Neue Prototypen in der WEC 2024
Das krasseste Le Mans der Geschichte?

Der Boom des 24h-Klassikers von Le Mans geht unaufhaltsam weiter. Mit Alpine, BMW, Isotta Fraschini und Lamborghini treten 2024 gleich vier Neuzugänge in der Top-Klasse an. Auch prominente Fahrer wie Mick Schumacher, Robert Kubica, Jenson Button oder Daniil Kvyat stoßen zum Feld. Wir liefern den Überblick.

24 Stunden von Le Mans 2023 - Grid - Toyota GR010 Hybrid
Foto: xpb

Die neue, goldene Ära des Prototypen-Sports steht vor ihrer zweiten Saison. Nach der hart umkämpften Jubiläums-Ausgabe 2023 mit dem krönenden Ferrari-Comeback-Sieg explodiert die Le-Mans-Top-Klasse auf ein neues Rekordlevel. Allein in der Sportwagen-Weltmeisterschaft WEC treten 19 Hypercars an, für Le Mans selbst werden einige Ergänzungen erwartet. Als Hersteller sind für die 92. Ausgabe Alpine (Renault), BMW, Cadillac (GM), Ferrari, Lamborghini, Peugeot, Porsche und Toyota bestätigt. Hinzu kommt der Privatier Isotta Fraschini, der eigens eine Traditionsmarke wiederbelebt hat.

Unsere Highlights

Für die Flut an Hersteller-Projekten – die in der neuen Sportwagen-Klasse LMGT3 um die Namen Aston Martin, Corvette, Ford, Lexus und McLaren ergänzt werden – ist allen voran ein überarbeitetes Technik-Reglement verantwortlich. Um den Boom besser verstehen zu können, lohnt sich noch einmal ein kurzer Rückblick auf dessen Entstehung.

24 Stunden von Le Mans 2023 - Ferrari 499P - Porsche 963
Motorsport Images

Duell der Giganten: Durch das Zusammenlegen von LMH und LMDh kommt es wieder zum Klassiker-Kampf zwischen Ferrari und Porsche.

Erklärt: LMH vs. LMDh

Seit der vergangenen Saison besteht die Top-Klasse namens "Hypercar" aus zwei Technik-Konzepten: dem 2021 eingeführten LMH-Reglement mit den Vorzeigeautos von Ferrari, Peugeot sowie Toyota und dem 2023 ergänzten LMDh-Reglement, dessen Vertreter Cadillac und Porsche 2024 reichlich Zuwachs bekommen. Die Le Mans Hypercar (LMH) bietet mehr technische Freiheiten im Bereich von Aerodynamik, Chassis und Hybrid und erlaubt so auch private Konstruktionen wie den Isotta Fraschini.

Die herstellergetriebene LMDh ist aus Kostengründen stark reglementiert. LMDh-Autos nutzen dasselbe Hybrid-System und Chassis aus einem Pool von ausgewählten Lieferanten. Beide Konzepte entstanden bei der Suche nach einem Nachfolge-Reglement für die LMP1 und fanden schließlich als Kompromiss zueinander. Die LMH ist das Kind der FIA und des Le-Mans-Ausrichters Automobile Club de l‘Ouest (ACO).

Nachdem die Kosten der Hybrid-LMP1 von Audi, Porsche und Toyota massiv eskaliert waren, entschieden sich die Regelmacher, einen Mittelweg zu entwerfen. Das im Juni 2018 präsentierte Hypercar-Reglement sah allen voran längere Homologationszeiträume und ein Abrüsten bei der Performance vor. Der Name wurde hierbei bewusst gewählt: Straßen-Hypercars sollten ursprünglich starten dürfen. Sportpolitische, aber auch sicherheitsrelevante Themen ließen die Pläne jedoch lange in der Schwebe hängen. Nur der Le-Mans-Platzhirsch Toyota galt dank der Hybrid-Option als gesichert.

24 Stunden von Le Mans 2023 - LMP2-Feld
xpb

Ab 2024 sind LMP2-Autos zwar nicht mehr in der WEC zugelassen, aber in Le Mans ist die kleine Prototypen-Klasse weiter willkommen.

