sport auto-VLN/24h-Projekt 2012
Audi TT RS Rennwagen als Studenten Futter

Inhalt von

Erst gab es ein Fertiggericht von Honda - den Civic Type-R. Dann durften sich die Studenten der FH Köln am Aufbau eines Ford Focus RS laben. Nun steht mit dem neuen Audi Kundensportmodell TT RS erstmals ein veritabler Rennwagen in der Garage für die VLN und das 24h-Rennen am Nürburgring. Knabberzeug der etwas anderen Art.

Audi TT RS, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Mit allzu großer Nähe ist das so eine Sache. Wenn alles passt, man sich sympathisch ist und wohlwollend gegenüber steht, dann birgt das enge Miteinander durchaus Chancen. Stärken und Schwächen sind schnell entdeckt - jeder weiß, woran er beim anderen ist. Schwierig wird‘s erst, wenn Missgunst ins Spiel kommt.

Bei den Teams von Raeder Motorsport und FH Köln Motorsport war letzteres glücklicherweise nie der Fall. Im Gegenteil. Und das obwohl sich das inzwischen zum Entwicklungspartner der Audi quattro GmbH aufgestiegene Profi-Team und die rheinische Nachwuchs-Truppe im vergangenen Jahr in der Klasse SP4T der Langstreckenmeisterschaft am Nürburgring (VLN) als direkte Konkurrenten gegenüberstanden. Die einen gingen mit dem Prototypen eines neuen Kundensport-Rennwagens neue Wege. Die anderen hatten sich erstmals selbsttätig, wenngleich mit materieller Unterstützung von Ford, am Aufbau eines Focus RS versucht.

Unsere Highlights

Unterstützung von der Konkurrenz

Berührungsängste waren dennoch keine da. Grund hierfür mögen die gemeinsamen Wurzeln sein: Auch Team-Chef Nicholas Raeder erwarb sein Wissen einst im Bereich Fahrzeugtechnik an der FH Köln und kennt Professor Frank Herrmann, den Mann, der das Studenten-Team vor fünf Jahren ins Leben rief, daher aus eigenem Erleben. Ergo ging in Box 23 im vergangenen Jahr der hilfreich-nachbarschaftliche Umgang klar vor bedingungslosem Konkurrenzdenken. Die Raeder-Truppe stand dem Studenten-Team stets mit Rat und Tat zur Seite. Mehr noch - sie legte auch bei ihrem Partner, der in Neckarsulm beheimateten Audi-Sportdependance quattro GmbH, ein Wort für die angehenden Ingenieure ein. Nur für den Fall, dass die sechs im vergangenen Jahr herausgefahrenen Klassensiege und die direkte Beobachtung in der Box noch nicht genug überzeugt haben sollten.

Heraus kam eine in der Geschichte des Teams FH Köln Motorsport bislang einmalige Allianz, die Stephan Reil, seines Zeichens Entwicklungschef der quattro GmbH, wie folgt beschreibt: „Die Kooperation zwischen der FH Köln und der quattro GmbH ist eine klassische win-win-Situation. Wir fördern den Ingenieur-Nachwuchs und geben den jungen Studenten die Möglichkeit, ihr theoretisches Wissen in der Praxis anzuwenden. Im Gegenzug erhalten wir Datenmaterial und weitere Informationen über unser Rennfahrzeug.“

Um sicherzustellen, dass auch die angehenden Ingenieure von Beginn an ausreichend über die Technik des 377 PS starken frontgetriebenen High-Tech-Renners informiert sind, durften sie beim Aufbau des ersten Serien-Audi TT RS-Kundensportlers tatkräftig mitwirken. In einem eigens abgetrennten Teil der Werkhalle in Heilbronn-Biberach lernten die Kölner die Schaltkreise und Filigrantechnik des ersten reinrassigen Rennwagens ihrer Vereinsgeschichte Ende Februar/Anfang März 2012 hautnah kennen.

Aufbau des Audi TT RS Rennwagens

Wie viel Sinn es macht, ein solches Auto nicht als Blackbox vor die Tür gestellt zu bekommen, sondern von der Pike auf zu begleiten, zeigte sich zum Saisonauftakt. Weil das Team des Audi Kundensport-Zentrums mit dem Aufbau und der Wartung der weltweit eingesetzten Audi R8 alle Hände voll zu tun hatte, trat der erste Audi TT RS seinen Roll-out nämlich später als geplant an. Das Auto traf erst einen Tag vor den Test- und Einstellfahrten am Nürburgring in der FH ein.

Kein Problem, sollte man denken - schließlich hatte die Raeder-Crew das gute, in den Händen von Profis gar zum Gesamtsieg fähige Stück im vergangenen Jahr ja hinlänglich auf Herz und Nieren geprüft. Die beiden Stammfahrerinnen des FH-Teams sahen den ersten Runden in ihrem neuen Arbeitsgerät daher ebenso gelassen entgegen wie Fahrer-Neuzugang Adam Osieka.

Tatsächlich kam der leistungsstarke Fronttriebler, der dank seiner höchst ausgefeilten Aerodynamik, des exzellent abgestimmten KW-Fahrwerks und des von Drexler Motorsport zugelieferten sequenziellen Renngetriebes nebst Sperrdifferenzial das Zeug dazu hat, selbst deutlich stärkere Hecktriebler auf der Strecke nachhaltig zu ärgern, dann aber doch nur zögerlich ins Rollen.

Nach Startschwierigkeiten zum Erfolgs-Renner

Wie es sich für ein hoch modernes Rennfahrzeug gehört, machte anfangs vor allem die Elektronik Ärger. Beim Übergang vom Prototypen zum Serienstand waren über den Winter Modifikationen erfolgt, die ihre Bewährungsprobe erst noch bestehen mussten. Insbesondere das nun verbaute Serien-Steuergerät und die von Bosch zugelieferte zentrale Anzeigeneinheit namens DDU7, die als Informationsschnittstelle zwischen Fahrzeug und Fahrer fungiert, zeigten sich den Härten des Rennbetriebs anfangs nicht gewachsen. Die Raeder-Autos des vergangenen Jahres hatten an diesen Stellen noch auf Prototypen-Bauteile respektive das im Audi R8 hinlänglich erprobte Elektronik-Display mit der Kennziffer 8 vertraut.

Pünktlich zum ersten VLN-Rennen 2012 schien der elektronische Fehlerteufel dank der tatkräftigen Unterstützung der Audi Kundensport-Betreuer dann jedoch erlegt zu sein. Erstmals durfte das FH-Team seinen Renner nach dem Qualifying in der ersten Startreihe der zweiten Startgruppe abstellen - direkt neben dem Raeder-TT RS.

Dem viel versprechenden Startturn von Daniela Schmid folgte dann jedoch die Ernüchterung. Der Ausfall des berühmten Pfennig-Artikels führte zu Problemen bei der Spritversorgung und verhinderte eine erfolgreiche Zielankunft. Lange musste das schwäbisch-rheinische Gespann indes nicht auf den ersten Jubel warten. Nachdem der Raeder-Audi TT RS von Deegener/Wohlfarth im zweiten Rennen einem technischen Defekt erlag, war der Weg für den weiß-roten Newcomer frei.

Der erste Klassensieg und Rang 20 im Gesamtklassement machten Lust auf mehr. Beim dritten VLN-Rennen fuhr der Audi TT RS dann auf Platz zwei in der Klasse und erreichte einen sehr guten 18. Gesamtrang unter den über 200 Teilnehmern. Nächster Renneinsatz des Audi TT RS ist beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring - wo wir Live über das Auto aus Box und Cockpit berichten.

Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten