Lotus Emira i4
Verbrenner-Finale mit AMG-Power

Lotus erweitert seinen Mittelmotor-Sportler um eine Vierzylinder-Version. Der 366 PS starke Zweiliter-Turbomotor stammt aus dem AMG A 45 und tritt dem Emira tüchtig in den Hintern.

Lotus Emira i4
Foto: Lotus

Finden wir uns damit ab: Das E steht bei Lotus künftig nicht mehr für Elise oder Exige, es steht für E-Antrieb. Auf ihn hat sich die Geely-Tochter festgelegt, auf ihn stützen sich die durchaus ambitionierten Wachstumspläne. Ofen aus!

Wer vorher noch was Traditionelles zum Festhalten will, muss jetzt zuschlagen. Jetzt und hier! Denn nur der Emira trennt Lotus noch von seiner neuen Identität – oder wie manche sagen: von ihrem Totalverlust. Das Mittelmotorcoupé hat die ehrenvolle Aufgabe, alles Dagewesene zu beerben und gleichzeitig den Verbrenner zu Grabe zu tragen.

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Immerhin wird diese Last fortan auf zwei Schultern verteilt. Nachdem der Emira 2021 mit dem altbewährten Toyota-V6 debütierte, schraubt man ihm nun einen aufgeladenen Vierzylinder als Alternative ins Kreuz. Aber nicht irgendeinen, sondern den allmächtigen, den AMG-Zweiliter aus dem A 45, den wir ehrlich gesagt schon immer an Bord eines leichten Autos erleben wollten.

Gewicht im Okay-Bereich

Na gut, leicht ist auch bei Lotus nicht mehr das, was es mal war. Mit 1.446 Kilo bewegt sich der 4,41-Meter-Zweisitzer aber noch im Okay-Bereich seines Segments: grob auf Augenhöhe mit einem Cayman S, der dem Emira Hauptkonkurrent und Leidensgenosse gleichermaßen ist, schließlich stehen beide gemeinsam am Scheideweg.

Nun ist aber auch gut mit Untergangsstimmungsmache. Fahren wir lieber, solange wir noch wollen. Was zuerst auffällt, dass beim Einsteigen gar nichts auffällt. Kein Schweller, der im Spagat überwunden werden muss, kein Dachholm, der einem die Schädeldecke malträtiert, kein Zweifel: das hier ist der zuvorkommendste Lotus seit dem Omega.

Drinnen? Sind die Neunziger nun ausgezogen. Und sie haben ihr Piepsetasten-Quietschfarben-Radio gleich mitgenommen. Stattdessen: HD-Displays für Infotainment und Instrumente, alles schlüssig platziert, inszeniert und integriert, sogar CarPlay und Android-Auto sind an Bord – Sachen gibt's. Kritikpunkte muss man mit dem Fusselroller suchen. Das AC-Lämpchen der Klimaanlage ist ein wenig fahl, der Regensensor hektisch, das Gepäck bereits nach kurzer Fahrt gut durchgebraten, die Sitzlehne zu kurz.

Hydraulik-Lenkung, yeah!

Achso, und dann wäre da noch die Sache mit dem Getriebewählhebel. Der ist eigentlich ein Aktuator und braucht eine halbe Ewigkeit, bis er Fahrtrichtungswechsel an den (ebenfalls AMG-stämmigen) an sich rassig schaltenden Achtgang-Doppelkuppler durchstellt. Vor allem aber hat ihn Lotus mit der Belegung der manuellen Schaltgasse zum Depp vom Dienst gemacht. Plus oben, minus unten? Das wäre ja noch als Quatsch der Gewohnheit durchgegangen, nein, den Emira i4 schaltet man von links nach rechts!

Immerhin: Lotus hat den Fauxpas als solchen erkannt, erklärt süffisant, dass man ja Raum für Optimierung brauche, was dann je nachdem entweder als Selbstironie oder Versprechen zu werten ist. Entkommen kann man dem Dilemma nur über die Lenkradpaddel, eine Handschaltung gibt es nicht. Die bleibt dem V6 vorbehalten, der sich äußerlich kaum, technisch aber gehörig unterscheide, wie es heißt. Der Emira i4 (i für inline) sei eine 60 prozentige Neuentwicklung, bis zur B-Säule ähnlich, dahinter eigenständig. So sitzt der Vierzylinder in einem leichteren Hilfsrahmen aus Aluminium, die mechanische Sperre entfällt zugunsten einer elektronischen Traktionsregelung ähnlich dem McLaren-Prinzip. Und anstelle einer hydraulischen Lenkung bekam der i4 ein elektrohydraulisches System – kein rein elektrisches! Bedeutet: Nur die Servopumpe ist elektrisch gesteuert, nicht die Lenkung an sich, weswegen Gefühl und Feedback natürlicher, griffiger und intensiver bleiben als in 98 Prozent der Sportwagen zurzeit.

