Lamborghini Aventador LP 700-4 gegen Kampfjet L-39
Speed-Duell der Superlative

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Supersportwagen gegen Kampfjet, Lamborghini Aventador LP 700-4 gegen L-39 Albatros. Das Protokoll eines ultraschnellen Tages, der langsam begann, verflixt schnell wurde und langsam endete.

Lamborghini Aventador LP 700-4, L-39 Albatros, Tower
Foto: Rossen Gargolov

Sechster Gang, der Suzuki Swift Sport vibriert, als ob er von einem Erdstoß der Stärke 7,2 erfasst worden wäre. 193, 194, 195, jeder km/h wirkt zäh wie Kaugummi. Ansaugen, raus aus dem Windschatten auf die linke Überholspur und den Boost der Physik nutzen. Und dann das: Plötzlich gibt der Lieferwagenfahrer auf der rechten Bahn noch einmal Gas. Der seit gefühlten 38 Autobahnkilometern vorbereitete Überholvorgang in unserem 136 PS-Dauertestwagen verpufft binnen Sekunden. Eigentlich ein Grund, den 4.000-Euro-Finger zu erheben, doch heute bleibt der Pulsschlag ruhig.

Unsere Highlights

Lamborghini Aventador LP 700-4 von LKW ausgespuckt

Der Grund unserer Gelassenheit zeigt sich, als wir mit dem Flugplatz Bitburg unser Tagesziel erreichen. Links summt die Laderampe eines 40-Tonners leise, während rechts das Panzertor mit Patina laut quietschend aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Der LKW spuckt zwei Lamborghini Aventador LP 700-4 aus, während der gewölbte Stahlbeton-Hangar einen Kampfjet vom Typ L-39 Albatros preisgibt. Willkommen zur ultmativen Speed-Challenge auf der bis 1994 von den US-Streitkräften genutzten Bitburg Air Base.

Nervöser als sonst erhebt der Lamborghini Aventador LP 700-4 auf Startknopf-Befehl seine V12-Stimme. Zur Unterstützung im Duell gegen den Jet hat das Coupé seinen Roadster-Bruder aus dem italienschen Sant’ Agata in die Eifel beordert. Miura, Espada, Countach, Diablo - mit ihren großvolumigen Saugmotoren reihen sich die beiden Aventador-Modelle in eine illustre Ahnenreihe ein.

V12, 60-Grad-Zylinderbankwinkel, 6.498 Kubikzentimeter Hubraum, 8.250/min Maximaldrehzahl, 700 PS, 690 Newtonmeter - die etwas mühsame Anreise im Suzuki Swift ist beim Anblick des 235 Kilogramm schweren, längs verbauten V12-Technikkunstwerks sofort vergessen.

Lamborghini Aventador LP 700-4 Coupé für 312.970 Euro

Während die italienischen Kampfstiere je 13 Liter Motoröl und 25 Liter Kühlmittel mit dunkler Leerlaufstimme auf Arbeitstemperatur singen, rüstet auch Robert Blatt sein Einsatzgerät für den Start. Der gelernte Kaufmann und Hobbypilot macht sich nicht viel aus Autos. Den Preis eines Lamborghini Aventador LP 700-4 (Coupé: 312.970 Euro, Roadster: 357.000 Euro) investierte er lieber in ein demilitarisiertes Kampfflugzeug vom Typ L-39 Albatros.

Was in den Zeiten des Kalten Krieges wahrscheinlich für einen diplomatischen Ausnahmezustand gesorgt hätte, ist nun Realität. In einem der ehemaligen US-Shelter in Bitburg steht heute mit der L-39 ein ausgemusterter Militärjet der ehemaligen Nationalen Volksarmee. Die Lackierung des Jets von 1981 aus tschechischer Fertigung entspricht noch dem DDR-Kampfanzug, lediglich Hammer-und-Sichel-Motive wurden überpinselt.

1.250 Liter Sprit - pro Stunde

Blatt erläutert, warum Lambo-Fahren gegen Jet-Fliegen eine vergleichsweise günstige Art der Fortbewegung ist. Der Saarländer bietet Mitflüge zum Schnäppchenpreis an: 20 Minuten kosten je nach Spritpreis rund 2.600 Euro. Mit einem durchschnittlichen Testverbrauch von 25,0 Litern auf 100 Kilometern (Supertest 8/2012) ist der V12 des Lamborghini Aventador LP 700-4 gegen das Jet-Strahltriebwerk ein Wunder der Spritspartechnik.

"Bei voller Last schluckt das Turbofan-Triebwerk AI-25TL bis zu 1.250 Liter pro Stunde. Im Kunstflug sind es gut und gerne an die 1.000. Im forschen Reiseflug liegt der Verbrauch bei bis zu 800 Litern pro Stunde", beschreibt Pilot Blatt den Durst seines Jets mit einem Höchstabfluggewicht von 5,6 Tonnen.

"Lima-X-Ray-Romeo-Oscar-Bravo wind calm runway zero-five cleared for take-off", schallt der Funkspruch zur Startfreigabe. Unter ohrenbetäubendem Sirren rollt der Jet auf der Startpiste gemütlich an. Geräusch und Geschwindigkeit steigen hier progressiv. Während das Triebwerks-Sirren unter Last urplötzlich zu einem wirbelsturmartigen Rauschen anschwillt, rotiert die L-39 Albatros bei einer Geschwindigkeit von 170 km/h (VR: Rotationsgeschwindigkeit, ab diesem Moment hat das Bugrad keinen Bodenkontakt mehr). Bei 200 km/h verlassen auch die Haupträder die Piste. Nach einer Startrollstrecke von rund 540 Metern hebt das Kampfflugzeug ab. "Top Gun" lässt grüßen.

Lamborghini Aventador nach 540 Metern 237 km/h schnell

Erster Uhrenvergleich zwischen Luftwaffe und Bodenrakete: Auf 200 km/h sprintet der Lambo aus stehendem Start in 308 Metern. Nach 540 Metern sind es bereits 237 km/h. Szenenwechsel, raus aus dem zweisitzigen L-39-Jet-Cockpit, rein in die Schaltzentrale des in Arancio Argos (deutsch: Orange) lackierten Lamborghini Aventador LP 700-4 Coupés. Statt auf die analogen Jet-Instrumente fällt der Blick hier auf TFT-LCD-Flüssigkristall-Anzeigen mit zentral angeordnetem Drehzahlmesser.

ESP off, Corsa-Modus aktiviert, Bremse gegenhalten, Vollgas, und die Launch-Control wählt unter hämmerndem V12-Getöse die Anfahrdrehzahl von 5.100 Touren. Ready for take-off? Dann die Bremse lösen, und die elektronisch gesteuerte Haldexkupplung verteilt blitzschnell die Antriebsmomente zwischen Vorder- und Hinterachse. Zwischen null und 60 Prozent des Antriebsmoments sollen an die Vorderachse geleitet werden können. Der Lamborghini Aventador LP 700-4 springt explosiv vom Fleck.

Die Traktion ist gut, doch zum Summa cum laude der Beschleunigung drehen die Räder einen Wimpernschlag zu lange durch. Hier verschenkt der Allrad des Lamborghini Aventador LP 700-4 sicherlich eine Zehntelsekunde. Die italienischen Ingenieure sollten mal intern beim Konzernverwandten Porsche forschen - der 911 Turbo S beherrscht den Launch-Control-Start ohne spürbaren Schlupf und brennt roboterähnlich fast identische 0-100-Werte ab.

Feuriger Start und glühender Ausklang

Statt Spätzle wird heute aber Pasta Arrabiata serviert. Der Katapult-Start mit dem Lamborghini Aventador-Coupé schmeckt aufregend feurig. Das automatisierte ISR-Getriebe sprengt die Gänge innerhalb von 50 Millisekunden rein. Jeder Schaltschlag klatscht den Hinterkopf wie ein Lattentreffer auf das handvernähte Stier-Logo des Schalensitzes. In 3,0 Sekunden rennt das Lamborghini Aventador LP 700-4 Coupé auf Tempo 100. Nach 9,0 Sekunden vermeldet das 2D-Messgerät 200 km/h. Auch darüber hinaus geht der Vorwärtsdrang im Lamborghini Aventador LP 700-4 nahezu linear weiter. Der heutige Höhepunkt der Beschleunigungsorgie ist bei 300 km/h nach nur 23,9 Sekunden erreicht.