Technik-Ehe mit Streits

Parallel suchte der amerikanische Rennverband IMSA ein neues Prototypen-Reglement für seine heimische Meisterschaft. Die US-Techniker skizzierten eine Evolution der sogenannten DPi-Autos, für die bereits Zulieferer-Chassis vorgeschrieben waren. Ein einheitliches Hybrid-System und weitere optische Freiräume bei der Aerodynamik sollten neue Marken zu den Klassikern in Daytona, Sebring und Co. locken.

Gespräche zwischen an beiden Konzepten interessierten Herstellern und den Sport-Behörden führten nach viel Hin und Her zur Zusammenlegung. Seit Anfang 2023 sind die zwei Ansätze – die DPi 2.0 alias LMDh und die LMH-Racer – gleichberechtigt in der Sportwagen-WM WEC samt Le Mans und in der IMSA-Sportwagenmeisterschaft zugelassen. Der historisch bemerkenswerte Schulterschluss brachte nicht nur den Le-Mans-Rekordsieger Porsche (LMDh), sondern nach 50 (!) Jahren Pause auch Ferrari (LMH) in die Top-Klasse zurück.

Die beiden stehen allerdings stellvertretend für das massive Dilemma der Regelhüter. Mit einer Balance of Performance (BOP) müssen die unterschiedlichen Philosophien und Konzepte auf ein vergleichbares Level gebracht werden. Heißt: Der von einem 4,6-Liter-V8 befeuerte Porsche 963 mit zugeliefertem Chassis und Einheits-Hybrid hat grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen wie der Ferrari 499P – ein eigenständig entwickelter, semipermanenter Allrad-Prototyp mit einem drei Liter großen Hybrid-V6. Wie erwartet gab es beim ersten Aufeinandertreffen in Le Mans viele unglückliche Gesichter.

LMDh-Zuwachs soll ausbalancieren

Eine Hoffnung auf ein verbessertes Gleichgewicht der beiden Konzepte stellt der dreifache LMDh-Zuwachs durch Alpine, BMW und Lamborghini dar. Während BMW bereits in der vergangenen Saison Erfahrung in der IMSA sammeln und dort sogar mit Glück um den Titel kämpfen konnte, befinden sich der Alpine und der Lamborghini aktuell noch in der Testphase. Rein auf dem Papier ist der Isotta Fraschini zwar ein LMH-Auto. Die italienischen Ingenieure setzen allerdings auf viele Zulieferteile, was ihn zu einer Art Zwitter macht.

Damit verschiebt sich das nummerische Marken-Verhältnis in Richtung der LMDh (5:4). Deren Vertreter bemühten sich in der Spätphase der letzten Saison dementsprechend hinter den Kulissen um Zugeständnisse. Zur Erinnerung: Alle sieben Siege gingen an die andere Technik-Fraktion.

Toyota jubelte mit dem am besten entwickelten Renner GR010 Hybrid in Sebring, Portimão, Spa, Monza, Fuji und Bahrain. Ausgerechnet beim Saisonhöhepunkt in Le Mans stand jedoch ein Ferrari 499P an der Spitze. Das höchste der LMDh-Gefühle waren dritte Plätze. An der Sarthe konnte beispielsweise ein Cadillac das Podium komplettieren.

Ob der Plan eines besseren Gleichgewichts aufgeht, wird sich frühestens beim Auftakt in Katar (2. März) zeigen. Dort fahren die 19 Hypercars und 18 GT3-Maschinen entweder 1.812 Kilometer oder maximal zehn Stunden. Die erhoffte Distanz ist eine Anspielung auf den Nationaltag des Emirats am 18. Dezember. Die folgende Liste stellt die Vollzeit-Nennungen und damit die bereits bekannten Gesamtsieganwärter für die 24 Stunden vor.

WEC-Kalender 2024

Veranstaltung

Datum

Vortest in Katar

26./27. Februar

1.812-Kilometer-Rennen in Katar (maximal zehn Stunden)

2. März

6 Stunden von Imola

21. April

6 Stunden von Spa-Francorchamps

11. Mai

24 Stunden von Le Mans

15. - 16. Juni

6 Stunden von São Paulo

14. Juli

6 Stunden von Austin

1. September

6 Stunden von Fuji

15. September

8 Stunden von Bahrain

2. November

LMDh-Hersteller (5)

Nachdem 2023 mit Cadillac und Porsche nur zwei LMDh-Vertreter die Sportwagen-Weltreise angetreten haben, erhöht sich die Menge auf ein Quintett. Im Gegensatz zum reinen Werksfokus der LMH gibt es zudem mehrere Kundenautos von Porsche – ein Vorteil der Einheitsteile. Das Hertz Team Jota bringt jetzt zwei 963 an den Start, Proton Competition führt sein Einwagen-Programm fort.

