Ferrari Roma Spider
Dolce Vita mit 620-PS-V8

Der Style des offenen Ferrari Roma beschwört das süße Leben, während sein 3,9-Liter-Biturbo anbläst. Clevere Aerodynamik hat er auch. Ab ins Auge des Orkans!

Der hatte gerade noch gefehlt: der offene Ferrari Roma. Inspiriert von den Granden und dem Lifestyle der 50er und 60er. Dolce Vita 2.0 sozusagen. Immerhin spannten die Italiener seit dem 365 GTS4 von 1969 kein Stoffverdeck mehr über ein Frontmotor-Coupé. Aber jetzt. Und wie. Elegant in Z-Faltung schlüpft das fünflagige Dach in 13,5 Sekunden bei bis zu 60 km/h unter den Deckel (mit dem gleichen Stoff bezogen wie das Dach selbst -schick!), trägt optisch kaum auf, lässt sogar brauchbaren Kofferraum zu. Fürs Wochenende zu zweit sollten die 255 Liter jedenfalls langen.

Unsere Highlights

Strömungskontrolle ohne Gedöns

Theoretisch offeriert der Roma Spider zudem vier Sitzplätze, die hinteren beiden taugen jedoch genreüblich höchstens als Ablage – und/oder deren Rückenlehnen als Element des Aerodynamik-Managements für die Insassen. Schließlich möchte man ja an Bord nicht über Gebühr verstrubbelt werden. Vogelscheuchen-Frisur in einem 248.000 Euro-Auto? Geht gar nicht. Deshalb ersannen die Italiener eine unauffällige wirbelbremsende Konstruktion ohne Extragedöns. Auf Knopfdruck stellt sich die einteilige Rückenlehne mit Schlitz bis 170 km/h in einen Winkel, der unerwünschte Wirbelei reduziert. Zurück klappt das Teil einfach per Hand. Genial, patentiert und: patent, denn selbst bei sehr flottem Landstraßentempo bleibt es an Bord des 620 PS-Apparates sturmfrei.

Zwischen V6, V12 und V8-Hybrid

620 PS? Was anderswo zu anhaltenden Jubelstürmen und Pulsfrequenzen weit jenseits 180 führt, geht bei Ferrari als gesundes Mittelmaß durch. Bei der Familie… umgeben von Leistungsträgern wie dem V6-Hybriden 296, dem vielleicht tollsten Saugmotor-Beschleuniger überhaupt 812 und dem 1.000 PS starken Obendrüber-Hybrid SF 90 bedient der Roma Spider eine verhältnismäßige Genießerklientel.

Oldschooler mit Saugmotor-Charakter und Turborausch

Und das konsequent mit einem 3,9 Liter großen 90-Grad-V8, der auf elektrische Hilfestellung verzichtet, dafür beim Blick unter die Haube mit einen Schrumpflack-roten Ansaugbrücken/Zylinderköpfen nicht nur Oldschooler begeistert. Kurzhuber, Flatplane-Kurbelwelle für gleichmäßige Zündfolge, Twinscroll-Lade, gleichlange Auspuffkrümmer. Klar, bevor sie in Maranello eine träge Midrange-Lusche hinter die Roma-Haifischnase zimmern, tischen sie in der Firmenkantine Miracoli auf. Deshalb liefert der V8 erwartungsgemäß. Untenrum je nach gewähltem Gang (in den niedrigen weniger, in den größeren stärker) turbogepepptes Drehmoment, gut nutzbar und fein dosierbar bevor es streng durch die Mitte und – natürlich – frenetisch obenraus geht. Das ganze so linear und saugmotormäßig, dass man die beiden Turbos in diesem Cocktail vor allem wegen ihres Rauschens rausschmeckt. Spitzenleistung bei 7.500/min. Hallo, ist schließlich ein Ferrari. Wer's braucht…

Traktion und Dynamik

Zumindest könnte man, wenn wollte – und wir wollen jetzt, drücken fest aufs rechte Pedal und lassen den Achtgang-Doppelkuppler an der Hinterachse (Transaxle) durch die flippern, das Elektronik-Arsenal schwitzen. Schließlich darf der Roma von der Erfahrung der harten Sportler profitieren, bietet VDC, F1-TCS, E-Diff3, ja sogar Side Slip Angle Control 6.0. Fahrsicherheit für alle, Dynamikbooster für jene, die sich trauen ESC wegzudrücken. Dann paktieren E-Diff, Stabilitätsprogramm und Bremseneingriff zu einer veritablen Drifthilfe.