Fertigmachen zur Vollbremsung! Mit der Aggressivität eines Kickboxers wird das Bremspedal bei 300 km/h attackiert. Die Nackenmuskulatur des Beifahrers knickt unter der brachial einsetzenden Kraft der Keramik-Bremsanlage ein, und das Kinn hat kurzzeitig Brustkontakt. Bis auf feuerrot glühende 400er-Bremsscheiben an der Vorderachse lässt sich der Lamborghini Aventador von der Bremstortur nichts anmerken. Der Geradeauslauf bleibt stabil.

Mit einer hohen Verzögerung von 12,0 m/s² krallen sich die 255er-Schlappen vorne und die 335er-Walzen an der Hinterachse in den Asphalt. Nach 6,9 Sekunden und 288,8 Metern steht das italienische Projektil aus 300 km/h laut knisternd wieder. Für die 0-300-0 km/h-Prüfung benötigt das Lamborghini Aventador LP 700-4 Coupé nur 30,8 Sekunden. Ein Lambo-Bestwert, wie ein Blick in die 0-300-0-km/h-Geschichtsbücher von sport auto beweist. Der Lamborghini Gallardo LP 570-4 Superleggera nahm sich für die Beschleunigungs-und Bremsmessung 39,3 Sekunden Zeit. Der Murciélago LP 670-4 SV brauchte 36,2 Sekunden.

Klar, wem der Aventador-Sprengsatz mit einer maximalen Querbeschleunigung von 1,45 g und 350 km/h Vmax nicht reicht, der wird zu Lande nur wenig finden, was flinker ist. In der Luft gäbe es einige Alternativen. Zum Beispiel die im Sturzflug (VNE) bis zu 908 km/h schnelle L-39. "Kurven mit 2 g sind Standard. Ab 4 g geht bei den meisten Mitfliegern das Blut aus dem Kopf. Dann kommt der Tunnelblick, und alles wird grau in grau. Training ist alles, so ein Opa wie ich hält 7 g aus", erzählt Pilot Blatt lächelnd. Inzwischen hat er mit seiner L-39 eine Platzrunde gedreht und setzt zur Landung an.

Aus dem Coupé in den Lamborghini Aventador LP 700-4 Roadster

Zweiter Uhrenvergleich. Was für Vergleichswerte zaubert der Jet auf die Landepiste? Im Endanflug hat die L-39 rund 222 km/h drauf. Die Touchdown-Geschwindigkeit beim Aufsetzen liegt mit einem Landegewicht von circa 4.500 kg bei rund 175 km/h. Mit seinen ABS-unterstützten Bremsen verzögert das Flugzeug im Idealfall auf einer Landerollstrecke von rund 590 Metern. Kurz den Taschenrechner bemühen: Macht eine Verzögerung von 2,0 m/s². Während der Jet rund 24,3 s bis zum Stillstand aus 175 km/h benötigt, könnte der Lambo-Pilot in dieser Zeit noch gemütlich aussteigen und eine Zigarette anzünden. Der italienische Bolide steht aus 175 km/h nach 98 Metern und in vier Sekunden.

Wir steigen aus dem Coupé in den Lamborghini Aventador LP 700-4 Roadster um. Lamborghini verspricht für den Open-Air-Lambo eine 0-100-Beschleunigung, die genauso wie die Höchstgeschwindigkeit auf dem Niveau des Coupés liegen soll. Außerdem sollen die Fahrleistungen des mit 1.807 Kilo genau 43 Kilo schwereren Roadsters dank ähnlicher Aerowerte sowohl mit Hardtop als auch in offenem Zustand identisch sein. Das wollen wir genau wissen und absolvieren die 0-300-0 km/h-Prüfung daher mit dem Roadster gleich zweimal.

