Erste Test-Fahrt Alpine A290
Kann der scharfe R5 driften?

Alpine wagt sich mit der A290 an sein erstes E-Auto und das ist kein SUV, sondern ein Hot-Hatch. Doch wie gut vertragen sich eisige Temperaturen und wenig Grip mit Frontantrieb?

Alpine führt uns zur ersten Testfahrt mit der A290, dem kommenden elektrischen Hot-Hatch in eine Menschen- und Maschinen-feindliche Umgebung: Im schwedischen Lappland sacken die Temperaturen gerade auf Rekordniveau. Bei -40 Grad gefiert nicht nur der Atem, sondern auch der Diesel im Tank. Die grelle Sonne und der schwache Halbmond tauchen den Ullak-See in butterweiches Licht. Der eisige Wind treibt einen hauchdünnen Schneeteppich über die geräumte Eisfläche.

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Als würde es gegen Kälte helfen, hüllt sich Alpines Interpretation des Renault R5 komplett in Tarnfolie, kann damit aber weder ihre breiteren Backen noch die X-förmigen Tagfahrlichter verstecken. Zumindest optisch macht die Kleine mächtig auf Hot-Hatch und die wenigen bekannten Fakten lassen Fans hoffen: Getunter E-Motor, breitere Spur samt speziell angemischten Michelin Sport S5 sowie rund 1,5 Tonnen. Ja, das klingt nach den Zutaten für einen Hot-Hatch. Zumal Alpine nun die Heimat der alten Renault-Sport-Truppe ist. Wer wüsste also besser, wie man einen elektrischen Kompaktsportler baut?

Handling? Eine Frage der Philosophie!

Alpines Kleinwagen muss die Frage beantworten, welche Fahrwerks-Philosophie sich bei den Franzosen nach der Übernahme von Renault Sport durchsetzt. Die alte RS-Truppe baute stets taffe Track-fokussierte Kompakt-Fighter mit Runden-Rekord-Ambitionen, während sich bei Alpine alles primär um automobile Leichtigkeit und Fahrspaß-orientiertes Handling dreht.

Der A290 tendiert ganz klar zu letzterem. Das Fahrwerk verdaut mit hydraulischen Dämpfer-Stoppern auf dem rauen Eis souverän Risse und Frostaufbrüche – ja, die gibt's auch auf einem zugefrorenen See. E-Auto-typisch spürt der Fahrer natürlich den tiefen Schwerpunkt durch die schwere Batterie zwischen den Achsen. Und doch kommen deutlich die leichten Karosseriebewegungen und das Alpine-typische Rollen auf. Das macht den Kleinwagen auf dem Weg in den Grenzbereich sehr berechenbar und auch darüber hinaus, zickt der Fronttriebler zumindest auf Schnee und Eis nicht.

Passen Batterie-Pfunde zu Alpine-Leichtbau?

Vermutlich profitiert die Federung vom Gewicht. Für einen Kleinwagen im Vier-Meter-Format scheinen 1,5 Tonnen nicht sensationell leicht, obwohl sich Alpine wie Lotus einst über Leichtbau definierte. Immerhin wiegt der A290 weniger als die meisten E-Autos und somit ähnlich viel wie aktuelle Kompaktsportler mit Verbrenner.

Doch der Reihe nach: Das E-Auto-typische starke Antrittsvermögen soften die Franzosen mit dem Eco-Modus bewusst ab. Der hilft auf dem eisigen Parcours nahe Arjeplog. Denn die erste Prüfung steht an: Beschleunigen und Bremsen auf rauen und/oder glattem Eis. Klar kämpft der Fronttriebler mit dem geringen Griplevel. Dafür spürt der Fahrer, wie fein die Traktionskontrolle schon im Prototypen regelt. Gleiches gilt beim Bremsen: Der Übergang der Rekuperation zur mechanischen Bremse, die von der A110 stammt, ist schon in diesem frühen Stadium kaum spürbar.

Lenkrad mit F1-Tasten

Zudem lässt sich die Rekuperation in drei Stärken über einen Drehschalter am Lenkrad steigern. Ein cooles Detail, das ein wenig an das Formel-1-Lenkrad des Alpine A523 erinnert. Zudem soll die niedrigste Rekuperationsstufe dem Verzögerungs- Schleppmoment der A110 entsprechen.

Ebenfalls vom F1-Lenkrad inspiriert ist der rote OV-Hebel (Overtake) der für ein paar Sekunden zusätzliche Power entfesselt und Überholmanöver beschleunigen soll. Die Lenkradform erinnert an die A110 trägt jedoch die aktuelle Renault-Tastatur und einen Drive-Mode-Schalter. Hiermit flippern Sie durch die noch nicht finalen Fahrmodi Eco-Save, Comfort, Sport und Perso.

Cockpit verborgen in Lappland

Ansonsten hält Alpine das Cockpit des A290 im wahrsten Wortsinn bedeckt. Das OpenR Link Multimediasystem samt Tasten für die Sitz- und Lenkradheizung ist genauso abgehängt wie der Rest des Armaturenbretts und das Digital-Cockpit. Letzteres nur für Foto- und Video-Aufnahmen.