Alpine A424 (Debüt: 2024)

Motor: 3,4-Liter-Turbo-V6

Chassis: Oreca

WEC-Einsatzteam: Signatech

Bekannte Fahrer: u.a. Mick Schumacher, Ferdinand Habsburg

Parallel zum Formel-1-Projekt gibt es auch auf der Langstrecke eine französische Nationalmannschaft. Nach einer Übergangssaison in der mittlerweile aufgelösten WEC-LMP2-Klasse kehrt die Sport-Marke von Renault 2024 wieder in die Hypercar zurück, in der bis 2022 noch LMP1-Renner erlaubt waren. Auch das neue Programm wird von den Spezialisten von Signatech geführt. Der Motor ist eine standhaftere Abwandlung des Formel-2-Aggregats von Mecachrome und leistet je nach BOP bis zu 700 PS. Wie bei den anderen LMDh-Autos ist er an einen Bosch-Hybrid-Zusatz gekoppelt.

Bei den Fahrern gelang der Truppe von Bruno Famin ein Coup. Durch die Verbindungen in die Formel 1 lotsten die Franzosen Mercedes-F1-Testfahrer Mick Schumacher in den A424. Er wird unter anderem auf den Österreicher Ferdinand Habsburg treffen. Zusammen mit vier Szene-erfahrenen Franzosen formen sie Fahrerpaarungen für zwei Nennungen. Ein IMSA-Einsatz ist 2024 nicht geplant.

Alpine-LMDh-Test - A424 - Jerez - Sportwagen-WM WEC
Alpine

Doppelte Formel-1-Connection an der Sarthe: Das Langstrecken-Team von Alpine tritt 2024 mit Mick Schumacher beim Klassiker an.

BMW M Hybrid V8 (Debüt: 2023)

Motor: 4-Liter-V8 mit Biturbo (auf DTM-Basis)

Chassis: Dallara

WEC-Einsatzteam: WRT

Bekannte Fahrer: u.a. Sheldon van der Linde, Dries Vanthoor, René Rast, Marco Wittmann

25 Jahre nach dem ersten Gesamtsieg in Le Mans kehrt BMW in die Top-Klasse zurück und setzt dafür auf die Lektionen aus einer Lernsaison in der IMSA. Da man von den vier Herstellern dort die kürzeste Vorbereitungszeit hatte, verlief die Debütsaison zwar phasenweise schwierig. Aber dank eines Erfolgs auf der Traditionsstrecke in Watkins Glen stimmte die spätere Performance des V8-Renners mit Riesen-Nieren eher zuversichtlich. Gleichzeitig bereitete die Einsatzmannschaft WRT das kommende WEC-Jahr vor.

Die Belgier, die in der LMGT3-Klasse außerdem die MotoGP-Legende Valentino Rossi für BMW betreuen, gelten als absolute Langstrecken-Könner. Nach Erfolgen mit dem Audi R8 wechselten sie jüngst zu BMW und sammelten in der Form von LMP2-Autos Prototypen-Erfahrung. Im Kader stehen durch Sheldon van der Linde, Marco Wittmann und René Rast gleich mehrere aktuelle DTM-Stars.

IMSA-Test 2023 - Daytona International Speedway - BMW M Hybrid V8
IMSA

Auch vom BMW M Hybrid V8 wird es eine Art-Car-Variante geben. Die leuchtenden Nieren gelten aber für sich bereits als Avantgarde.

Cadillac V-Series.R (Debüt: 2023)

Motor: 5,5-Liter-V8-Sauger

Chassis: Dallara

WEC-Einsatzteam: Chip Ganassi Racing

Bekannte Fahrer: u.a. Earl Bamber, Alex Lynn

Die IMSA-Meistermarke der Saison 2023 bestreitet mit einem verkleinerten Programm das zweite WEC-Jahr. Auch wegen der Formel-1-Vorbereitungen wird nur ein Vollzeit-V8-Bollerwagen die USA repräsentieren. Für die beste LMDh-Mannschaft (Rang 5) der abgelaufenen Saison bedeutet dies in Sachen Setup-Findung und Reifen-Know-how einen Rückschritt. Weitere Nennungen für Le Mans sind allerdings wie schon 2023 denkbar. Unter anderem konnten sich die US-Champions von Action Express Racing auf diesem Weg ihre Einladung sichern.

