Hockenheimring-Chef Jorn Teske im Interview
Wer hilft beim Formel-1-Comeback?

Hockenheimring-Geschäftsführer Jorn Teske spricht im Interview mit auto motor und sport darüber, zu welchen Konditionen die Formel 1 nach Deutschland zurückkommen kann und wer dabei alles mithelfen muss.

Jorn Teske - Hockenheimring-Chef
Foto: Hockenheim-Ring GmbH

Große Metropolen kommen mit riesigen Investitionen in die Formel 1. Um wie viel haben sich die Antrittsgebühren seit dem letzten Hockenheim-Rennen 2019 erhöht?

Teske: Konkrete Zahlen habe ich nicht vorliegen. Zum einen ist es nicht so, dass wir im Monatsrhythmus reden. Zum anderen kam es bei den letzten Gesprächen gar nicht dazu, dass konkrete Zahlen genannt wurden. Dass die neuen Länder in der Lage sind, andere Beträge aufzubringen als die Traditionsstrecken in Europa, das ist ja bekannt. Inwieweit die Spirale immer weiter nach oben geht, weiß ich nicht.

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Haben Sie generell das Gefühl, dass es den Rechteinhabern nur darum geht, Gewinne zu maximieren?

Teske: Uns wurde schon vermittelt, dass es ein großes Interesse am Standort Deutschland gibt. Ich glaube auch nicht, dass es nur ein Lippenbekenntnis ist. Natürlich spielen für die Formel 1 auch wirtschaftliche Kennzahlen eine Rolle. Inwieweit man aber bereit ist, von den maximal erzielbaren Antrittsgebühren runterzugehen, ist mir nicht ganz klar. Man hört oft die Frage, warum es in Deutschland nicht klappt. Unsere Antwort ist immer die gleiche: In anderen Ländern gibt es eine Querfinanzierung von dritter Seite. Das ist hier bislang nicht der Fall gewesen. Wenn sich da nichts ändert oder die Formel 1 bereit ist, große Kompromisse einzugehen, kann es nicht funktionieren.

Warum bekommen der Bund und die Länder das mit der Förderung hier nicht hin?

Teske: Es ist momentan politisch nicht opportun, sich für Rennsport einzusetzen. Von denen, die vielleicht wirklich was in Gang setzen können, gab es leider keine entsprechenden Signale. Wir haben immer versucht, den Weg in die Politik zu finden, sowohl beim Land als auch beim Bund, weil solch ein Imageprojekt ja Nutzen für beide bringt. Aber unsere Versuche haben leider nicht gefruchtet. Es gab mal einen Vorstoß von Stefano Domenicali, der das zur Chefsache machen und alle Parteien an einen Tisch bringen wollte. Aber auch daraus ist nichts geworden. Wir sagen immer, dass wir solche Gespräche gerne führen würden, und wenn es dabei erst einmal nur um Aufklärungsarbeit geht.

GP Deutschland - Hockenheim - 2019
xpb

In den letzten Jahren hat die Formel 1 stets einen großen Bogen um den Hockenheimring gemacht. Eine Rückkehr ist momentan nicht in Sicht.

Nach den Glanzzeiten von Michael Schumacher ging es mit dem F1-Interesse stetig bergab. Haben wir die Talsohle schon durchschritten?

Teske: Aus Sicht des Hockenheimrings ist die Talsohle schon länger durchschritten. 2018 und 2019 hatten wir ein volles Motodrom und sogar noch eine Zusatztribüne aufgestellt. Es gab davor aber auch schon Rennen, zu denen 30.000 Zuschauer weniger kamen. Ein Thema ist natürlich die Sichtbarkeit in den Medien. Die Formel 1 war fast vollständig aus dem Free-TV verschwunden. Da gibt es ja jetzt eine kleine Rolle rückwärts. Wir müssen vor allem Jüngere begeistern. Ein deutscher Fahrer, der im besten Fall vorne mitfährt und noch Charakter und Charisma mitbringt, würde natürlich auch helfen.

Würde man für ein Rennen 70.000 bis 100.000 Tickets verkaufen können?

Teske: Diese Spanne ist relativ hoch. Ich glaube schon, dass man hier wieder ein volles Haus haben kann. Ich befürchte aber, dass es nicht möglich ist, wenn man wie in anderen Ländern die Eintrittspreise deutlich erhöhen muss. Die Deutschen sind unheimlich preissensibel. Ich kann nur warnen, wenn man von Durchschnittspreisen von 300 Euro pro Ticket spricht. Das Risiko ist dann einfach sehr groß. Das können wir nicht alleine stemmen.