Schade, denn im digitalen Cockpit gibt's mit dreieckigen Grafiken chic animierte Layouts zu entdecken: darunter eine Assistenzsystem-Ansicht mit einem Retro-Renault-Heck oder eine Navigationsansicht mit breitem Google Kartenlayout. Dazu Informationen zu SoC-Stand, Spannung, Reichweite und Motordrehzahl.

Die Sitze sind betont sportlich geschnitten und erinnern etwas an die Standard-Sitze aus der A110. Klar, thront der Fahrer hier höher. Und doch muss man sich etwas strecken, um über die hoch angeordneten Bildschirme durch das Flache Glashaus nach draußen blicken zu können.

Fahrdynamik-Killer ESP

Aber zurück zur Fahrdynamik: Im Slalom regelt das ESP recht kräftig und so gar nicht Sportwagen-like. Klar, Alpine will mit dem Kleinwagen auch neue Kunden erschließen und nicht überfordern. Immerhin im Sportmodus lässt der elektrische Helfer leichte Bewegungen im Heck zu. Doch erst mit der zweiten ESP-Stufe macht sich das Handling locker und lässt kleine Lift-of-Powerslides zu. Jetzt schmeißen wir das ESP aber mit einem langen Tastendruck komplett raus und weichen ein paar imaginären Elchen aus. Der R5 hält locker die Spur und manövriert sich mit der betont leichtgängigen Lenkung präzise durch die Hütchengassen.

Alpine A290 COLD TEST
Thomas ANTOINE

French-Eyes: X-förmig leuchtende Zusatzscheinwerfer-Scheinwerfer.

Das gelingt auch, weil der langjährige Partner Michelin gripstarke "Pilot Alpin" Winterreifen montiert. Für den Sommer backen die Michelins übrigens speziell für Alpines Kleinwagen Michelin Pilot Sport S5 im Format 225 40 R19 mit A29-Markierung. Doch jetzt ziehen wir Michelins Spikereifen auf, denn es wird noch dynamischer.

Kann der Fronttriebler driften?

Der Plan lautet: Driften. Das Problem: eine mechanische Handbremse fehlt – eigentlich ein Muss in so einem Hot-Hatch! Aber so ist Gewalt keine Lösung. Viel mehr erfordert es etwas Mut, Speed und viiiieeeel Geduld. Mut, weil Du mit 70 bis 100 km/h – das klingt auf Asphalt lächerlich, ist aber eine ganz eigene Nummer auf einer Eisbahn – auf eine langgezogene Kurve zuhältst deren Ende und Radius sich gegen die tief stehende Sonne kaum abschätzen lassen.

Dem Einlenken folgt der Kleinwagen überraschend willig. Doch nun heißt es abwarten, bis sich das Heck bewegt. Wie in Zeitlupe schwenkt es aus, baut in Seelenruhe immer mehr Winkel auf. Wer zu früh ans Gas geht, den zieht der Fronttriebler sofort wieder gerade – und zwar in Richtung Schneewand.

Wer zu lange wartet, den überholt urplötzlich das Heck. Tricky, doch mit etwas Übung ist das eine echt spaßige Drift-Kunst, die das Heck nun mit weniger Speed auch in engeren Ecken umsetzt. Dabei lässt sich der kleine Wagen trotz des verhältnismäßig kurzen Radstands von 2,53 Meter einfach beherrschen. Überhaupt sind wir gerade im Eco-Modus unterwegs, weil sich das Fahrpedal für die Rutschpartie leichter modellieren lässt.

Renault-Plattform und E-Antrieb

Die Basis für die A290 bildet übrigens die Plattform CMF-B EV von Renault. Den Antrieb übernimmt mutmaßlich der E-Motor aus dem Renault Megane E-Tech. Natürlich erhält der fremderregte Synchron-Motor noch elektrotechnisches Feintuning in Les Ulis bei Paris – der alten Wirkungsstätte von Renault Sport. Gebaut wird der Stromer allerdings in Douai. Mehr als die 160 kW und 300 Nm sollten also zumindest im Boost-Betrieb drin sein. Genaue Leistungsdaten verraten die Franzosen jedoch nicht. Ebenso wenig, ob es später leistungsstärkere Versionen mit Heck- oder Allradantrieb geben könnte. Gleiches gilt für die Batterietechnik: Keine Informationen dazu, wie viel Energie im Akku steckt und wie schnell er lädt.

Es bleibt also noch viel Raum für Spekulationen, bis Alpine die A290 im Juni präsentiert und wir auf Asphalt testen können.

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Fazit

Die Alpine A290 ist kein Hardcore-Hot-Hatch, wie die alten RS-Modelle von Renault-Sport. Viel mehr schaffen es die Alpinisten etwas vom Spirit der A110 auf Renaults Elektro-R5 zu übertragen. Das heißt: Ausreichende statt übermäßiger Leistung, eine softe, Fahrspaß-orientierte Fahrwerksabstimmung und eine präzise, leichtgängige Lenkung sowie noch akzeptables Gewicht. Ja, auch das kultige Retro-Design passt ins Konzept von Renaults Sportmarke. Wir sind jedenfalls mächtig gespannt, wie sich die Serienversion des elektrischen Frontkratzers im Sommer auf Asphalt fährt. Und hoffen das Alpine nach dem Rezept der A110 auch noch schärfere Versionen braut.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

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