E-Auto-Nachfrage bei Volkswagen
Elektromotor-Panne bei VW weitet sich aus

Probleme beim Hochlauf der E-Motor-Fertigung im Kasseler VW-Werk bremsen mittlerweile die Elektroauto-Produktion im gesamten VW-Konzern. Welche Modelle, Produktionsstätten und Kunden betroffen sind, lesen sie hier.

05/2022, VW Volkswagen ID.4 Werk Emden Produktion Fertigung
Foto: Volkswagen AG

Eigentlich sollte der APP550 genau jetzt den Absatz der MEB-Modelle aus dem Volkswagen-Konzern ankurbeln. Als Hochleistungsmaschine mit 550 Newtonmeter Drehmoment zieht diese neueste E-Motor-Generation in die Modelle VW ID.4, ID.5, ID.7 sowie Audi Q4 E-tron und Skoda Enyaq ein. Doch durch Fehler in der Produktionsanlage Kassel stockt die Lieferkette bei Europas größtem Autobauer jetzt.

Wie massiv die Probleme sind, berichtet das Handelsblatt mit Bezug auf zwei Insider. Am Standort Kassel könnten derzeit – und wohl mindestens bis in den Dezember hinein – deutlich weniger APP550 gefertigt werden als ursprünglich geplant. Es sei nicht absehbar, bis wann die Probleme behoben werden könnten. Damit verschiebe sich auch die Wartezeit für Kunden massiv. Markenübergreifend warten Käufer nun mindestens vier bis acht Monate auf ihre Modelle – und das, obwohl die Nachfrage nach Elektroautos weit unter den Erwartungen liegt.

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Werk Zwickau betroffen

Die geringe Nachfrage nach Elektroautos führt im VW-Werk in Zwickau zu Einschnitten. Wie ein Standortsprecher bestätigte, hat das Unternehmen seit dem 13. November eine Schicht in der Fertigungslinie des ID.3 und Cupra Born gestrichen. Je nach Marktlage könnte im nächsten Jahr auch die zweite Fertigungslinie an dem Standort, auf der die Modelle ID.4 und ID.5 entstehen, "auf einen klassischen Zwei-Schicht-Betrieb mit Früh- und Spätschicht umgestellt werden", so der Sprecher weiter. Der Standort in Sachsen ist derzeit Volkswagens einzige reine Elektroauto-Fabrik.

Derzeit ruht die Fertigung auf Band 2 im Zwickauer Werk bereits – und das für mindestens drei Wochen. Weder der von Volkswagen als Weltauto glorifizierte ID.4, noch seine Technik-Geschwister ID.5 und Audi Q4 e-tron werden im Moment am sächsischen Standort gebaut. Schuld am Produktionsstopp sind dieses Mal aber nicht nur die mangelnde E-Auto-Nachfrage oder eine IT-Panne, sondern die fehlenden APP550-Motoren.

ID.7-Produktion ausgebremst

Vorgestellt wurde der APP550 im neuen Elektro-Flaggschiff ID.7. Selbst für diese 4,96 Meter lange Fließheck-Limousine hat Volkswagen jetzt aber nicht genug Motoren. Zumindest ruht die E-Auto-Montage im ID.7-Werk Emden derzeit, während die Produktion der Verbrennermodelle Passat und Arteon munter weiterläuft.

In Emden wird neben dem ID.7 auch der ID.4 gebaut. Weil der Teilemangel auch dieses Modell betrifft, verlassen derzeit auch keine Elektro-SUVs die Werkshallen. Am Dienstag könnte das Band in Emden allerdings wieder starten, vorausgesetzt das Komponentenwerk in Kassel liefert genug Motoren. Der Standort Zwickau dürfte dagegen deutlich länger auf den E-Autobau verzichten.

Mehr als 1.000 Mitarbeiter betroffen

Vom Produktionsstopp bis in die Vorweihnachtszeit hinein sind jetzt mindestens 1.000 der 8.000 Mitarbeiter am Standort betroffen. Sie würden laut der sächsischen Freien Presse mit Weiterbildungs- und Schulungsmaßnahmen beschäftigt und erhielten weiterhin ihren Lohn. Das VW-Komponenten-Werk in Kassel ist gleichzeitig damit beschäftigt, so viele APP550-Maschinen wie möglich zu bauen.