Einfach ein guter Sportwagen

Und sonst so? Nun, 3,4 Sekunden auf 100, 9,7 auf 200 und Topspeed jenseits 320 stecken das Feld ab, mit Sicherheitsabstand zu den Topsportlern. Dass der V8 mit seinen 760 Newtonmetern ebenso gekonnt bestellt wie mit Lenkpräzision, Handling, Bremse. Denn da spielt der Roma Spider, nur 84 Kilogramm schwerer als die geschlossene Basis, ganz vorn mit. Keine Zehntelsekundenfeile, kein jenseits-8.000-Brüller, kein spitzfindiger Limit-Hasardeur, sondern einfach ein guter Sportwagen. Der seine Insassen in ihren zwei lederbezogenen Separees durch das süße und zum süßen Leben kutschiert. Entspannt und leise (die doppelte Akustiklage bringt das Verdeck auf Blechdachlevel) und komfortabel (die Adaptivdämpfer können sehr fürsorglich absorbieren).

Super Lenkung, sauberes Handling

Okay, die aufs Lenkrad zentrierte Bedienung und der Rest über einen dezenten Touchscreen erfordert etwas Eingewöhnung und enttäuscht Haptikfreunde mit dem lieblosen Plastik der Touchflächen am Lenkrad, insgesamt überzeugen Verarbeitung und Style des Roma aber. Insbesondere, wenn er einen in die süße Welt der Fahrdynamik mitnimmt. Mitnimmt, genau. Der offene GT stresst nicht, er bietet an. Der Fahrer wünscht sich schnelle Geraden und schnelle Kurven, der Roma macht es möglich. Mit seiner nicht zu schwergängigen, direkten, redseligen Lenkung ohne Hibbeligkeit, dem sauberen Handling mit geringem Untersteuern, viel Neutralität und leichtem Druck auf die Hinterachse, wenn gewünscht. Hilfreich dabei:

Gefühl und Härte bei Puls 180

Nach ein paar Kilometern auf Gourmetkurven, wie hier beim Termin auf Sardinien erwischst du dich gar beim Trailbraking, also dem kontrollierten Reinbremsen in Kurven. Hier hilft die trocken und fest ansprechende Keramikbremse, deren Gefühl vom Aufeinandertreffen von Scheiben und Belägen stammt und nicht von Algorithmen. Dazu feuert der V8, zischen die Lader, zwischengast der blitzschnelle Doppelkuppler beim Runterschalten. Alle ziehen wie verschworen an einem Fahrdynamikstrang, setzen den Fahrer ins Zentrum. Und der wird ruckzuck eins mit der versammelten, sorgfältig abgestimmten Mechatronik. Yeah, läuft! Jetzt ist der Puls doch auf 180. Gut, dass der Roma Spider auch anders kann. Und deswegen hat er gerade noch gefehlt.

Umfrage
Hätte ein La-Dolce-Vita-Auto wie der Ferrari Roma nicht einen V12-Motor gebraucht.
20507 Mal abgestimmt
Aber hallo, alles andere ist nicht unbeschwert und genussvoll genug.Auf gar keinen Fall - ein V8-Turbo ist heutzutage genug Dolce Vita.

Fazit

Der Ferrari Roma GT sieht elegant aus und fährt elegant. Wer sich von seinem Fahrdynamikpotenzial fernhält, genießt einen offenen, sozialkompetenten Spider fürs Dolce Vita. Wer die Einladung annimmt und Tempo aufnimmt, bekommt einen in jeder Beziehung offenen Sportpartner. Nie hinterlistig, immer fair und blitzartig zwischen Piano und Forte wechselnd. Daily Driver-Qualität plus Dynamik-Option für eine Viertelmillion Euro.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024

Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten