Elektroauto-Anteile bei BMW, Mercedes, VW
Bei wem und warum es kein Verbrenner-Ende gibt

2020 gab es in Europa den ersten Boom für Elektroautos. Trotzdem setzen viele Hersteller auch in Zukunft auf Benziner und Diesel. Welche, warum und muss das sein?

Hersteller Verbrenner Ausstieg Elektromobilität Zukunft Strategie
Foto: Hersteller / Patrick Lang

2020 ging der Autoabsatz in Deutschland pandemiebedingt um 19 Prozent zurück. Der von Verbrennermodellen sank gar um 33 Prozent, während E-Autos um 207 Prozent zulegten und Plug-in-Hybride (PHEV) gar um 347 Prozent.

Offenbar davon inspiriert fordern etliche Umweltverbände, man solle doch aufhören, weiter an der Sackgasse Verbrennungsmotor herumzuentwickeln und sich lieber auf die Zukunftstechnologie Elektroantrieb fokussieren. Jedes Land und jeder Hersteller, der ein Enddatum für den Verkauf von Benzinern und Dieseln fordert, wird eifrig beklatscht.

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Was bringt ein Verbrenner-Verbot oder -Ende?

Dabei ist Experten längst klar, dass nicht das komplette Ende des Verbrenners das Klima rettet, sondern wenn überhaupt die möglichst schnelle Zunahme an E-Autos. Und die streben auch die meisten Hersteller an, viele haben ihre Ziele jüngst nach oben geschraubt. VW-Markenchef Ralf Brandstätter beispielsweise sagte am 5. März 2021, im Jahr 2030 solle der Anteil an E-Autos bei 70 Prozent liegen, bisher war von 35 Prozent die Rede. Selbst in den USA und China will die Marke bis dahin einen Elektroanteil von mehr als 50 Prozent realisieren.

BMW will die CO2-Emissionen seiner Neufahrzeugflotte bis 2030 um 40 Prozent je gefahrenen Kilometer senken. Das setze einen hohen Anteil an elektrifizierten Fahrzeugen voraus. "In Europa wird dies bis 2021 ein Viertel sein, bis 2025 ein Drittel und bereits die Hälfte noch einmal fünf Jahre später". Elektrifiziert heißt nicht rein elektrisch, sondern bezieht die PHEV mit ein. Aber es wird erwartet, dass BMW-Chef Oliver Zipse die Zahlen noch im März nach oben korrigiert. Und ab 2025 auf den Markt kommende Modelle sollen auf einer neuen, electric first entwickelten Plattform stehen.

Auch bei Konkurrent Daimler nimmt die Umstellung mehr Fahrt auf: Am Freitag einigte sich Mercedes mit seinen Beschäftigten, das Motorenwerk in Stuttgart-Untertürkheim auf Elektromobilität umzurüsten: "Wir haben keine Zeit, um noch länger zu warten. Alle müssen anerkennen, dass der Wandel hin zu Elektromobilität vielleicht schneller kommt. Wir bereiten uns jedenfalls auf eine frühere Umstellung vor", sagte Daimler-Entwicklungschef Markus Schäfer dem Handelsblatt.

Welche Autobauer sich wann vom Verbrenner verabschieden

Aber trotzdem hat keiner der Hersteller bisher ein Enddatum für die Verbrennungsmotoren-Produktion angegeben. Bei Mercedes kommen die Vierzylinder-Verbrenner für die neue Mercedes Modular Architecture (MMA) nur künftig aus einem Joint-Venture mit Geely und Volvo in China; die Chinesen halten einen 10-Prozent-Anteil an Daimler. Und BMW entwickelt die neue Architektur (CLAR III) zwar electric first, aber sie soll wie die MMA auch Verbrennungsmotoren tragen können.

Aber warum halten die Hersteller am Benziner (am Diesel immer weniger) fest, wo es doch mit der EU7-Abgasnorm (wohl ab 2025) immer aufwändiger wird, gesetzeskonforme Verbrennungsmotoren zu entwickeln? Wäre es da nicht rentabler, alle Investitionen in die neuen Antriebe zu stecken und sich wie Volvo (2025), Jaguar (2030) und sogar GM (2035) zum Abschied vom Verbrenner zu bekennen?

