ZF-Getriebe für Elektroautos
Zwei Gänge für mehr Reichweite

Auch bei Elektroantrieben kann ein Getriebe sinnvoll sein. Zulieferer ZF hat jetzt ein Zweigang-Getriebe entwickelt und vorgestellt, das wir in einem Prototypen erproben durften.

ZF Zweigang-Getriebe für Elektroautos
Foto: ZF

Mit steigender Elektrifizierung unserer Autos wird der Markt für die Zulieferer immer härter, schließlich werden einige Komponenten im Pkw schlicht überflüssig. Nicht jedoch das Getriebe. Zwar kommen aktuelle Elektroautos ohne klassisches Schaltgetriebe aus, Untersetzungs- oder Verteilgetriebe sind aber durchaus nötig. ZF stellte nun jüngst zudem ein Zweigang-Getriebe vor und wir durften bereits im Prototypen mitfahren. Denn in Hinblick auf die Effizienz und ein breiteres Einsatzspektrum werden künftig wohl auch Mehrgang-Getriebe für E-Autos unumgänglich.

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Mehr Gänge für weniger Leistung

Warum? Weil die Entwickler bei Elektromotoren derzeit einen Kompromiss eingehen müssen. Zwar können E-Motoren auch unter Last aus dem Stand hohe Drehmomente entwickeln, das geht dann aber zu Lasten einer höheren Endgeschwindigkeit. Steht dagegen die Performance im Vordergrund, müsste das Anfahrdrehmoment gedrosselt werden, womit das Rollen an Steigungen oder Anfahren am Bordstein Probleme machen könnte. Aktuell lösen die Hersteller das teils mit insgesamt stärkeren Motoren.

Eine Alternative wäre eben ein Getriebe mit mehreren Gängen, das die Drehzahl öfter im effizienten Bereich hält. ZF hat hierzu einen Zweigang-Antrieb entwickelt, der ein zweistufiges Schaltelement mit einer neuen elektrischen Maschine sowie passender Leistungselektronik kombiniert. Der Motor leistet bis zu 140 kW, es ist aber auch denkbar, noch leistungsstärkere E-Maschinen mit bis zu 250 kW zu integrieren.

Bis zu fünf Prozent mehr Reichweite

ZF Zweigang-Getriebe für Elektroautos
ZF
Das Display im Armaturenbrett zeigt, ob sich der Antrieb im optimalen Bereich befindet.

Alles schön in der Theorie, doch wie fährt sich das Ganze? Wir steigen auf der Beifahrerseite des Demofahrzeugs auf Basis eines VW Touran ein und rollen los. Zunächst fühlt sich alles wie in einem normalen Stromer an. Der E-Motor beschleunigt den Testwagen leise surrend mit konstantem Durchzug. Doch bei Tempo 70 etwa spüren wir ein kurzes Rucken, ähnlich wie beim Gangwechsel bei einem klassischen Wandlerautomaten. Danach liegt die Drehzahl etwas niedriger und der Wagen beschleunigt kräftig weiter bis auf Autobahntempo, wo andere E-Autos mitunter etwas schwächeln. Laut ZF ließen sich auch individuelle Schaltstrategien entwerfen, die beispielsweise an digitales Kartenmaterial und GPS geknüpft sind und entsprechend die Topographie oder das Lademanagement berücksichtigen.

Im Display im Armaturenbrett verfolgen wir in einer speziellen Anzeige gleichzeitig, ob sich der Antrieb im optimalen Bereich befindet. Zudem zeigt diese, dass wir bei rund 110 km/h etwa sechs Prozent energieeffizienter unterwegs sind, als es mit einem Eingang-Getriebe der Fall wäre. Insgesamt gibt ZF eine mögliche Reichweitenerhöhung von bis zu fünf Prozent an. Alternativ könnte der Autohersteller bei gleichbleibender Reichweite auch einen kleineren Akku einbauen.

Doch damit nicht genug, das System bringt noch weitere Vorteile mit sich. So gehören zum neuen Zweigang-Antrieb auch zwei Kupplungen. Die ermöglichen neben den reinen Schaltvorgängen zwei zusätzliche Funktionen, nämlich einen Leerlauf, womit auch ein E-Auto klassisch Segeln könnte, sowie einen Lock-Modus, der mit geschlossenen Kupplungen das Anfahren an Steigungen vereinfacht.

Fazit

Wer sich nun fragt, wann der neue Antrieb in einem Serien-Pkw zu finden ist, muss sich noch etwas gedulden. Zwar ist laut ZF das Interesse der Hersteller vor allem für Mittelklasse-Fahrzeuge groß, derzeit befindet sich die Entwicklung allerdings erst in der Konzeptphase, womit die Serienreife noch etwa drei Jahre Zeit benötigt.

Dann aber könnte das Einsatzspektrum vielfältig sein. Dank bauraumoptimiertem Design benötigt die neue Motor-Getriebe-Kombi nämlich kaum mehr Platz als herkömmliche Systeme und passt daher auch in kompakte Autos. Zudem ermöglich der modulare Ansatz den Einsatz in leistungsfähigen und schweren Fahrzeugen, die auch Anhänger ziehen können.