Kann man über den Daumen peilen, wie groß die Finanzierungslücke ist?

Teske: Ich kenne wie erwähnt keine aktuellen Zahlen. Aber selbst bei den Summen aus der Vergangenheit liegen wir da im zweistelligen Millionenbereich. Das Risiko kann ein kleines mittelständisches Unternehmen wie die Hockenheim-Ring GmbH nicht mal eben auf sich nehmen. Das ist in der Vergangenheit passiert. Und es hätte uns fast ruiniert. Fraglich ist auch, welche Erwartungen mittlerweile gestellt werden, was die operative Durchführung angeht. Und welche neuen Anforderungen es in Sachen Rahmenprogramm gibt. Ich kann ja verstehen, dass man mehr bieten muss, nur sind das alles zusätzliche Kostenpositionen.

Max Verstappen - GP Deutschland 2019
Red Bull

Das letzte F1-Rennen in Hockenheim 2019 gewann Max Verstappen.

Der Trend geht zu Stadtkursen mit Glamour-Faktor und Rundum-Entertainment. Ist Hockenheim überhaupt attraktiv genug?

Teske: Das glaube ich auf jeden Fall. Den Weg der Formel 1 halte ich nicht kategorisch für falsch. Es stellt sich für mich aber die Frage, ob er für jedes Land richtig sein muss. Ich glaube schon, dass man unterscheiden muss, was die Zuschauer unbedingt haben wollen und was sie bereit sind zu zahlen. Ich will, dass hier bei uns der Sport im Vordergrund steht und die Show nur ein unterhaltender Nebeneffekt ist und nicht umgekehrt.

Es gibt Länder, da stellt die Formel 1 Rennen fast im Alleingang auf die Beine und trägt auch Teile des Risikos. Wäre das hier vorstellbar?

Teske: Wir sind für jede Konstruktion zu haben und können viele Rollen einnehmen – von alleiniger Promoter bis gar kein Promoter. Da sind auch Mischformen vorstellbar. Es stellt sich die Frage, welche Rolle können privatwirtschaftliche Unternehmer, die Autohersteller, die großen Automobilclubs oder die Formel 1 selbst spielen. Schafft man es, alle zusammenzubringen und eine Risikoteilung zu vereinbaren? Mir fehlt leider etwas der Glaube, dass es neben uns noch andere gibt, die das wollen.

Hat sich aus der Privatwirtschaft niemand gemeldet?

Teske: Wir haben Gespräche geführt. Aber wenn man die Unternehmer nicht gut kennt, ist die Seriosität schwer einzuschätzen. Mit der Formel 1 wollen sich viele schmücken. Es führte bisher aber noch nicht so weit, dass daraus etwas Spruchreifes resultiert ist. Es gab auch eine Initiative der Formel 1. Da hat das Interesse von Audi zu einem Impuls geführt. Aber auch da ist es leider wieder ruhig geworden. Im besten Fall liegt es daran, dass die Kollegen von Audi vielleicht gerade andere Prioritäten haben, um ein wettbewerbsfähiges Auto an den Start zu bringen. Da ist das Thema vielleicht erst einmal nachgelagert. Im schlechtesten Fall sagen sie aber auch einfach: Was bringt uns ein Deutschland-Grand-Prix?

Jorn Teske - Hockenheimring-Chef
Hockenheim-Ring GmbH

Hockenheimring-Chef Jorn Teske würde die Formel 1 gerne zurückholen - aber nicht um jeden Preis.

Sehen Sie von den Autoherstellern, die in der Formel 1 vertreten sind, größere Chancen als aus der Privatwirtschaft?

Teske: Für mich ist naheliegender, dass die Hersteller ein Interesse an einem Heimspiel haben, sei es für die Belegschaft oder für ihre Partner. Das Traumszenario wäre für uns natürlich gewesen, wenn neben Mercedes und Audi auch noch Porsche kommen würde. Jetzt sind es nur zwei Hersteller. Aber das hat ja auch nicht jedes Land zu bieten. Und trotzdem schafft man es als Automobilnation nicht, den Grand Prix herzubekommen.