Die Antwort ist eine Gegenfrage: Was bringt der angekündigte Tod des Verbrenners? Die seit Jahren schrumpfende Marke Jaguar sieht ihr Heil in der Neupositionierung als E-Auto-Label; die zuletzt marginalen Stückzahlen können die Briten vermutlich auch ohne Verbrenner erreichen; die verkauft Konzernschwester Land Rover weiter, so dass der Konzern universell aufgestellt bleibt. Auch Volvo-Entwicklungschef Henrik Green sagte im Interview mit auto motor und sport: "Volvo sieht für sich einfach größere Wachstumschancen bei rein elektrischen Fahrzeugen als bei konventionellen Antrieben". Damit lohnt sich der Ausstieg um so mehr, je schneller er kommt, weil man sich den Entwicklungsaufwand für den absehbar kleineren Absatzanteil früher sparen kann.

Nicht jeder Markt kann was mit E-Autos anfangen

Das ist aber für BMW oder VW keine Option. Sie sind auf zu vielen Märkten erfolgreich, auf denen der E-Antrieb wenn überhaupt noch lange keine große Rolle spielen wird. Für Russland oder den nahen Osten muss BMW zum Beispiel selbst vor der Einstellung des V12-Motors noch mal rechnen. Und in den meisten Ländern Südamerikas wird eine Ladeinfrastruktur noch sehr lange nicht flächendeckend sein. Autos braucht man dort dennoch. VW wird also Bestseller wie den Passat oder den Golf noch mal neu auflegen, wie Ralf Brandstätter bei der Vorstellung des Projekts Trinity eigens bekräftigte.

Das einzige Enddatum, das VW-Chef Herbert Diess angekündigt hat: Die letzte Verbrenner-Plattform neu entwickeln will der Konzern 2026 – im selben Jahr, in dem das erste Serienauto aus dem Projekt Trinity auf den Markt kommen soll, dass dann schon die erste große Weiterentwicklung des Modularen Elektrobaukastens (MEB) nutzt und bei Reichweite sowie Ladegeschwindigkeit noch mal einen großen Fortschritt bringen soll. Normale Produktzyklen vorausgesetzt gäbe es somit auch 2033 ein Modell von VW, das zumindest auch einen Verbrenner trägt – und wenn es Not tut, lässt sich die Bauzeit sicher ein wenig strecken.

BMW und Daimler mit Misch-Plattformen

BMW kann bis 2026 sehen, wie viel Verbrenner-Varianten auf der neuen electric first entwickelten Architektur der Weltmarkt noch braucht, Mercedes kann mit der MMA für den Volumenmarkt genauso verfahren und vielleicht erlauben Fortschritte in der Batterietechnologie bis dahin auch für ein E-Auto in der Größe und mit der Stirnfläche eines Land Rover Defender vertretbare Reichweiten. Wenn nicht, wird man froh sein, die ganze Entwicklungsarbeit am Verbrenner noch nicht weggeworfen zu haben – und sei es nur, um für große SUV sparsame Range-Extender zu bauen, deren CO2-Bilanz vermutlich nicht schlechter sein wird als die einer Brennstoffzelle.

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Fazit

Es ist wichtig, den E-Anteil an der Neuwagenproduktion jetzt zügig zu erhöhen, denn die Lebensdauer eines Autos liegt bei mehr als 13 Jahren – 2034 könnte die Stromproduktion so grün sein, dass die CO2-Emissionen beim Fahren eines E-Autos nur noch einen Bruchteil von denen eines Verbrenners betragen.

Aber ein Verbrennerverbot oder ein Ausstiegszeitpunkt für Hersteller wird den E-Auto-Anteil weltweit nicht erhöhen – denn ohne Infrastruktur macht der neue Antrieb für keinen Käufer Sinn und die muss es halt auch geben.

In Europa hingegen spielt die Zeit ohnehin fürs E-Auto und der Verbrenner kommt auch ohne Verbot immer mehr unter Druck. Einerseits wegen der weiter strenger werdenden Abgasvorschriften (Euro 7), andererseits wegen der fehlenden Zukunftsperspektive. So sagt Frank Schwope, Analyst der Nord-LB bei der Einschätzung der Volkswagen-Geschäftszahlen: "Bald kann man sich nicht mehr sicher sein, ob man sein Auto mit Verbrennungsmotor noch verkaufen kann".