Analyse F1-Motoren-Reglement für 2026
Die Tücke liegt im Detail

Der FIA-Weltrat hat mit 49 Tagen Verspätung das neue Motorenreglement für 2026 abgesegnet. Trotz späten Störfeuern der etablierten Hersteller können Audi und Porsche mit dem Kompromiss leben. Jetzt ist der Weg frei für grünes Licht der Vorstände.

Porsche 919 V4 Turbo Hybrid-Motor
Foto: Porsche

Es war eine schwere Geburt. Seit Juli 2021 steht der Rahmenvertrag für das Motorenreglement 2026. Diesen hatten die etablierten Motorenhersteller Mercedes, Ferrari und Renault, dazu RB Powertrains sowie die möglichen neuen wie Audi und Porsche abgenickt. Dabei hatte man sich in groben Zügen auf fünf Eckpunkte geeinigt: Einen Budgetdeckel, den Wegfall der MGU-H, eine Erhöhung des Anteils der elektrischen Leistung auf 50 Prozent, die Einführung von100 Prozent nachhaltigem Kraftstoff und den Start des Reglements ab 2026.

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Daraufhin machten sich die Regelexperten daran, den Rahmenvertrag in ein Reglement zu gießen. Das sollte am 29. Juni dem FIA-Weltrat zur Abstimmung vorgelegt werden. Daraus wurde nichts. Der neue FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem zerstritt sich mit seinem Generalsekretär Peter Bayer über das Timing. Und die etablierten Hersteller wollten immer neue Anpassungen, zuletzt bei den Prüfstandslimitierungen, dem Kolbenmaterial, dem Ladedruck und dem Kompressionsverhältnis.

Als nächster Termin zur Vorlage des Reglements wurde der 2. August festgesetzt. Auch dieser Termin verstrich. Erst am 8. August war es schließlich so weit. Die 27 Weltrat-Mitglieder bekamen die Reglementvorschläge für die Motoren ab 2026 präsentiert.

Dollar-Geschenk für Neulinge

Acht Tage später winkten die FIA-Delegierten die Zukunft des Formel-1-Antriebs endlich ab. Es ist das Ende eines zähen Ringens zwischen den drei Herstellern, die schon da sind, und denen, die Mitglied in diesem Club werden wollen. Mercedes und Ferrari wollten Audi und Porsche den Einstieg so schwer wie möglich machen. Sie forderten ein Bekenntnis der deutschen Premiumhersteller noch vor Bekanntgabe des Reglements ein. Doch weder Ingolstadt noch Zuffenhausen wollte sich auf dieses Himmelfahrtskommando einlassen. Erst die Regeln, dann die Zusage.

In dem Streit ging es um die Zusagen für Neueinsteiger, um Prüfstandsstunden und das Material der Kolben. Zunächst musste geklärt werden, ob RB Powertrains ein Neueinsteiger ist. Ferrari argumentierte, dass die neue Motorenwerkstatt von Red Bull schon in diesem Jahr als Motorenpartner des Rennstalls eingetragen ist und sich damit nicht als Neuling bewerben kann.

Mercedes - GP England 2022
Mercedes
Die etablierten Hersteller wollten es den Neulingen möglichst schwer machen.

Red Bull konterte damit, dass man die Nutzungsrechte für das geistige Eigentum von Honda nur geleast habe und die Motoren weder öffnen noch warten, ja noch nicht einmal Kennfeldänderungen vornehmen dürfe. Damit wurde RB Powertrains als Neuling eingestuft. Eine Partnerschaft mit Porsche ändert nichts daran. Eine mit Honda wäre ein anderer Fall.

