Formel 1 bedauert fehlendes Interesse
Das Problem mit dem GP Deutschland

2020 war Deutschland für die Formel 1 ein dankbarer Notnagel. Derzeit sieht es danach aus, dass weder Hockenheim noch der Nürburgring mittelfristig wieder im Rennkalender landen. Das Formel-1-Management bedauert es. Man würde sich einen GP Deutschland wünschen, doch es fehle der Wille der Veranstalter.

GP Deutschland 2019 - Hockenheim
Foto: Wilhelm

Derzeit kann sich die Formel 1 vor Anfragen kaum retten. Der Kalender für 2022 hat 23 Plätze, doch rein hypothetisch könnte die Champions League des Motorsports mehr als 30 Spieltage veranstalten. Wenn sie jede Anfrage mit einem Ja beantworten würde. Doch mehr ist dem GP-Zirkus kaum zuzumuten. Das wissen die Macher. Deshalb denkt die Formel 1 für die Zukunft über ein Rotationsprinzip im Rennkalender nach. "Das ist eine Möglichkeit, mit der wir uns beschäftigen", bestätigt Formel 1-Chef Stefano Domenicali.

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Die Anfragen kommen von überall her. Aus Afrika. Aus Asien. Aus Amerika. Man hört von Interesse aus Südafrika, den Grand Prix-Zirkus zurückzuholen. Von Marokko als möglichem neuen Gastgeber. Dort fand 1958 ein einziges Mal ein Formel 1-Rennen statt. China hegt die Hoffnung auf ein zweites Rennen. Dafür muss Shanghai 2023 aber erstmal wieder stattfinden. Südkorea soll sich gemeldet haben.

Die USA hat 2022 Austin und Neuzugang Miami im Kalender. Das Formel 1-Management kokettiert bereits mit einem dritten Grand Prix in den Staaten. "Stand heute wäre der US-Markt bereit dafür", sagt Domenicali. "Mit Afrika stehen wir im Austausch. Wir denken über ein drittes Rennen in den USA nach, und über andere Länder im fernen Osten." Dann ein Nachsatz des Bedauerns: "Aber glauben Sie mir: Ich würde gerne Deutschland auf stabilen Füßen für eine lange Zeit bei uns sehen."

Start - GP Eifel - Nürburgring - Formel 1 - 2020
xpb
2020 rückte der Nürburgring in den Notkalender der Formel 1.

Kein finanzielles Risiko

Das Mutterland des Autos ist ins Hintertreffen geraten. 2019 fand in Hockenheim letztmals der GP Deutschland statt. Damals nur dank kräftiger Unterstützung von Mercedes. Im Vorjahr gastierte die Formel 1 in der Eifel. Der Nürburgring schaffte es verspätet in den Notkalender. Dank einmaliger Konditionen in einem Krisenjahr. 2021 fand keine der deutschen Rennstrecken Unterschlupf, weil die Gastgeber eines Grand Prix wieder zahlen müssen. Andere sind bereit, tiefer in die Tasche zu greifen. Die Formel 1 ist ein Geschäft: Natürlich nimmt man den, der mehr bezahlt. Und schmeißt nicht mit Rabatten um sich.

Sowohl Hockenheim als auch der Nürburgring führen das Argument der Finanzierung an. Es fehle die Grundlage, um einen Grand Prix jährlich zu bezahlen. Um nicht ins Risiko gehen zu müssen. Um sicher nicht mit Verlusten herauszugehen. Hockenheim rechnet vor, dass zwischen zehn und zwölf Millionen Euro fehlen würden, um mit wenigstens einer schwarzen Null herauszukommen. Das Antrittsgeld würde zwischen 25 und 30 Millionen US-Dollar betragen, heißt es von Insidern. Das sind umgerechnet (nach derzeitigem Kurs) zwischen 22 und 26 Millionen Euro.

