Red Bull im Krisenmodus
Mehrere Brandherde beim Weltmeister

GP Abu Dhabi 2022

Red Bull dominiert die Formel 1. Und doch spricht das Fahrerlager weniger über die Siege und mehr über die Verfehlungen. Beim Weltmeister-Team gibt es mehrere Diskussionsthemen. Sportchef Helmut Marko bezieht Stellung.

Sergio Perez - Red Bull - GP Abu Dhabi 2022
Foto: Wilhelm

16 Siege in bislang 21 Rennen. Zwei WM-Titel, die man jeweils weit vor dem Saisonende eingefahren hat. Die Aussicht auf eine Doppelspitze in der Fahrer-Weltmeisterschaft. Nach den Zahlen läuft bei Red Bull alles wie geschmiert. Doch in den letzten Wochen rollten dem Team von Max Verstappen und Sergio Perez ein paar Stolpersteine in den Weg. Das Fahrerlager spricht mehr über sie als über die Dominanz von Red Bull.

Es ging los mit der gescheiterten Beziehung zu Porsche. Es folgte die Bekanntgabe, dass Red Bull den Budgetdeckel im Vorjahr überzogen hatte. Dazu kam der Tod von Firmenchef Dietrich Mateschitz, was Fragezeichen über die zukünftige Ausrichtung von Red Bull und Alpha Tauri aufwirft. Zuletzt scheiterte in Brasilien die Stallregie. Am Rennwochenende von Abu Dhabi stellte sich Sportchef Helmut Marko und äußerte sich zu den verschiedenen Themen.

Unsere Highlights
Sergio Perez - Red Bull - GP Abu Dhabi 2022
Wilhelm
Der Fall Perez wirft Fragen auf. Verstappen hat seinem Team damit einen Bärendienst erwiesen.

Der Perez-Crash von Monaco

Dieser Unfall wirft Fragen auf. Sergio Perez war im dritten Teil der Qualifikation zum GP Monaco verunfallt. Und sorgte dafür, dass sich keiner mehr im Feld verbessern konnte. Carlos Sainz krachte in den gestrandeten Red Bull, Teamkollege Max Verstappen musste dahinter anhalten. Dieser Zwischenfall treibt Verstappen noch immer um. Es soll der Auslöser dafür gewesen sein, dass er fast ein halbes Jahr später eine Stallregie zugunsten von Perez in Brasilien ignorierte.

Die Geister umtreiben den Weltmeister. Offiziell hat Verstappen seinen Teamkollegen nie angeklagt. Trotzdem hat sich das Fahrerlager auf den Fall gestürzt. Von Red Bull wird nicht dementiert, dass der Monaco-Zwischenfall zu den Unstimmigkeiten geführt hat. Anhand der Daten lasse sich jedenfalls nicht sagen, dass Perez mit Absicht rückwärts in der Portier-Kurve einschlug. Jeder Fahrer agiere und reagiere anders auf eine gewisse Fahrsituation – zum Beispiel ein ausbrechendes Heck.

Es ist auch schwer vorstellbar, dass Perez ein solches Risiko eingeht, erwischt zu werden, nur um einen dritten Platz abzusichern. Eher heißt es, dass der Mexikaner sein Auto mit stärkerem Gaseinsatz ins Übersteuern treiben wollte. Die Vorderachse schob ihm zu sehr. Nur fehlt irgendwie die Unterstützung von Red Bull, mit einem klaren Statement die Anschuldigungen aus der Welt zu räumen. Zur missglückten Stallregie gibt es dagegen eines.

Das Team stellt sich nach der Brasilien-Affäre vor seinen Superstar. "Der Fall ist geklärt. Wir haben Fehler gemacht. Diese wurden ausgeräumt", erklärt Red Bulls Sportchef Helmut Marko. Der Grazer Doktor spricht von einem Missverständnis und fehlender Kommunikation vor dem Rennen. "Es wurde intern nicht abgesprochen, dass es zur Teamorder kommen könnte. Die Ingenieure haben Verstappen im Rennen zu spät informiert." Es soll erst in der letzten Runde passiert sein. Nach einem reinigenden Gewitter habe sich die Situation wieder normalisiert. "Die Sache ist intern zwischen den beiden Fahrern geklärt."

Die Nachfolge-Regelung von Mateschitz

Wird Red Bull so weitergeführt, wie es der verstorbene Firmenbesitzer vorgelebt hatte? Jedenfalls wurde sein Erbe aufgeteilt. Im Konzern soll es drei starke Männer geben. Einen für die Getränkesparte, einen für die Finanzen und einen für das Sportmarketing. Das ist Sportmanager Oliver Mintzlaff, der zuvor beim Fußballklub Red Bull Leipzig tätig war.

