Vierzylinder im Porsche 718
Das Pro und Contra der neuen Motoren

Porsche schmeißt die Sechszylinder-Sauger beim Boxster raus und steckt Turbo-Vierzylinder rein. Kann das angehen? Wir sind uns da nicht so ganz einig.

Jörn Thomas, Jens Dralle
Foto: auto motor und sport

Jörn Thomas übersteht auch mal einen Shitstorm

Meine Güte, tempus fugit. Nicht erst seit heute. Und auch Porsche geht mit. So wie es keinen Linksträger schert, dass seine Lieblingsmarke das meiste Geld mit SUV und Limousinen macht, wird man sich auch an die Vierzylinder gewöhnen. Die Dinger müssen nun mal sein, als scharfe Klinge beim Kampf um jedes Grämmchen CO2. Der Klang? Hm. Ich kann so schlecht lügen. Sagen wir mal so: Die Ingenieure haben nicht kampflos aufgegeben. Und dennoch verloren. Jedenfalls gegen die grandiosen 3,4-Liter-Sechszylinder, deren ausgeklügelter Ansaug- und Auspuffchoreografie ich schon so manche Ode widmete, deren orchestrale Talente ich pries.

Unsere Highlights
Porsche 718 Boxster, Einzeltest
Hans-Dieter Seufert
Seit dem Facelift samt neuer Namensgebung sind 718 Boxster und Cayman mit einem 4-Zylinder-Turbo-Boxer unterwegs. Die Leistung stimmt, der Sound nicht.

Aber: Untenrum waren die Sauger nie der Burner. Im Gegensatz zum neuen Zweiliter-Basismotor im 718, einem komplett neu entwickelten (nix Konzernbaukasten) Turbo-Boxer, der schon bei niedrigen Drehzahlen richtig anbeißt, fett durchzieht und dennoch hurtig weit über 7.000/min dreht. Dabei ist das tapfere Drehen bei ihm kein Muss, sondern ein Kann. Und wenn wir Porsche nüchtern als leistungsorientierte Sportwagenmarke betrachten, und eben nicht als Hersteller klassischer Verbrennungs-Musikinstrumente, ist die Sache eh klar: Der Vierzylinder-Boxer passt perfekt zur Familie. Er hat bereits in der Basis mehr Drehmoment als sein Vorgänger in der S-Variante, ermöglicht bessere Fahrleistungen und verbraucht weniger Sprit. Nicht nur auf NEFZ-Schleichfahrt, sondern sogar beim artgerechten Toben. Na ja, und den Shitstorm der gusseisernen Saugmotoristen übersteh ich auch noch.

Jens Dralle leidet mal an akuter Toleranz-Intoleranz

Hat er sich also doch einlullen lassen, der geschätzte Kollege Thomas. Es mag am fantastischen Handling liegen, mit dem ihn der Porsche 718 Boxster fängt. Diese Selbstverständlichkeit, mit der er seinen Fahrer auffordert, die nächste Kurve noch ein wenig später anzubremsen, noch ein wenig früher ans Gas zu gehen, noch ein wenig forscher herauszubeschleunigen. Weil er sich dabei permanent mitteilt, bestimmt, aber nie aufdringlich sagt: „Komm schon, das geht. Ich helfe dir.“

Ja, daran ändert der Vierzylindermotor tatsächlich nichts. Porsche setzt den Fahrer einfach mitten hinein ins Auto, direkt ins Zentrum des Handelns, das bekommen sie selbst bei den doofen SUV und bei dem unförmigen Panamera so hin wie sonst kein anderer Großserienhersteller. Mich hätte der 718 beinahe auch gefangen, dazu noch mit seiner gegenüber dem Vorgänger geradezu unglaublichen Leistungsfähigkeit. Der alte Basis-Sechszylinder arbeitet weitgehend frei von Leistung und Drehmoment, aber dafür mit Leidenschaft. Er dreht wie besessen – okay, das muss er, sonst herrscht Stillstand – und klingt dabei enthusiastisch und authentisch wie ein großer Sportmotor. Eher nach Le Mans als nach Lagerschaden, viel mehr Kesselchen statt Kolbenklemmer.

Da mich zudem Porsches Preisgestaltung noch viel mehr ärgert, wenn nur ein Zweiliter-Triebwerk hinter den Sitzen effizienzgetrieben rumort, suche ich nun lieber nach einem schicken gebrauchten Vor-Facelift-Modell. Als S-Variante, so viel Leistung muss sein. Und Kollege Thomas kann schon mal die Ohren anlegen.