Über Ticketverkäufe könne man etwa die Hälfte des Antrittsgeldes einspielen. Hockenheim hat eine Kapazität von 60.000 Sitzplätzen, kann das Kontingent über Stehplätze und Zusatztribünen aber erweitern. 71.000 Zuschauer zählten die Veranstalter am Rennsonntag 2018. 61.000 im Jahr darauf. Für den Grand Prix müsste die Strecke mit An- und Abbau etwa zwei Wochen gesperrt werden. Es fallen Kosten von etwa einer halben Million an. Für das ganze Drumherum noch einmal zwischen zweieinhalb und drei Millionen. Mit einem Durchschnittspreis von 200 Euro, auf das Wochenende gerechnet, lassen sich mit 60.000 verkauften Tickets 12 Millionen Euro erwirtschaften. Mit 70.000 sind es 14 Millionen. Andere Einnahme-Quellen sind zu vernachlässigen. Sie sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Fans - GP Deutschland 2019 - Hockenheim - Rennen
Wilhelm
2019 zählte der Hockenheimring 61.000 Zuschauer. Im Jahr davor waren es 71.000.

Hoffnung auf Weckruf

Mercedes an der Spitze. Sebastian Vettel bei Aston Martin. Mick Schumacher bei Haas: Das reicht den Verantwortlichen nicht aus. Es ist kein Zugpferd dabei wie einst Michael Schumacher. "Durch die hohe Antrittsgebühr ist die Formel 1 für uns leider kein Business Case", heißt es aus Hockenheim. Im Management der Formel 1 ist man dagegen überzeugt, dass sich ein Rennen in Deutschland stemmen lasse. Dass es sich auch rechnen kann, wenn man jeden Stein umdreht. Andere Länder bekämen die Finanzierung eines Grand Prix ebenfalls hin. Zuletzt verlängerte der GP Spanien den Vertrag bis einschließlich 2026. Und gab sogar die Zusage, in die Infrastruktur zu investieren. Wobei da in der Vergangenheit die katalanische Landesregierung unter die Arme griff.

Das ist ein bedeutender Unterschied. In der Region, in Baden-Württemberg, in der deutschen Poilitik allgemein gibt es zu wenige Unterstützer. Andere Nationen nutzen einen Grand Prix, um den Tourismus anzukurbeln. Deutschland nicht. "Wenn wir ein Rezept hätten, um das Rennen finanzierbar zu machen, hätten wir es längst angewendet", heißt es von Seiten der badischen Rennstrecke. Sponsoren würden inzwischen globaler denken. Ein Rennen im 20.000 Einwohner großen Hockenheim hätte da geringere Abstrahleffekte als eines zum Beispiel in den USA – auf einer viel größeren Bühne.

Domenicali bedauert das fehlende Interesse aus Deutschland, den Grand Prix zurückzuholen. "Insbesondere, wenn man sich das Interesse der Deutschen am Motorsport vor Augen hält. Das bedauere ich, weil ich persönlich der Meinung bin, und für die gesamte Motorsport-Industrie, dass sie nicht die passende Antwort an die so leidenschaftlichen Fans geben. Ich werde hart daran arbeiten, um auszuloten, was getan werden kann. Zusammen mit den Herstellern und unseren Partnern."

Denkbar wäre auch, dass sich die beiden Vorzeigerennstrecken Deutschlands abwechseln – wie früher. Das Finanzielle wäre dennoch weiter eine Hürde. Und es scheitert offenbar schon am Grundsätzlichen. Es heißt, Hockenheim wolle nicht, dass beispielsweise der Nürburgring unter der Flagge des GP Deutschland fahre. Die Hoffnung hat man in der Formel 1 noch nicht aufgegeben.

Vielleicht heizt ja ein möglicher Einstieg von Audi und Porsche das Interesse der Autonation an einem Rennen an. Domenicali sagt dazu: "Ich kann die Frage zur VW-Gruppe nicht beantworten, weil ich darüber nicht entscheide. Ich hoffe jedenfalls, dass jedes neue Element zu einem Weckruf führt. Damit sie ein Teil der Familie sein wollen. Das wäre mehr als willkommen. Mein größtes Bedauern überhaupt, ist es zu sehen, dass es vom deutschen Markt nicht dieses Interesse gibt, einen Grand Prix zu veranstalten." Hockenheim stimmt zu: "Es wäre denkbar, dass ein Einstieg einen Ruck auslöst. Das hoffen wir natürlich."