen vereinbar" sei.

Erprobung in der Gigafactory Texas

Tesla selbst nennt die Unboxing-Methode offenbar "NV9X" und probiert sie unter der Oberaufsicht von Elon Musk in der neuen Gigafactory Texas bereits aus. Das Werk in Austin weist deshalb einige Besonderheiten auf. Die Bänder verlaufen offenbar nicht – wie sonst üblich – gerade, sondern die Produktionslinien schlängeln sich S-förmig durch die Gebäude. Sie befinden sich zudem nicht nur am Boden, sondern Tesla arbeitet hier offenbar mehrgeschossig. Selbst unter der Hallendecke sollen Bänder verlaufen, die Werkzeuge und Teile produzieren. Das sei der Grund dafür, dass die Werkshallen in Austin so hoch sind. Hinzu kommen sich autonom bewegende Plattformen.

Dass Teslas Produktions-Pläne gerade jetzt publik werden, kann ein Zufall sein, muss es aber nicht. Schließlich wurde zuletzt infrage gestellt, ob das geplante neue Einstiegsmodell Model 2 für einen Einstiegspreis von 25.000 Dollar tatsächlich kommt. Damit der Neuling, falls er irgendwann den Markt entert, genug Gewinn einfahren kann, ist es essenziell, dass Tesla seine Produktionskosten senkt. Gleiches gilt für das ebenfalls geplante neue Robotaxi, das auf der Model-2-Plattform aufbauen soll und dessen Premiere Musk für den 8. August 2024 ankündigte.

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Fazit

Tesla hat offenbar eine neue Idee, wie sich Autos künftig schneller und kostengünstiger bauen lassen. Die Produktionsrevolution trägt intern den Projekttitel "NV9X" und ist in der Branche inzwischen als "Unboxing" bekannt. Die Methode dreht die bisherige Produktionslogik um und wird in der Gigafactory Texas bereits erprobt. Einige Experten zweifeln zwar an der Umsetzbarkeit, doch auch das Gigacasting wurde anfangs skeptisch gesehen. Inzwischen schwenken immer mehr Autohersteller auf diese Methode um.

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Erscheinungsdatum 25.04.2024

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