Die Branche arbeitet an der Feststoffbatterie
VW schießt 200 Millionen in Firma für Super-Akkus

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Die Feststoffbatterie soll die Reichweite von Elektroautos ohne die Brandgefahr aktueller Lithium-Ionen-Akkus verdoppeln. Toyota will 2025 in Serie gehen, VW investiert jetzt 200 Millionen in QuantumSpace.

Mercedes Prologium Feststoff-Akku Festkörper-Batterie Entwicklungspartnerschaft
Foto: Mercedes

Feststoffbatterien gelten als Heilsbringer, um elektrische Fortbewegung massentauglich zu machen. Vor allem dann, wenn es nicht gelingen sollte, den Kunden die oft vorhandene Angst vor zu wenig Reichweite zu nehmen und deren Verhalten auf mehrere – wenn auch nur kurze – Ladevorgänge zu ändern.

VW investiert Milliarden

Mit einer Feststoffbatterie sollen innerhalb von nur einer Minute am Schnelllader mehrere Hundert Kilometer Reichweite gezapft werden können. Auch Volkswagen-Chef Herbert Diess glaubt an den Durchbruch der Feststoffbatterie im kommenden Jahrzehnt. Der Wolfsburger Konzern wollte wie schon auf der IAA im September 2017 kommuniziert, in den kommenden Jahren 50 Milliarden Euro in die Batterieforschung und -entwicklung stecken.

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Bei der Feststoffbatterie möchten die Wolfsburger, anders als es bei der Strategie der meisten Autohersteller bei den aktuellen Lithium-Ionen-Akkus den Anschein hat, von Anfang an ganz vorn dabei sein. Darum stockt der Konzern seine Beteiligung an QuantumScape auf und investiert bis zu weitere 200 Millionen US-Dollar in den US-Batteriespezialisten, wie VW Mitte Juni 2020 bekannt gab. Ziel sei es, die gemeinsame Entwicklung der Feststoffzellen-Technologie voranzutreiben. Feststoffbatterien sollten in Zukunft Reichweiten deutlich vergrößern und Ladedauern weiter verkürzen. "Wir machen mit unserem Partner QuantumScape technologische Fortschritte. Das zusätzliche Investment wird unsere gemeinsame Entwicklungsarbeit nachhaltig stärken und beschleunigen", sagt Thomas Schmall, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen Group Components, der die Verantwortung für die Batterie innehat.

Produktion von Feststoffzellenbatterien mit Hilfe von US-Spezialist

Der Volkswagen Konzern arbeitet bereits seit 2012 mit QuantumScape zusammen und ist mit seinem Investment von bislang mehr als 100 Mio. US-Dollar der größte automobile Anteilseigner. Der Vollzug der neuen Investition von bis zu weiteren 200 Mio. US-Dollar und der damit verbundenen Anteilsaufstockung stehe allerdings noch unter verschiedenen aufschiebenden Bedingungen, so der Konzern. Beide Unternehmen gründeten bereits 2018 ein Gemeinschaftsunternehmen, das die Großserienfertigung von Feststoffbatterien für Volkswagen vorbereiten soll. Die Partner streben den Aufbau einer Pilotproduktion an. Die Pläne sollen noch in diesem Jahr konkretisiert werden.

"Volkswagen führt die Elektromobilität in die Breite. Eine starke Aufstellung beim Thema Batterie ist hierfür mitentscheidend", sagt Frank Blome, Leiter der Geschäftsfeld Batteriezelle der Volkswagen Group Components. "Wir sichern mit leistungsfähigen Lieferanten unsere weltweite Versorgung, bauen schrittweise Fertigungskapazitäten auf und wir treiben die Entwicklung der Zukunftstechnologie Feststoffzelle voran. Hierbei setzen wir auf langfristige strategische Partnerschaften." In der Feststoffbatteriezelle sieht VW den aussichtsreichsten Ansatz für die Elektromobilität der übernächsten Generation.

Früheren Angaben der Unternehmen zufolge würde sich die Reichweite des E-Golf durch den Einsatz einer Feststoffbatterie "von derzeit 300 auf ca. 750 Kilometer" erhöhen. Übersetzt auf den demnächst auf die Straße rollenden ID.3 wären dann Reichweiten im Bereich von mehr als 1.000 Kilometer möglich.

Toyota plant Feststoffbatterien für 2025

Konkurrent Toyota will im Jahr 2025 Serienfahrzeuge mit Feststoffbatterien anbieten. Damit scheint der japanische Konzern bei der Entwicklung von Elektroautos direkt auf die Überholspur ausscheren zu wollen. Bislang vertraut Toyota vor allem auf die einst mit dem Prius etablierte Hybrid-Technik und Plug-in Hybride. Kooperationspartner von Toyota bei der Entwicklung von Batteriechemie ist BMW. Den Schwerpunkt legen beide Unternehmen aktuell noch auf Lithium-Ionen-Akkus. Das erste E-Auto von Toyota (mit Lithium-Ionen-Akkus) soll in Europa noch 2020 als Lexus UX 300e auf den Markt kommen. Allerdings wollte Toyota anlässlich der (abgesagten) olympischen Spiele auch eine serienreife Feststoffbatterie vorstellen.