Die werden dann allerdings vorrangig ins Stammwerk nach Emden geliefert, wo eigentlich die Produktion des Elektro-Flaggschiffs ID.7 hochlaufen soll. Da die kompakteren Modelle des Modularen Elektrobaukastens (MEB) weiterhin auf den APP310 mit 150 kW setzen, können ID.3 oder Cupra Born weiterhin gebaut werden. In Zwickau werden beide E-Autotypen auf der Fertigungslinie 1 zusammengesetzt. Der für 2025 angekündigte ID.2 all mit seinem attraktiven GTI-Ableger (siehe Galerie) soll ab 2025 in Spanien vom Band laufen.

Stellenabbau in Zwickau

Im Rahmen einer Betriebsversammlung am sächsischen VW-Standort in Zwickau wurde am Donnerstag (14.9.2023) die Belegschaft über die Auswirkungen der aktuell schlechten Elektroauto-Nachfrage informiert. Nach Angaben von VW werden 296 befristete Verträge, die nach einer Laufzeit von zwölf Monaten bald auslaufen, nicht verlängert. Auch müsse der Schichtbetrieb an dem Standort angepasst werden. Erst in den kommenden Tagen stimmt der Autobauer die konkreten Maßnahmen mit der Arbeitnehmervertretung ab.

Im VW-Werk in Zwickau arbeiten fast 11.000 Mitarbeiter, 2.000 davon haben befristete Verträge. Seit 2019 laufen dort ausschließlich Elektroautos vom Band – VW hatte das Werk für 1,2 Milliarden Euro umgerüstet. Wegen der aktuell schleppenden Nachfrage nach ID-Modellen galt die Verkündung von Stellenstreichungen als wahrscheinlich.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte bereits am Dienstagabend auf einer CDU-Veranstaltung in Riesa vor "bedauerlichen Nachrichten" gewarnt. "Eine ganze Reihe von Kollegen werden zumindest zeitweise dort erst mal nicht mehr arbeiten können", befürchtete der Ministerpräsident. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) bekräftigte am Mittwoch gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: "Es ist eine ernste Situation." Seit mehreren Wochen sei er in Kontakt mit dem Betriebsrat und seinem niedersächsischen Amtskollegen Olaf Lies (SPD).

VW für die Region extrem wichtig

Nach Medienberichten verhandelten in Wolfsburg bereits seit Tagen die Konzernspitze und der Gesamtbetriebsrat über die Zukunft des sächsischen Autowerks. Aus Verhandlungskreisen sickerte vor der offiziellen Verkündung bereits durch, dass die Nichtverlängerung der befristeten Arbeitsverträge eine Option sei. Bereits ab Oktober sind davon wohl hunderte Angestellte betroffen. Und auch darüber hinaus könnte es Stellenstreichungen geben.

VW ist in der Region einer der wichtigsten Arbeitgeber und der größte Gewerbesteuerzahler – bei vielen Familien arbeiten mehrere Familienmitglieder dort. Mit allen Zulieferern sorgt die Autoindustrie in Zwickau für zirka 20.000 Arbeitsplätze. 2022 hatte das Werk Zwickau 218.000 Elektrofahrzeuge ausgeliefert – für dieses Jahr waren 360.000 E-Autos geplant. Doch wegen einer allgemeinen Kaufzurückhaltung aufgrund von hoher Inflation, Konkurrenzdruck aus China und dem Wegfall der Förderung für gewerblich zugelassene E-Autos zum 1. September sind die Verkaufszahlen eingebrochen.

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Fazit

Fehlende Teile, Probleme bei der Herstellung von genügend Elektromotoren und eine sinkende E-Autonachfrage zwingt VW zu Produktionsanpassungen. Im Werk Zwickau muss Volkswagen die Produktion von E-Autos für mindestens drei Wochen anhalten. Konkret geht es um die Fertigungslinie 2 im Zwickauer Werk, auf der VW ID.4, ID.5 und Audi Q4 e-tron zusammengebaut werden. Diesmal sind wohl fehlende E-Motoren Schuld am Produktionsstopp. Auch das Werk Emden setzt zwischenzeitlich die ID.7-Produktion aus. Zusätzlich entfällt in Zwickau ab sofort die dritte Schicht in der Produktion für den ID.3 und den Cupra Born.

VW hatte sein Werk im sächsischen Zwickau mit Milliarden-Investitionen für die Produktion von Elektroautos umgerüstet. Das war zukunftsweisend, aber die E-Auto-Verkaufszahlen bei VW brechen ein. Die massive Inflation, Konkurrenzdruck aus China und der Wegfall von Förderungen zeigen Wirkung. Als Gegenmaßnahme bekommen viele befristete Beschäftigte keine Verlängerung ihres Arbeitsvertrags – selbst Stellenstreichungen darüber hinaus stehen im Raum. Dabei ist VW in der Region einer der wichtigsten Arbeitgeber und der größte Gewerbesteuerzahler.