Neueinsteiger bekommen in den ersten drei Jahren vor dem Einstieg ein Geschenk. Während Ferrari, Mercedes und Renault von 2023 bis 2025 mit jeweils 95 Millionen Dollar pro Saison haushalten müssen, dürfen Audi, Porsche und jeder andere neue Motorenlieferant, der 2026 einsteigt, auf die Basissumme 2023 und 2024 jeweils zehn Millionen Dollar und 2025 fünf Millionen für die Entwicklung der neuen Motoren draufschlagen. Ab 2026 wird der Kostendeckel pro Jahr für alle Motorenhersteller auf 130 Millionen Dollar festgelegt.

Prüfstandsstunden bleiben begrenzt

Die etablierten Hersteller können auf einen Erfahrungsvorsprung von zehn Jahren mit dem aktuellen Hybridantrieb verweisen. Trotzdem drängte das Establishment nicht nur auf einen Kostendeckel bei der Entwicklung sondern auch auf ein Limit für die Zeit, die man pro Jahr auf dem Prüfstand verbringen darf.

Audi und Porsche wollten genau das aus innenpolitischen Gründen verhindern. Wie soll man einem Vorstand Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe vermitteln, wenn dann rauskommt, dass man diese Prüfstände nur ein paar Stunden pro Tag benutzen darf? Man würde im Rahmen des Budgetdeckels wahrscheinlich auch nicht viel häufiger am Prüfstand testen können, aber die Nutzungsdauer wäre damit auf dem Papier wenigstens offen.

Im Prinzip setzten sich die aktuellen Antriebshersteller durch. Das Prüfstandslimit ist aber jetzt so bemessen, dass Audi und Porsche damit leben können. Alle dürfen in den nächsten Jahren mit dem Verbrennungsmotor in Summe 5.400 Stunden auf die Testbank, mit dem ERS-Modul 3.400 Stunden.

Mercedes F1 Motor Prüfstand
Mercedes
Die Prüfstandsstunden werden begrenzt. Dazu gibt es noch ein Ausgaben-Deckel.

Danach geht es mit langsam reduziertem Testaufwand weiter. 2026 sind es 700 Stunden für den Motor und 500 für ERS, ab 2027 bis 2030 jeweils 400 Stunden. Die Anzahl der Prüfstände ist begrenzt: Drei für den Gesamtantrieb, zwei für die ERS-Bausteine, drei Einzylinder, einen für Motor und Getriebe und einen für das ganze Auto mit Motor.

Als weitere Kostensparmaßnahme bleibt die Zahl der pro Saison eingesetzten Antriebseinheiten begrenzt. 2026 werden jedem Team pro Fahrer vier Verbrenner, Turbolader und Auspuffsysteme zugestanden, dazu drei Batterien und MGU-Ks. Ab 2027 wird auf drei und zwei reduziert. Neu ist, dass jedem Einsatzmotor ein Auspuffsystem zugeordnet wird. Im Augenblick dürfen die Teams noch acht Auspuffanlagen pro Fahrer einsetzen und diese unter den Einheiten tauschen.

Kompromiss beim Kolben

Beim Material der Kolben wollten Ferrari und Mercedes Stahl, weil man sich damit auskennt. Audi und Porsche forderten Aluminiumkolben, weil man mit dem Fertigungsprozess von Stahlkolben wenig Erfahrung hat. Renault stand in der Mitte. Die Franzosen wären mit beiden Lösungen klargekommen. Die FIA schloss sich dem Kompromiss an. Ab 2026 sind sowohl Stahl- als auch Aluminiumkolben erlaubt.

Kurz vor Torschluss eröffneten Ferrari und Mercedes offenbar ein weiteres Störfeuer. Man wollte angeblich beim Ladedruck und beim Kompressionsverhältnis zu den aktuell bestehenden Regeln zurück statt wie ursprünglich vereinbart zu reduzierten Werten. Das wurde abgeschmettert, auch mit Hilfe von Renault, die nicht sonderlich daran interessiert waren, die Rahmenbedingungen noch einmal fünf vor zwölf zu ändern. Ab 2026 gilt: Maximal 4,8 bar Ladedruck im Gegensatz zu unbeschränktem Boost heute und ein Verdichtungsverhältnis von 16,0:1 statt wie bisher 18,0:1.