Überhaupt ist Gefühl das Stichwort: Wie den Sechszylinder spaltet Lotus auch den i4 in zwei Stilrichtungen auf: Tour und Sport. Substanzielle Unterschiede existieren nicht, nur die Kinematik ist jeweils anders abgestimmt beziehungsweise angelenkt. Ergebnis: die Komfort-Fassung ist einen Tick relaxter im Aufbau von Körperspannung, fühlt sich aber nie labberig oder unpräzise an. Der Dynamiker reagiert williger, entwickelt mehr Zug, ohne seinerseits den Bogen zu überspannen.

Entscheidend fürs Erlebnis ist neben den blitzsauber abgegrenzten Fahrmodi vor allem der Motor. Obwohl der i4 wegen des gewichtigen Getriebes und der Lader-Peripherie keinen nennenswerten Gewichtsvorteil zum 3,5-Liter auftun kann, ist er das fetzigere Auto. Frotzeliger Klang mit Abblas-Schnupfern; ein toller Handlingmix aus akkurater Vorderachsführung auf der einen Seite und neckischen Eigenlenkbewegungen auf der anderen; dazu eine waschechte Turbo-Charakteristik mit etwas Ebbe und reichlich Flut.

Soll sagen: Der Twinscolllader braucht ein bisschen Anlauf, bloß im Gegensatz zu seinen Organspendern stört die Kuhle im Kraftfluss hier nicht die Bohne. Das liegt zum einen daran, dass der Emira gut 100 Kilo leichter, sprich: weniger träge ist, zum anderen nistet er sich mit 365 PS und 430 Nm unterhalb der bis zu 421 PS starken und 500 Nm kräftigen AMG-A-Klasse ein. Das Delta zwischen Grund- und Vollschub ist also lange nicht so groß, der Spannungsbogen somit straffer, der lustleere Raum schmal.

Nur eines irritiert

Ab 2.500/min pustet’s dann sowieso gehörig und der Emira fegt in perfekter Lotus-Manier über die berühmten B-Roads Großbritanniens. Quicklebendig, spielerisch, dennoch souverän. Nur eines irritiert: Bei Gegenverkehr häckselt der linke Außenspiegel schon mal versehentlich durch den Heckensaum am Fahrbahnrand. Okay, das hängt zu einem gewissen Teil sicherlich mit den – aus kontinentaleuropäischer Sicht – seitenverkehrten Verkehrsproportionen zusammen, aber eben auch mit den Ausmaßen: knapp 1,90 Meter misst der Emira, 10 Zentimeter mehr als das Breiteste, was Lotus die letzten, sagen wir, 20 Jahren
anbot. Und zwischen entgegenkommendem Range Rover und vorbeisausender Hainbuche macht das dann halt schon einen Unterschied.

Die eigentliche Frage ist jedoch: Wie lange wir noch über sowas reden (dürfen). Der Eletre alias das erste Volumenmodell der neuen Ära wurde ein 2,5-Tonnen-Koloss, überragt in den Ausmaßen sogar einen Cayenne und ist damit von vornherein raus aus derlei Diskussion. Jedoch soll sich die Lotus-Strategie schon bald auch nach unten hin ausweiten, in die kleineren Klassen. Ein Midsize-SUV ist jedenfalls ebenso in der Pipeline wie eine Sportlimousine. Vom Tisch ist fürs Erste jedoch das Elektro-Coupé. Als Koproduktion mit Alpine geplant, wurde das Projekt nun mindestens aufgeschoben – wenn nicht sogar aufgehoben.

Was das für den Werdegang des Emira heißt? Nichts Neues! Er war von vornherein als Überschneidung geplant, hat also noch das ein oder andere Jährchen vor sich, und wenn wir die PS-Potenziale seines neuen Turbomotors richtig deuten, wohl auch noch seinen Leistungszenit.

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Fazit

Der Emira ist erwachsener als seine Indirekt-Vorgänger, aber intensiver als die meisten seiner Art – also genau da, wo ein Lotus hingehört. Motor und Setup formen seinen Grundcharakter: Mit V6 und Tour-Chassis tendiert er Richtung GT, der freche Turbo schreit nach der knackigeren Sport-Version.

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Erscheinungsdatum 25.04.2024

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