Sehen Sie den Nürburgring hier als Konkurrenten, oder ziehen beide Strecken an einem Strang?

Teske: Wir sind Mitstreiter und stehen ständig in Kontakt, auch zum Thema Formel 1. Wir sind auch beide Verfechter der alternierenden Lösung, weil es diverse Vorteile für alle hat. Wenn die Formel 1 nur eine einzige Strecke will, dann würde ich natürlich für den Hockenheimring kämpfen. Und die Kollegen aus der Eifel würden das Rennen für sich beanspruchen.

Wie wichtig ist die Formel 1 überhaupt für den Hockenheimring? Die Gewinnaussichten sind äußerst gering. Könnte man sich den Stress nicht einfach sparen?

Teske: Könnte man, will man aber nicht. Wenn sich wirtschaftlich nichts ändert, wäre es für uns sicher einfach zu sagen: Interessiert uns alles nicht. Wir sehen uns aber als traditionsreiche und renommierte Rennstrecke und würden die Königsklasse gerne wieder hier fahren sehen. Aber nicht um jeden Preis. Als Formel-1-Rennstrecke wären wir für andere Rennserien oder Business-Kunden interessanter. Noch zehren wir vom Ruf der Vergangenheit, werden das auch noch eine Weile tun, aber das wird nicht ewig so weitergehen. Es wäre schön, wenn man die Formel 1 zurückgewinnen würde, und zwar nicht nur mal zwischendurch einspringen, sondern auf einer mehrjährigen Basis. Aber nur zu vertretbaren Konditionen.

GP Deutschland 2018 - Fans - Startaufstellung
Wilhelm

In anderen Ländern sind praktisch alle Rennen ausverkauft. Würde die Formel 1 auch in Deutschland die Tribünen füllen?

Wie steht der Hockenheimring generell wirtschaftlich dar?

Teske: Wir haben uns stabilisiert. Wir haben gute Jahre hinter uns. Nach langer Zeit sind wir nun erstmals wieder in der Lage, aus eigener Kraft zu investieren. Es hat sich am Hockenheimring in den letzten Jahren viel getan. Wir haben ein Welcome-Center eröffnet, das uns gefehlt hat. Dazu kommen noch viele weitere bauliche Projekte, mit denen die Anlage in einen deutlich besseren Zustand kommt. Das war lange nicht möglich, auch wegen der Formel 1.

Es gibt immer mehr Aktivitäten am Hockenheimring, die mit Motorsport gar nichts zu tun haben. Wird der Motorsport immer unwichtiger für Sie?

Teske: Wir haben einen vollen Kalender, der auch voll mit Motorsport ist. Das Thema Konzerte spielt eine große Rolle. Wir hatten letztes Jahr die Premiere vom Glücksgefühle Festival, das wirklich fulminant eingeschlagen ist. Wir hatten Bruce Springsteen hier, der ja auch kein No-Name ist. Wir haben Breitensport, wir haben Laufsport, wir haben Messen, wir kümmern uns um das Thema Elektro-Mobilität – das ist schon ein rundes Programm. Den Claim "More than Racing" schreiben wir uns schon relativ lange auf die Fahne. In einer Zeit, in der der Motorsport stagniert, schauen wir natürlich immer, für wen wir mit unserer Infrastruktur noch interessant sein könnten.

Man hört immer wieder von Klagen der Anwohner über den Lärm. Ist zu befürchten, dass der Rennsport reduziert werden muss?

Teske: Natürlich gibt es immer Stimmen, die sich über den Lärm beschweren. Es hat sich vor nicht allzu langer Zeit aber auch eine Initiative Pro-Hockenheimring gebildet. Die Bevölkerung hat sich mobilisiert und uns eindrucksvoll gezeigt, wie viele Befürworter es eigentlich gibt. Es war ein gutes Gefühl, dass es nicht nur Nörgler und Zweifler gibt, sondern auch Leute, die sich hier wohlfühlen. Davon gibt es mehr als von denen, die den Betrieb einschränken wollen. Das kommt bei den Diskussionen leider oft zu kurz. Wir versuchen immer, den Dialog zu führen und zu zeigen, dass wir unsere genehmigten Lärmkontingente gar nicht ausschöpfen. Da liegen wir weit unter dem, was wir eigentlich dürften. Wir halten uns an das Regelwerk. Aber natürlich sind wir auch eine Rennstrecke.

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