Alle anderen Vorgaben bleiben wie im Rahmenvertrag festgelegt. Die 1,6 Liter Turbos sollen 350 bis 400 Kilowatt Leistung (475 bis 540 PS) abgeben. Es wird nicht mehr der Benzindurchfluss begrenzt, sondern die Energiemenge. Das heißt 3.000 Megajoule pro Stunde statt 100 Kilogramm Sprit pro Stunde. Der untere Teil des Verbrennungsmotors wird streng reglementiert, während es beim Zylinderkopf Freiheiten gibt. Die MGU-H entfällt genauso wie variable Ansaugtrompeten.

Honda-Logo - Red Bull - Formel 1 - 2020
Red Bull
Der Hybrid-Anteil wird 2026 deutlich ansteigen. Die Hälfte der Power wird elektrisch generiert.

Der Anteil des Elektromotors soll von 120 auf 350 Kilowatt erhöht werden. Dabei dürfen pro Runde neun Megajoule in die Batterie geladen werden. Im Augenblick sind es zwei Megajoule. Im Fahrbetrieb darf die Ladung der Batterie während einer Runde nicht um mehr als vier Megajoule variieren.

Bei einem Mindestgewicht von 130 Kilogramm für den Verbrennungsmotor, zwölf Kilogramm für den Turbolader und 16 Kilogramm für die ERS-Bausteine ist jetzt schon klar, dass die Antriebseinheiten deutlich schwerer werden. Da ist das Batteriegewicht noch gar nicht mit drin. Um das auszugleichen, wird es 2026 auch neue Chassis-Regeln geben. So viel ist jetzt schon klar: Die Autos werden deutlich kleiner und damit auch etwas leichter um wenigstens das Gewicht zu halten, das man jetzt hat.

Audi und Porsche am Zug

Jetzt, wo das Motoren-Reglement schwarz auf weiß feststeht, sind Audi und Porsche am Zug. Sie müssen nach letztem Stand bis spätestens 15. Oktober offiziell zu einem Formel-1-Einstieg 2026 bekennen. Porsche hat es schon halb getan. Das marokkanische Kartellamt ließ Ende Juli durchsickern, dass der schwäbische Sportwagenhersteller die Absicht habe, 50 Prozent von Red Bull Technology zu übernehmen. Porsche hat sich außerdem die Namensrechte "F1nally" für seine Formel-1-Promotion-Aktivitäten schützen lassen.

Eine pikante Geschichte, weil just in dem Moment auch Honda seinem Chassispartner ein Angebot gemacht hat, das mindestens so attraktiv ist wie das von Porsche. Doch hier gilt der Wille des Firmenpatriarchen Dietrich Mateschitz, und der will Porsche im Boot. Honda will ab 2026 mit einem eigenen Triebwerk wieder in die Formel 1 einsteigen. Wenn Red Bull nicht greifbar ist, müssten sich die Japaner mit Alpha Tauri begnügen.

Audi wird bei einem positiven Vorstandsbescheid nur seine Rolle als Motorenlieferant für die Formel 1 bekanntgeben. Experten gehen davon aus, dass Ingolstadt bis spätestens zum GP Belgien die Hosen runterlässt. Die Partnerschaft mit einem Team wird erst kommuniziert, wenn es so weit ist. Gerüchte sprechen davon, dass Audi den Sauber-Rennstall ab 2023 in drei Schritten jeweils 25 Prozent des Schweizer Rennstalls übernimmt. Die restlichen 25 Prozent sollen beim aktuellen Besitzer Finn Rausing bleiben.

Im Herbst könnte mindestens ein weiterer Autokonzern ein Formel-1-Engagement absegnen. Die Interessenten sitzen in den USA und Korea. Das muss nicht unbedingt für 2026 sein. Wer erst 2027 einsteigen will, muss die FIA bis zum 30. Juni 2023 über seine Pläne informieren.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

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