Red Bulls früher Entwicklungsstart für 2024
Strafe trifft noch erste Ausbaustufe

GP Abu Dhabi 2023

Der Red Bull RB19 verlässt die Bühne als erfolgreichstes Auto der F1-Geschichte. Der Nachfolger baut auf diesen herausragenden Genen auf. Red Bull profitiert davon, sich früh im alten Jahr voll auf das neue Projekt konzentriert zu haben. Was kann den Dauersieger noch aus der Bahn werfen?

Sergio Perez - GP Abu Dhabi 2023
Foto: Red Bull

"Nobody’s perfect", zu Deutsch "niemand ist perfekt": Das ist der Slogan einer Kampagne von Red Bull nach der Formel-1-Saison 2023. Darunter gelistet sind die 22 Saisonrennen, von denen das Team 21 gewonnen hat. Der Krösus des Jahres leistete sich nur einen Fehltritt. Beim GP Singapur blieb Red Bull ohne Siegchance. Ferrari nutzte es aus.

Nie in der Geschichte der Formel 1 gab es ein dominanteres Auto mit einem dominanteren Rennfahrer im Cockpit. Max Verstappen pulverisierte die Rekorde. Vier Erfolge im Sprint, 12 Pole-Positions, 19 Siege im Hauptrennen, 21 Podestplätze. Und 1.003 Führungsrunden in den Grands Prix – von 1.325 möglichen. Damit kommt der Überfahrer Verstappen auf eine Quote von über 75 Prozent.

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Konkurrenz muss auf den Mount Everest

Es wird schwer, dieses Jahr zu wiederholen, und eigentlich unmöglich, diese Saison zu toppen. Die Konkurrenz weiß wiederum, dass auf sie eine Herkulesaufgabe wartet, Red Bull einzuholen. Oder wie es Mercedes-Teamchef Toto Wolff beschreibt: "Wir müssen auf den Mount Everest steigen." Denn die Erfolgsmaschine ruht nicht. Red Bull will auch 2024 seinen Siegeszug fortsetzen.

Der Weltmeister gibt die Marschroute vor: "Wir kennen die Schwachstellen unseres Autos, wenn man sie überhaupt so nennen kann: langsame Kurven plus das Fahrverhalten über Randsteine und auf Bodenwellen. Die wollen wir ausbauen und unsere starken Punkte erweitern." Das klingt wie eine Drohung für die Konkurrenz.

Der Red Bull RB19 war der Allrounder im Feld. Gesegnet mit herausragender aerodynamischer Effizienz und Reifenflüsterer-Qualitäten. Das nächstjährige Auto baut auf diesen dominanten Genen auf. Weil man 2023 so überlegen war, konnte man in Milton Keynes früher als gewöhnlich die Entwicklung einstellen und dem neuen Projekt alle Ressourcen zuschieben.

Max Verstappen - Red Bull - GP Abu Dhabi 2023
Motorsport Images

Max Verstappen und Red Bull hatten mit der Konkurrenz 2023 kein Erbarmen. Nur ein Mal siegte kein Red Bull – in 22 Rennen.

Red Bulls Wissensvorsprung

Das letzte große Upgrade hatte Red Bull beim GP Ungarn vor der Sommerpause gebracht. Dort debütierten unter anderem veränderte Seitenkästen. "Danach beschränkten sich die Neuerungen auf die Lackierung", scherzte Teamchef Christian Horner in Abu Dhabi. Ganz so krass war es nicht, doch die Updates konzentrierten sich vor allem auf streckenspezifische Maßnahmen, zum Beispiel beim Abtriebs-Level.

Auch Mercedes und Ferrari haben zeitig das Augenmerk auf 2024 verschoben. "Wir wussten ja schon nach ein paar Runden in Bahrain, dass wir gegen Red Bull verloren sind", blickt Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur zurück. Sein Gegenüber bei Mercedes berichtet: "Wir haben schon im Frühling die Entscheidung getroffen, zurück ans Zeichenbrett zu gehen und ein neues Auto zu bauen. Es wird komplett neu ausgerichtet: Chassis, Strömung, Gewichtsverteilung." Aber: "Wir könnten auch daneben greifen. Das sehen wir erst im neuen Jahr."

Was Wolff Sorgen macht, ist nicht unbedingt, dass sich Red Bulls Ingenieure früh auf den RB20 stürzten. Sondern die Überlegenheit von Milton Keynes seit dem Start der Groundeffect-Ära. Seither hat Red Bull einen Wissensvorsprung. Die Konkurrenz versucht ihn durch gezielte Abwerbungen zu verkleinern. "Sie hatten 2022 schon einen massiven Vorteil und waren seither in der Lage, diesen zu halten. Sie unter diesen Regeln zu schlagen, aller Widrigkeiten zum Trotz, ist unser Ziel. Wir wollen nicht bis zum neuen Reglements-Zyklus ab 2026 warten."

Charles Leclerc - Ferrari - GP Belgien 2023 - Spa
Wilhelm

Ferrari und Mercedes hoffen, mit ihren neuen Autos die Lücke zu Red Bull 2024 zu schließen.

RB20 eine weitere Evolution

Nur anfangs wirkte Red Bull nicht so überlegen. Das lag daran, dass der RB18 zum Saisonstart 2022 mehr als 20 Kilogramm Übergewicht mit sich herumschleppte. Das verschleierte das wahre Kräfteverhältnis und ließ Ferrari in der ersten Saisonhälfte mithalten. Die Strafe nach dem Verstoß gegen den Budgetdeckel 2021 hat Red Bull offensichtlich nicht eingebremst.

Seit November darf das Team den Windkanal wieder zu 70 statt zu 63 Prozent auslasten. Das verschafft den Ingenieuren etwas mehr Spielraum. Trotzdem dürfen Mercedes, Ferrari, McLaren und Aston Martin noch etwas mehr Ressourcen in Windkanal und CFD stecken. Dieses Goodie gibt es vom Reglement für die Verlierer.

Der RB20 wird eine weitere Evolution werden. Red Bull sieht mit seinem Konzept, auf das inzwischen alle umgeschwenkt sind, noch reichlich Entwicklungspotenzial. Die Lernkurve sei noch steil, hört man aus Milton Keynes. Durch den frühen Entwicklungsstart hofft das Weltmeisterteam, wieder mit reichlich Schwung aus den Startblöcken zu kommen.

Und doch gibt es Stolpersteine. Die zwar ausgelaufene Budgetdeckelstrafe dürfte sich auch 2024 noch in gewissem Maß auswirken. Es heißt, dass soll vor allem das zweite Paket – also die erste Ausbaustufe unter der Saison – betreffen.

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