Im Team macht man sich zumindest öffentlich keine Sorgen. "Es gibt ein klares Bekenntnis der beiden Shareholder", stellt Marko klar. Damit ist die Mateschitz-Familie gemeint – mit Sohn Mark -, die 49 Prozent an Red Bull hält. Mark Mateschitz war zuletzt in Brasilien vor Ort an der Rennstrecke. Der Rest, also 51 Prozent, ist in Besitz der thailändischen Familie Yoovidhya. "Für das Marketing von Red Bull ist die Formel 1 das stärkste Werkzeug. Das steht außer Frage", sagt Marko.

Würde ein Sponsor den Platz kaufen, den die Bullen-Logos auf dem Auto einnehmen, müsste er Schätzungen nach 60 bis 70 Millionen Dollar zahlen. Das sagt viel aus über den Gegenwert. Das Auto ist eine rollende Werbeplattform, die gewinnt. Nur dürften dem Konzern die Negativschlagzeilen der letzten Wochen missfallen. Sorgen müssen sich die Fans nicht machen. In einer Mateschitz-Stiftung soll genug Geld sein, um die Sportaktivitäten weiter betreiben zu können.

Alpha Tauri zum Verkauf?

Eigentlich ist das Ziel von Alpha Tauri, im vorderen Mittelfeld zu fahren. Fünfter oder Sechster zu sein. Doch das Team befindet sich auf dem vorletzten Rang. Da kann man schon mal die Frage stellen, ob nicht über einen Verkauf nachgedacht wird. "Laut unseren Anteilseignern steht Alpha Tauri nicht zum Verkauf", spricht Marko. "Sie wollen das Nachwuchsteam weiterführen, und Fahrer für Red Bull Racing aufbauen."

Die Förderung stockt. Yuki Tsunoda entwickelt sich nicht wie erhofft. Mit Nyck de Vries kommt ein Fahrer von außerhalb. Er war zuvor in Diensten von Mercedes und pilotiert ab der kommenden Saison den zweiten Alpha Tauri.

Daniel Ricciardo - McLaren - GP Abu Dhabi 2022
xpb
Daniel Ricciardo soll 2023 zu Red Bull stoßen.

Eine Chance für Porsche?

Mintzlaff soll aus seiner Zeit in Leipzig enge Kontakte zum Zuffenhausener Sportwagenhersteller pflegen. Porsche betreibt dort schließlich ein großes Werk. In Stuttgart träumt manch einer wohl noch immer von einem Einstieg in die Formel 1 ab 2026. Erfolgt nach dem gescheiterten Zusammenschluss von Red Bull und Porsche ein Rückzieher vom Rückzieher? Macht es Mintzlaff möglich?

Das Team an der Rennstrecke schließt es aus. Porsche werde auch nicht auf Umwegen bei Red Bull landen. Selbst die Hintertür sei geschlossen. Für einen Hersteller wie Porsche wäre es ohnehin unwürdig, zu betteln.

Den zukünftigen Verbrennungsmotor will Milton Keynes in seinem eigens hochgezogenen Werk in Milton Keynes bauen. Mit Partnern laufen Gespräche. Immer wieder fällt in diesem Zusammenhang der Name Honda. Die Japaner veranstalten eine Woche nach Abu Dhabi ihr Weltfinale im japanischen Motegi. Red Bulls Fahrer und Führungsspitze sind dabei. Das lässt Raum für Interpretationen.

Die Nachwehen des Budget Caps

Red Bull muss mit weniger Windkanalzeit und weniger CFD-Kapazitäten leben. Das wird in der Entwicklung im Vergleich zu Mercedes und Ferrari kosten. Die Titelverteidigung bleibt trotzdem das Ziel für 2023. Wie sollte es auch anders sein? Dafür muss jeder Schuss sitzen. " Jeder Versuch im Windkanal muss Ergebnisse bringen. Dann sollte es verkraftbar sein", sagt Sportchef Marko – und hofft. Seine Zukunft ist noch nicht geklärt. Bei Red Bull scheint viel in Bewegung. Marko gibt sich gelassen. "Ich bin unabhängig."

Das Urteil der FIA zum Budget-Streit hat man runtergeschluckt. "Wir hatten uns im Recht gefühlt, wurden aber eines Besseren belehrt. Der Rechtsweg hätte sich über Jahre hinziehen können. Das wollten wir nicht." Sind alle Streitpunkte geklärt? "Die Situation ist klarer geworden. Es gibt deutlich mehr Gespräche zwischen dem Team und den Finanzprüfern."

Ricciardo als Ersatzfahrer

Es gibt auch positive Nachrichten. Daniel Ricciardo steht vor einer Unterschrift als dritter Fahrer. Pilot und Team sprechen über die letzten Details. Einer Rückkehr in neuer Rolle scheint nichts mehr im Weg zu stehen. "Wir haben diverse Showruns und Sponsorenverpflichtungen. Ricciardo ist da eine sehr realistische Option für Red Bull. Er ist sehr gut verkaufbar." Der Strahlemann aus Perth soll auf das Images des Rennstalls und der Marke einzahlen.