Renault-Nissan-Mitsubishi investierte ebenfalls

2018 hat auch die französisch-japanische Auto-Allianz in die Entwicklung von Festststoffbatterien investiert – in Form einer Beteiligung am ebenfalls US-amerikanischen Unternehmen Ionic Materials, das die Feststoffbatterie zur Serienreife entwickeln will. Die Beteiligung ist Teil eines eine Milliarde Dollar schweren Investitionsplanes in vielversprechende Start-ups – angekündigt vom inzwischen angeklagten und flüchtigen Ex-Chef Carlos Ghosn.

Was ist das Besondere an der Feststoffbatterie?

Neben den Reichweiten-Vorteilen verspricht die Feststoffzelle auch weniger Schlagzeilen zum Thema Brandgefahr – Berichte von schwer zu löschenden Elektroautos mit durchbrennenden Lithium-Ionen-Akkus bleiben genauso in Erinnerung wie Warnungen von Airlines, dass bestimmte Smartphone-Typen aufgrund von Feuergefahr nicht an Bord ließen.

Brandgefährlich ist im Fall herkömmlicher Lithium-Ionen Akkus die Batterieflüssigkeit, die als Leitmedium zwischen den beiden Elektroden (Plus- und Minuspol) fungiert. In der Flüssigkeit, die auch eine gelartige Konsistenz haben kann, sogenannten Elektrolyten, bewegen sich die Ladungen.

Wird eine Batterie innerlich beschädigt und erleidet einen Kurzschluss, überhitzt durch massive Sonneneinstrahlung oder sonst wie, kann sich der flüssige Elektrolyt entzünden, dann ist der Akku schwer zu löschen – am besten geht das, wenn er komplett in ein Wasserbecken getaucht wird – was mit einem Auto nicht immer schnell möglich ist.

Ein Akkupack mit flüssigem Elektrolyt braucht zudem einen Kühlkreislauf, was Bauraum kostet und das Gewicht erhöht. Das feste Leitmedium zwischen Plus- und Minuspol bedarf keiner zusätzlichen Kühlung, zudem hat es eine höhere Energiedichte. Man kann also mehr Strom in das gleiche Volumen "pressen" als bei einer Flüssigkeit.

Die Feststoffbatterie schlägt somit mehrere Fliegen mit einer Klappe. Sie ist nicht nur wesentlich sicherer als die aktuellen Akkus, sondern bietet auch mehr Reichweite – bei kleinerem Volumen. Ein großer Nachteil der Festkörperbatterie ist aber bislang die geringe Stromstärke, mit der sie be- oder entladen werden kann.

Viel Forschung an der Feststoffzelle

Diese Schwachpunkte sind Gegenstand umfangreicher Forschungen, so etwa am Fraunhofer Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg. Gemeinsam mit dem Batteriehersteller Varta und weiteren Kooperationspartnern wurde ein Konsortium namens Solid gegründet, um Akkus auf Basis von Sol-Gel-Materialen mit Lithium-Metallanode zur Serienreife zu entwickeln. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt mit 3,2 Millionen Euro.

Einem Team des Forschungszentrums Jülich ist nach eigenen Angaben jetzt ein Durchbruch auf dem Weg zur Praxistauglichkeit von Festkörper-Batterien gelungen. Sie fanden durch eine spezielle eine Lösung, um zehnmal höhere Lade- und Entladeströme zu ermöglichen. Das Jülicher Forscher-Team setzt auf Komponenten aus Phosphatverbindungen.

China als Vorreiter bei Feststoffbatterien?

Medienberichten zufolge forschen entwickeln auch chinesische Unternehmen an Feststoff-Akkus. Die Firma Qing Tao Energy Development, eine Ausgründung der technischen Universität Tsinghua, kann angeblich aktuell Feststoffbatterien mit einer Gesamtkapazität von 100 MWh pro Jahr herstellen. Das würde für gerade mal 2.000 Elektroautos ausreichen. Ca. 144 Millionen Euro sollen in die Produktionsanlage investiert worden sein, in der Probeläufe für eine Serienfertigung starten. Bis zum Jahr 2020 planten die Chinesen eine Ausweitung der Produktionskapazität auf 700 MWh.

Gesicherte Informationen aus erster Hand gibt es nicht, auch nicht zur angeblichen Energiedichte, die mit 400 Wattstunden pro Kilogramm Batteriegewicht deutlich über der aktueller Lithium-Ionen-Akkus (250 – 300 Wattstunden) liegen soll.

Kommen die ersten Feststoffbatterien von Samsung?

Meldungen zur Forschung am Nachfolger der Lithium-Ionen-Technik kamen zuletzt auch aus Korea. Das Samsung Advanced Institute of Technology (SAIT) meldete im März 2020 den Bau eines "bahnbrechenden" Prototypen. Projektleiter Dongmin Im ist zuversichtlich: "Das Produkt dieser Studie könnte der technologische Grundstein für sicherere Hochleistungsbatterien der Zukunft sein". Aber der Prototyp ist längst nicht marktreif. Es braucht noch etliche Überarbeitungen und im Anschluss müssen die Koreaner Produktionsprozesse für die Massenfertigung entwickeln.

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Fazit

Enorme Investitionen und umfangreiche Forschungsaktivitäten lassen die Feststoffbatterie als die Zukunfts-Technologie für die Akkus von Elektroautos erscheinen. Wann sie wirklich serienreif wird, bleibt allerdings noch unklar – ein Hinweis darauf, dass der vielversprechendste Technologiepfad noch nicht identifiziert ist. Damit bleibt auch die für die Autoindustrie spannendste Frage unbeantwortet: Wer kommt am schnellsten zum Ziel?