24 Stunden von Le Mans 2023 - Cadillac V-Series.R
xpb

Die Fans von herzhaftem V8-Gebrabbel dürfen sich auf die zweite Saison des Cadillac-LMDh freuen.

Lamborghini SC63 (Debüt: 2024)

Motor: 3,8-Liter-V8 mit Biturbo

Chassis: Ligier

WEC-Einsatzteam: Iron Lynx

Bekannte Fahrer: u.a. Mirko Bortolotti, Daniil Kvyat, Edoardo Mortara

Trotz der langen Rennsport-Historie von Lamborghini fällt das Kapitel zum Thema Le Mans bislang recht kurz aus. Mit dem neuen LMDh-Prototyp wagen die Italiener dementsprechend ihren größten Aufschlag und gehen zwei spezielle Wege: Statt auf die Konzern-Basis von Porsche zu setzen, wählte man den verbliebenen Chassis-Bauer Ligier und entwickelte einen neuen Motor. Als Einsatzteam wurde die GT3-Truppe Iron Lynx gewählt, welche 2024 zudem das GT3-Huracán-Projekt betreuen wird – darunter wieder das Frauenteam "Iron Dames".

Das Debütjahr des SC63 sieht in der IMSA und in der WEC jeweils ein Einwagen-Programm, in der IMSA jedoch nur in Sebring, Watkins Glen, Indianapolis und Road Atlanta. Der Fokus steht somit zunächst auf dem Sammeln von Daten. Ein zweites Auto in Le Mans könnte laut Motorsport-Boss Giorgio Sanna dennoch eine Option werden.

IMSA-Test 2023 - Daytona International Speedway - Lamborghini SC63
IMSA

Neben Alpine und BMW ist Lamborghini der dritte große Newcomer. Die Stier-Marke kam bislang gut durch die Testphase des SC63.

Porsche 963 (Debüt: 2023)

Motor: 4,6-Liter-V8 mit Biturbo

Chassis: Multimatic

WEC-Einsatzteam: Porsche Penske Motorsport (Kundenteams: Hertz Team Jota und Proton Competition)

Bekannte Fahrer: u.a. André Lotterer, Kévin Estre, Jenson Button (für Jota)

Während Cadillac schrumpft, rüstet Porsche dank eines dritten Kunden-963 weiter auf. Mit insgesamt fünf Rennern stellt Weissach so über ein Viertel des Feldes in der Top-Klasse. Die Werkstruppe selbst blickt auf ein nicht zufriedenstellendes Jahr 2023 zurück, das immerhin drei Siege in der IMSA brachte. Die Mannschaft unter Leitung von Urs Kuratle kündigte im Zuge des Saisonfazits an, die Lektionen in mehr Erfolge umsetzen zu wollen – allen voran bei den großen US-Klassikern und natürlich in Le Mans.

Dass auch das Kundenteam Jota, das sich 2024 mit dem Formel-1-Weltmeister Jenson Button verstärkt, auf Anhieb wettbewerbsfähig war, unterstreicht zumindest den Fortschritt nach Problemen in der Frühphase. Dazu hat Porsche Updates für den 963 vorbereitet, die den LMDh deutlich beherrschbarer machen sollen. Wie für BMW und Cadillac startet die Saison 2024 auch für Porsche mit den 24 Stunden von Daytona in der IMSA (27. bis 28. Januar).

24 Stunden von Le Mans 2023 - Porsche 963 - Porsche Penske Motorsport
Porsche

Die Rekordsieger von Porsche hinkten 2023 teilweise hinterher. Updates sollen den 20. Gesamtsieg in greifbare Nähe rücken.

LMH-Hersteller (4)

Während sich die LMDh-Marken mehr als verdoppelt haben, sinkt die Anzahl der LMH-Vertreter auf dem Papier. Der Kern bleibt mit Ferrari, Peugeot und Toyota stabil, die Privatiers Glickenhaus und Kolles mussten sich hingegen verabschieden. Der Amerikaner Glickenhaus zog aus Kostengründen den Stecker, die Bewerbung von Kolles wurde nicht akzeptiert. Einen Platz davon darf Isotta Fraschini auffüllen. Bei dieser Marke handelt es sich um die Neuauflage eines früheren italienischen Autobauers mit Gründungsjahr 1900.