Feuer frei - 3,0, 9,1 und 24,5 Sekunden. Der Festdach-Roadster zoomt sich ähnlich schnell wie das Coupé über die 100-, 200- und 300 km/h-Marke. Wir werfen den Anker und verzögern aus 300 km/h wieder bis zum Stillstand. Der geschlossene Roadster bremst ähnlich stabil wie das Coupé, braucht aber mit 292,7 Metern aus 300 km/h einen 3,9 Meter längeren Bremsweg als das Lamborghini Aventador LP 700-4 Coupé. Die 0-300-0 Gesamtzeit des Roadsters liegt trotzdem mit 31,5 Sekunden nur sieben Zehntelsekunden über der Zeit der Festdach-Version.

Orkan bei offenem Dach im Lamborghini Aventador LP 700-4

Und ohne die beiden jeweils rund sechs Kilo schweren, aus Kohlefaser gefertigten Dachteile? Kragen hoch, bereit machen für den Orkan - das laue Sommerlüftchen mutiert im offenen Cockpit bei 300 km/h zur gefühlten Windstärke 12. Neben dem 2D-Messgerät haben wir diesmal ein Phonmessgerät mit an Bord, um die Lautstärke im Zentrum des Lamborghini-Sturms zu ermitteln.

Aus einem 300-km/h-Innengeräusch von 97 dB(A) mit geschlossenem Dach werden jetzt 111,2 dB(A). Ein Golf GTI gleicht mit 76 dB(A) Innengeräusch bei 180 km/h dagegen einem Schweigekloster. 87 dB(A) Innengeräusch erreicht der Lamborghini Aventador LP 700-4 schon im Stand, wenn die Launch-Control die Startdrehzahl auf 5.100 Touren einpendelt. Höhepunkt des V12-Gebrülls: 123,4 dB(A) bei Gasstößen im Stand von 6.500/min, direkt am vierflutigen, mittig positionierten Endschalldämpfer gemessen. Wem das italienische V12-Rockkonzert immer noch zu sanft ist, der muss das Hobby wechseln und sich in 30 Meter Entfernung neben den in der Startphase rund 150 dB(A) lauten Düsenjet stellen.

Mit 2,9 Sekunden rennt der offene Lamborghini Aventador LP 700-4 Roadster jetzt erstmals in der Testgeschichte in unter drei Sekunden auf 100 km/h, Respekt! Bis Tempo 100 spielt die Aerodynamik keine übergeordnete Rolle. Darüber hinaus gewinnt der Luftwiderstandsbeiwert an Bedeutung. Durch die Verwirbelungen mit offenem Dach erreicht der Roadster 300 km/h in 25,5 Sekunden, eine Sekunde langsamer als mit montiertem Hardtop.

Lamborghini-Roadster steht mit geöffnetem Dach früher

Tragen die etwas schlechteren Aero-Werte mit offenem Dach umgekehrt vielleicht zu einem besseren Bremsresultat aus 300 km/h bei? Der Umkehrschluss bestätigt sich. Mit geöffnetem Dach steht der Roadster 4,8 Meter früher aus 300 km/h als mit geschlossenem Dach.

Die Entschleunigung setzt ein. Das Lamborghini-Duo und der Jet kehren zum Hangar zurück. Robert Blatt zieht einen letzten Vergleich zwischen Lamborghini Aventador LP 700-4 und seiner L-39 Albatros: "Auf dem Auto hinterlassen die Mücken bei 300 km/h nur Kleckse, beim Jet brennen die Viecher ab 500 km/h kleine Einschusslöcher in den Lack." Zeit, aus der "Top Gun"-Galaxie ins echte Leben zurückzukehren. Wie könnte das auf der Heimfahrt besser gelingen als mit einem, der heute etwas links liegen gelassen wurde: Bye bye Bitburg, willkommen zurück im Suzuki Swift.

Technische Daten
Lamborghini Aventador LP 700-4 Roadster Lamborghini Aventador LP 700-4
Grundpreis357.000 €321.300 €
Außenmaße4780 x 2030 x 1136 mm4780 x 2030 x 1136 mm
Kofferraumvolumen150 l150 l
Hubraum / Motor6498 cm³ / 12-Zylinder6498 cm³ / 12-Zylinder
Leistung515 kW / 700 PS bei 8250 U/min515 kW / 700 PS bei 8250 U/min
Höchstgeschwindigkeit350 km/h350 km/h
Verbrauch16,0 l/100 km16,0 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten