Porsche Taycan J1 II (Facelift)
Nullhundert? Zwovier. Noch Fragen?

Der Porsche Taycan erfindet sich neu. Fährt schneller, lädt fixer, informiert besser, kommt weiter. Eine erste Begegnung.

Ein paar Zahlen zum Vorkonditionieren? Zweikommavier, 15, 95, 103, 320, 952, 32.000. Die Auflösung: Sprintzeit Nullhundert, Extra-PS bei Push-to-pass, Akkugröße, maximale Ladeleistung, Spitzenleistung Turbo S beim Launch-Start, Anzahl der HD-Matrix-LED pro Scheinwerfer. So, vorgewärmt und bereit für den neuen Taycan, intern J1 II genannt? Also los! Nun, ganz neu ist er nicht, hier geht es nur um ein Facelift. Wenn auch ein gründliches: Porsche ging dem Taycan kräftig ans und vor allem unters Blech. Die Sportlimousine mit 800 Volttechniken kam 2019 als Gamechanger, wie Baureihenleiter Kevin Giek betont, Sport Turismo und Cross Turismo folgten. Das Facelift bekommen nun alle gleichzeitig. Was auch für den Umfang gilt, der sich von einer modifizierten Front- und Heckpartie mit serienmäßigem LED-Matrix, optionalem HD-Matrixlicht und beleuchtetem Heck-Schriftzug über serienmäßige Luftfederung plus optionalem Aktivfahrwerk, größerem Akku, schnellerem Laden bis hin zu mehr Power für alle Modelle erstreckt. Nicht zu vergessen die Modifikationen an Displays und Bedienung.

Unsere Highlights

Laden? Mit bis zu 320 kW!

Entscheidend für Elektronauten in der Praxis: das Ladetempo. Das betonen auch der Leiter Powertrain Klaus Rechberger und Sarah Razavi, zuständig fürs Laden beim Taycan. So zieht der Taycan J1 II bis zu 320 kW an 800 Volt-Ladesäulen (400 Volt: 150 kW), hält vor allem aber ein hohes Niveau (um 300 kW für fünf Minuten) deutlich länger als bisher. Statt in 37 Minuten soll er damit 10 auf 80 Prozent SoC in 18 Minuten schaffen, auch weil die Starttemperatur fürs Schnellladen von 35 auf 15 Grad gesenkt wurde. Zum Wohl der Laderobustheit, also der Fähigkeit, die nun brutto 105/netto 97 kWh fassende, 625 Kilogramm schwere Performance-Batterie mit LG-Zellen unter möglichst allen Bedingungen möglichst schnell zu laden. Dabei hilft die verbesserte Zellchemie für geringeren Innenwiderstand und höhere Lade- und Entladeströme in den 33 Modulen mit 396 Pouchzellen ebenso wie die optimierte Heizung und Kühlung (neue Wärmepumpe mit 17 statt 7 kW, was die Heizzeit halbiert sowie optimierte Leitungsstruktur) und der sogenannte Combined Booster Charger, der DC/DC-Wandler und HV-Booster in einem Gehäuse kombiniert. Hinzu kommt eine dreimal schnellere und übersichtlichere Routenplanung sowie weitergehende Infos im Display, etwa zu Akkutemperatur und momentan maximal möglichem Ladestrom am Schnelllader.

Knackig: 2,4 Sekunden auf 100

Unbeleuchtete Taycan-Ladeklappen? Vorbei. Die Teile arbeiten nun serienmäßig elektrisch und sind beleuchtet. Zudem läuft die Kopplung mit der HV-Säule deutlich fixer, die Stecker-Ports rasten exakter und der Deckel schließt nach dem Laden automatisch. Um den Taycan danach auf eine noch dynamischere Fahrt als bisher zu schicken. Endlich, mögen vor allem die Turbo S-Piloten aufatmen. Zumindest die, denen leichtes Nackenknacken und kurzer Schwindel beim Launch-Start nicht reichen. 2,8 Sekunden auf 100 waren ja tatsächlich etwas puppig. Mit zukünftig 952 PS Overboostleistung (plus 190 zum Vorgänger) 1.100 Newtonmeter Drehmoment und 2,4 Sekunden auf 100 wird es endgültig Nacken-knackig.

Leichter, stärker: neuer Motor an der Hinterachse

Wie bei Porsche üblich und auf einer kleinen Testfahrt auf dem Beifahrersitz erlebt, dürften diese Werte nicht nur im Prospekt werben, sondern die Gleichgewichts-Sensorik der Insassen tatsächlich krass verstrubbeln. Und das nicht nur einmal, sondern konsistent reproduzierbar. Unter anderem dank des bei allen neuen Taycan verwendeten 80 kW stärkeren, zehn Kilo leichteren Motors an der Hinterachse. Er setzt unter anderem auf einen neuen Magnetkreis mit segmentierten Magneten im Doppel-V-Blechschnitt des Rotors, Stator und Gehäuse sind ebenfalls neu. Von der Extra-Power profitieren sämtliche Taycan-Varianten. Basis 300/320 kW, 4S 400/440 kW, Turbo 650 kW.

Besser sparen, leichter rollen, weiter fahren: bis zu 678 km

Hinzu kommen bei allen ein optimierter Pulswechselrichter und den Allradmodellen eine modifizierte Allradstrategie, die die vordere E-Maschine öfter abkoppelt plus eine erhöhte Rekuperation von bis zu 400 kW (Porsche bevorzugt als Sportwagenmarke die Rekuperation per Bremspedal, One-Pedal ist weniger ihr Ding). In Verbindung mit dem überarbeiteten Thermokonzept sowie der besseren Wärmepumpe steigt damit die Reichweite für alle Modelle signifikant, der sparsamste J1 II-Taycan mit Hinterradantrieb soll nach WLTP 678 Kilometer weit kommen (ein Plus von 35 Prozent), alle anderen steigern ihre Reichweiten ebenfalls, wozu auch rollwiderstandsoptimierte Reifen, modifizierte Felgen sowie Bremsen mit weniger Schleifverlust beitragen. Besonders effizient: das neue 21-Zoll-Aerorad mit speziellen Hankook-Reifen, die geringen Rollwiderstand mit guter Haftung insbesondere bei Nässe verbinden. Kevin Giek verspricht allein hierdurch bis zu 40 Kilometer mehr Reichweite.

Mehr Ausstattung in Serie

Damit diese Kilometer möglichst komfortabel und angenehm vergehen, spendiert Porsche eine verbesserte Ausstattung, vieles davon serienmäßig. Dazu zählen Ambientelicht, Wärmepumpe und Sitzheizung, Parkassistent, Range Manager, neue 3D-Instrumente mit sechs Ansichten, weitergehender Individualisierung und zusätzlichen Informationen, eine gekühlte Ladeschale fürs Mobiltelefon, LED-Matrixlicht sowie Zweikammer-Luftfederung. Weiterhin optional: die Hinterachslenkung. Neu: das HD-Matrixlicht mit 32.000 einzeln steuerbaren Micro-LED pro Scheinwerfer für sorgfältige Lichtverteilung und informative Spurinformationen, die der Taycan auf die Straße projiziert.

Aktivfahrwerk als radselektive Abstimmer-Spielwiese

Asphalt? Um noch innigeren Kontakt kümmert sich das neue, aktive Fahrwerk "Active Ride". Entsprechend dem des neuen Panamera ergänzen aktive Dämpfer die Einkammer-Luftfedern. Sie werden von hochvoltbetriebenen Hydraulikpumpen versorgt, die je nach Fahrsituation blitzschnell gezielt Kräfte per Volumenstrom aufbauen. Die Motor-Pumpen-Einheiten kontrollieren die Räder dabei einzeln über individuelle Stellkräfte. Bei normaler Fahrt liefert das System, das ohne konventionelle Stabis auskommt, maximalen Komfort und eine stets horizontale Trimmlage der Karosserie, gleicht einzelne Unebenheiten pro Rad nahezu perfekt aus.

Mach den Helikopter

Bei dynamischer Fahrt sorgt es für ausgeglichene Radlasten, kann auf Wunsch Wank- und Nickbewegungen verhindern oder sogar aktiv überkompensieren, den Taycan also ähnlich einem Motorrad in die Kurve legen oder wie bei einem Helikopter die Karosserie beim Bremsen und Beschleunigen in die entgegengesetzte Richtung neigen. Eine große Spielwiese für die abstimmenden Ingenieure, interessantes Feld für Fahrdynamiker und bei normaler Nutzung ein Komfortplus für Taycan-Insassen, die überdies beim Ein- und Aussteigen von der automatischen 55-Millimeter-Liftfunktion profitieren – wenn sie das wollen, denn sämtliche Funktionen sind im Fahrmodus-Menü abstimmbar.

Turbo only: Turbonit setzt Akzente

Auch wenn Turbo und Turbo S noch immer ohne die namensgebenden Abgasturbolader auskommen müssen, erhalten sie neben höherer Spitzenleistung einen eigenen Farbton. Während die Fahrwerks-Leute die ideale Abstimmung der Motor-Pumpen-Einheiten des Aktivfahrwerks herausfuhren, gebar die Color & Trim-Abteilung – tätäää: Turbonit. Der metallische Grauton kommt als Akzentfarbe an Rädern, Einlegern, Umrandungen, Schriftzügen, Wappen und Designpaketen. Apropos Paket: um Verpackungen zu reduzieren, setzt die Logistik bei der Taycan-Fertigung im Zuffenhausen bessere Ladungsträger ein, die Folien-Umverpackungen überflüssig machen. Nur mal so als Beispiel, für die Fortschritte des Taycan-Facelifts bis ins letzte Detail: vom 950 PS-Nackenknacker über Ultraschnell-Lader und Weitstreckenfahrer bis zum Verpackungssparer.

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Fazit

Das Facelift bringt die Taycan-Modelle spürbar nach vorn. Deutliche Fortschritte beim Schnellladen und der dazugehörigen Robustheit und Ladezuverlässigkeit zählen ebenso dazu wie der entsprechende Komfort plus eine signifikant größere Reichweite. Hinzu kommen mehr Leistung und Ausstattung bis hin zur aufgewerteten Infotainment-Abteilung mit informativeren Displays für alle Modelle serienmäßig sowie ein ausgefuchstes Options-Fahrwerk, was Dynamik und Komfort verbindet.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

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