Ferrari 499P (Debüt: 2023)

Motor: 3-Liter-V6 mit Biturbo

Chassis: Eigenbau

WEC-Einsatzteam: AF Corse

Bekannte Fahrer: u.a. Antonio Giovinazzi, James Calado, Alessandro Pier Guidi, Robert Kubica

Die amtierenden Le-Mans-Sieger wollen 2024 den nächsten Schritt gehen und auch die Weltmeisterschaft nach Maranello holen. Dafür wächst das Aufgebot auf drei Autos und um den ehemaligen Formel-1-Star Robert Kubica an. Hausaufgaben gibt es allen voran noch beim Verständnis der Reifen und der Strategie. Zudem ließen sich die Italiener zu stark von BOP-Diskussionen irritieren, was beim Heimspiel in Monza für reichlich böses Blut gesorgt hatte.

Trotzdem war das Gesamtpaket für den ersten Prototypen-Aufschlag in der Top-Klasse seit 50 Jahren eine Ansage. Die Konkurrenz zeigte sich mehrfach über die im 499P verbauten Ideen überrascht. Ein IMSA-Projekt wird weiter auf die lange Bank geschoben. Abseits des WEC-Gastspiels in Austin (1. September) gehen die US-Fans also auch 2024 leer aus.

Ferrari 499P - Le Mans 2023 - Vortest
Motorsport Images

Ferrari will 2024 nicht nur wieder in Le Mans glänzen, sondern auch die Weltmeisterschaft gewinnen.

Isotta Fraschini Tipo 6 LMH-C (Debüt: 2024)

Motor: 3-Liter-Turbo-V6

Chassis: Eigenbau (via Michelotto)

WEC-Einsatzteam: Duqueine Engineering

Bekannte Fahrer: u.a. Jean-Karl Vernay

Obwohl die WEC das Projekt von Isotta Fraschini als Hersteller-Nennung verkauft, handelt es sich hierbei um ein klassisches Privat-Programm. Der 1900 gegründete Autobauer wurde erst 2022 von Enthusiasten wiederbelebt und dient als prestigeträchtiger Rahmen für eine Kombination aus Rennstall und Sportwagen-Start-up. So gibt es bereits Testbilder eines Trackday- und eines Straßenablegers des Hypercars.

Beim reinrassigen Hybrid-Allrad-Renner bedienten sich die Ingenieure an der Technik-Stange. Soll heißen: Viele Teile des Tipo 6 brachten bekannte Zulieferer wie Bosch ein. Ursprünglich hofften die Italiener, schon 2023 in die WEC aufzusteigen, die Timeline schien dem ACO aber wohl zu ambitioniert. Dank zahlreicher Testkilometer und dem anerkannten Szene-Spezialisten Duqueine Engineering stimmen die Voraussetzungen nun. Der bisherige Fahrerkader kann mit der Werkskonkurrenz aber nicht mithalten.

Test - Isotta Fraschini Tipo 6 LMH-C
Isotta Fraschini

Auf dem Papier ist der Isotta Fraschini zwar ein LMH, aber die Ingenieure setzen auf viele Einheitsteile.

Peugeot 9X8 (Debüt: 2022)

Motor: 2,6-Liter-V6 mit Biturbo

Chassis: Eigenbau

WEC-Einsatzteam: Peugeot Sport

Bekannte Fahrer: u.a. Paul di Resta, Loïc Duval, Jean-Éric Vergne

Schlechte Nachrichten für alle Fans des Konzepts ohne Heckflügel: Ab dem zweiten Lauf in Imola (21. April) wird der 9X8 auf eine Version mit – zumindest nur kleiner – Platte wechseln. Angesichts einer schwierigen vollen ersten Saison sahen sich die Franzosen gezwungen, die Philosophie auf ein Update des Reglements anzupassen. Ursprünglich plante Peugeot für den Stand vor der LMDh, was auch den kompakteren Motor erklärt.

Immerhin beim Heimspiel in Le Mans zeigte das Programm aber Grund für Hoffnung. Die 9X8 hielten nicht nur durch, sondern auch längere Zeit mit. Trotzdem kann es nicht der Anspruch der früheren Gewinner sein. Der motorsportbegeisterte Stellantis-Boss Carlos Tavares machte dies intern mehr als deutlich.

Peugeot 9X8 - Le Mans 2023 -  Vortest
Motorsport Images

Ab Imola trägt der Peugeot 9X8 einen Heckflügel. Ein überarbeitetes Reglement macht die Änderung nötig.

Toyota GR010 Hybrid (Debüt: 2021)

Motor: 3,5-Liter-V6 mit Biturbo

Chassis: Eigenbau

WEC-Einsatzteam: Toyota Gazoo Racing

Bekannte Fahrer: u.a. Sébastien Buemi, Brendon Hartley, Kamui Kobayashi, Nyck de Vries

Die japanischen Weltmeister runden die große Liste ab. Trotz des früh absehbaren fünften Titels in Folge war die Laune in der Kölner Fabrik kurz vor und nach Le Mans mies. Man fühlte sich von einer BOP-Anpassung benachteiligt und hielt mit Klagen nicht zurück. Sogar Big Boss Akio Toyoda las dem ACO die Leviten und unterstrich sein Misstrauen hinter den Kulissen, aber auch öffentlich. Für den ACO war dies ein kritischer Moment, da der Weltkonzern eine treibende Kraft der Wasserstoff-Pläne ist.

Auch wenn die BOP-Grabenkämpfe 2024 weitergehen werden, scheint die Lage nun etwas entspannter. Toyota wird neben den zwei Hypercars durch Lexus in der LMGT3 vertreten sein. Dort fährt nun José Maria López, Nyck de Vries rückt dafür in das Line-up auf.

Wie geht es weiter?

Auch wenn Stand jetzt die Marken-Flut zukünftig abflachen wird, steht mindestens ein weiterer Hersteller vor der Teilnahme in Le Mans. Nachdem der erste Versuch aus politischen Gründen gescheitert war, bringt Aston Martin nun doch eine LMH-Version des Valkyrie an den Start.

Die englische Sportwagenschmiede will ab dem Jahr 2025 "mindestens mit einem Auto" in den beiden großen Sportwagen-Meisterschaften antreten. Neben der WEC peilt sie so auch Erfolge bei den IMSA-Klassikern in Daytona und Sebring an. Aston Martin wäre somit die erste Marke, die einen LMH-Prototyp doppelt einsetzt. Als Rennteam wurde bereits "Heart of Racing" vorgestellt.

Ebenfalls einmalig ist die Wahl des Antriebs. Entgegen des Hybrid-Trends fiel sie auf einen "stromlosen" 6,5-Liter-V12, der für seine Rennsport-Zukunft wohl ordentlich eingebremst werden muss. Aston Martin betont diesbezüglich: "Das Valkyrie-Rennauto wird das erste reinrassige Hypercar sein, das in beiden Meisterschaften antritt und seine Wurzeln in einem existierenden Produktionsauto hat." Die anderen bisher bekannten neun Hersteller nutzen entweder LMDh-Autos auf LMP2-Basis oder entwickelten ihr Hypercar nur für den Wettbewerb bzw. für Trackday-Raketen.

Daneben halten sich die Gerüchte rund um die englische Sportwagen- und Formel-1-Konkurrenz von McLaren, die schon länger mit einem LMDh-Projekt liebäugelt. Zak Brown selbst fachte die Hoffnungen immer wieder mit Statements an. Ein erster Schritt könnte die Aufnahme des Evo-720S in die GT3-Klasse gewesen sein. Deutlich einfacher hätte es hingegen Honda bzw. Acura. Deren Renner geht schon in seine zweite IMSA-Saison und hätte angesichts eines Siegs in Daytona die richtigen Voraussetzungen. Hier blocken aber noch konzerninterne Diskussionen einen potenziellen Frankreich-Trip.

Die Hoffnungen in der Szene sind damit groß, dass die goldene Ära noch länger andauern wird – trotz unweigerlich kommenden Ausstiegen von Herstellern. Aber erst steht das zweite Le Mans unter neuen Vorzeichen an. Die Tickets dafür waren im Übrigen noch schneller ausverkauft als vor einem Jahr.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten