Mobilität der Zukunft Kongress 2023
Ohne Daten geht nichts

Sicher, digital, nachhaltig – so lauteten die Schwerpunktthemen des auto motor und sport-Kongresses 2023: Gekommen waren viele hochkarätige Speaker.

Mobilität der Zukunft Kongress
Foto: Dino Eisele

Längst geht es bei Diskussionen über Mobilität nicht mehr um die Frage, ob die Verkehrs- und Energiewende kommen wird. Es geht um das Wie: Welche Antriebsarten und Formen der Fortbewegung werden künftig Bestand haben, wie kann Digitalisierung mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) dazu beitragen, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, wie lässt sich der CO2-Fußabdruck jedes einzelnen Verkehrsteilnehmers zugunsten des Klimaschutzes reduzieren? 18 Speakerinnen und Speaker rollten ein breites Portfolio an Themen in Einzelvorträgen und Talkrunden aus. Der 14. auto motor und sport-Kongress bot den Gästen vor Ort im ICS Internationales Congresscenter Stuttgart sowie den Teilnehmern im Livestream damit einen detaillierten Blick in den Thinktank der Automobilbranche.

Unsere Highlights
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Dino Eisele

Chefredakteurin Birgit Priemer und Stefan Karcher, neuer Leiter des Geschäftsbereichs Mobilität, begrüßen die Gäste.

Wesentlicher Punkt, den auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing in seinem Grußwort aufgriff: Der Schlüssel zu vielen Aufgabenstellungen liegt in der intelligenten Verknüpfung und Nutzung von Daten. Diese spielen in allen Bereichen eine wichtige Rolle, egal, ob es sich dabei um die Fahrzeugentwicklung handelt, die sich durch Simulationen und digitale Zwillinge beschleunigen lässt, wie Uwe Dieter Grebe, Executive Vice President bei AVL, demonstrierte, ob es darum geht, den Verkehrsfluss effizienter zu gestalten, wie KI-Expertin Vanessa Just ausführte, oder ob mit ganz praktischen Stellschrauben eine "Verbraucherwende" in Gang gesetzt werden soll, was E.ON-Deutschland-Chef Filip Thon zu seiner persönlichen Mission erhoben hat.

Kosten, Klima, Konkurrenz, KI

Denn, auch das wurde beim Kongress deutlich: Die Herausforderungen am Weltmarkt sind enorm gewachsen. Die innovationsstarke (chinesische) Konkurrenz legt vor allem bei der Elektromobilität ein hohes Tempo vor – eine schmerzliche Einsicht für die hiesigen Player. Aber auch ein Motivationsschub. Europäische OEMs müssten rasch den Schritt zum softwaredefinierten Auto schaffen, befand etwa Senior Manager Augustin Friedel von MHP mit Blick Richtung Reich der Mitte. Markus Schäfer, Vorstandsmitglied bei Mercedes, will künftig die zentralen Komponenten von E-Fahrzeugen selbst entwickeln, um eine Spitzenposition am Markt einzunehmen: "Wir wollen das Gesamtsystem des batterieelektrischen Antriebs, die Software und Steuerung beherrschen." Nicht nur die Konkurrenz sitzt den Autobauern auf den Fersen, auch die Kosten müssen in Schach gehalten werden, denn die Investitionen in klimafreundliche Technologien sind oft teuer. Karin Rådström, CEO bei Mercedes-Benz Trucks, verwies hier auf das Thema alternative Antriebe in der Logistik.

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Während des Kongresses wurden die Speaker im mobilen Studio zur Aufnahme von Podcasts gebeten.

Der Megatrend ist Künstliche Intelligenz in nahezu allen mit dem Automotive-Sektor verbundenen Bereichen. Laut Hagen Heubach, bei SAP als Global Vice President Leiter der Industry Business Unit Automotive, lasse sich mithilfe von KI die gesamte Wertschöpfungskette optimieren. Logistik, Vertrieb, Recycling und Herstellung können transparent aufgezeichnet und die aus den gebündelten Daten gewonnenen Erkenntnisse dann herstellerübergreifend genutzt werden.

Doch vielleicht geht es im internationalen Wettbewerb im Kern vor allem auch darum, begehrenswerte Autos zu entwickeln und zu bauen, so Volker Grüntges, Senior Partner bei McKinsey.

Zukunftsorientierte Datenstrategie

"Die Konkurrenz schläft nicht" – Die Politik will bessere Rahmenbedingungen schaffen.

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„Die Konkurrenz im Ausland schläft nicht“ Volker Wissing, Verkehrsminister

Verkehrsminister Volker Wissing lobte die Innovationskraft der deutschen Hersteller, warnte aber zugleich: "Die Konkurrenz im Ausland schläft nicht." Um mitzuhalten, sei das Bereitstellen von mehr und besseren Daten unabdingbar. Deshalb habe das Kabinett eine fortschrittlichere nationale Datenstrategie beschlossen.

Nachhaltige Transportbranche

Kostendruck auf Logistik – Der Preis für alternative Antriebe spielt in der Logistik laut Karin Rådström eine entscheidende Rolle für den Umstieg.

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„Unsere Kunden kaufen Lkw, weil sie mit ihnen Geld verdienen wollen" Karin Rådström, CEO Mercedes-Benz Trucks

Unter einem großen Kostendruck sieht Karin Rådström, CEO Mercedes-Benz Trucks, die Logistikbranche. "Drei Faktoren braucht es für die erfolgreiche Transition", so die Schwedin. Neben nachhaltigen und effizienten Lkw, die es zu produzieren gilt, beschäftigt sie vor allem die Kostenparität zwischen Dieselfahrzeugen und jenen mit alternativen Antrieben. "Unsere Kunden kaufen Lkw, weil sie mit ihnen Geld verdienen wollen", sagte Rådström. Der Umstieg müsse also Sinn machen. Klar ist für sie, dass man sich auf die Entwicklung von Wasserstoff- und Batterieantrieben fokussieren müsse, wobei sie selbst noch nicht abschätzen könne, was kostenseitig klüger sein wird. Allerdings sieht sie neben den Bemühungen der Hersteller auch den Staat in der Pflicht. "Es liegt an uns, die Green-Deal-Ziele zu erreichen, aber auch alle anderen Bedingungen müssen sich ändern." Förderungen für alternativ angetriebene Lkw würden beispielsweise auch ihre Kunden beim Umstieg unterstützen. Es gebe weiterhin noch viel zu tun, was den Ausbau der Infrastruktur angeht.

Ridepooling der Zukunft

"Es geht nicht ohne speziell dafür konzipierte Fahrzeuge" – Dynamische und nachfrageorientierte Mobilitätsangebote bewegen sich in Richtung autonomes Fahren. Moia-CEO Sascha Meyer und Apex.AI-Chef Jan Becker über die Chancen und Herausforderungen.

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Moia-CEO Sascha Meyer und Apex.AI-Chef Jan Becker über die Zukunft des autonomen Fahrens.

Moia, ein Unternehmen des Volkswagen-Konzerns, betreibt in Hamburg und Hannover ein eigenes Ridepooling-Angebot. Moia-CEO Sascha Meyer zeigt sich zuversichtlich: "Wir sind mittlerweile bei neun Millionen Fahrgästen angekommen." Es gehe darum, eine Perspektive zu entwickeln, wie geteilte Mobilität morgen aussehen kann – damit Menschen auf ein eigenes Fahrzeug verzichten können. "Dazu haben wir uns bewusst auf große Flotten in Hamburg konzentriert." Das anvisierte Ziel heiße autonomes Fahren. Jan Becker, CEO und Gründer des Software-Unternehmens Apex.AI: "Mit Moia arbeiten wir seit drei, vier Jahren intensiv zusammen." Was ein gutes Managementsystem leisten muss? "Menschen müssen vor allem sicher und komfortabel transportiert werden", so Meyer. Er gibt zu bedenken, dass es Bereiche gebe, "die kann man nicht automatisieren. Wir müssen schauen, dass wir den Betreuungsgrad reduzieren können – sonst verlagern wir nur das Fahrpersonal in die Callcenter. Es ist ein unglaublich komplexes Feld." Becker verweist auf die Situation in den USA: Autonomes Fahren werde dort durch die einzelnen Bundesstaaten reguliert, es gebe daher unterschiedliche Rahmenbedingungen. Das mache die Skalierbarkeit schwieriger. Becker sieht die Wachstumschancen jedoch durchweg positiv, es gebe eine große Nachfrage.

Konkurrenz aus China

Das Vertrauen wächst – Bedenken hinsichtlich mangelnder Qualität sind bei chinesischen Autos meist kein Thema mehr.

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„Die Herausforderer aus China werden aufholen. Deshalb gilt es dranzubleiben, um auch zukünftig wettbewerbsfähig zu sein“ Augustin Friedel, Senior Manager bei MHP

Augustin Friedel, Senior Manager bei MHP, referierte über die neue Mobilitätsstudie, die MHP gemeinsam mit der Marktforschung der Motor Presse Stuttgart durchgeführt hat. Auf Basis von 5000 Befragten hat sich herausgestellt, dass den Kunden softwarebasierte Funktionen wichtig sind – und dass die chinesischen Hersteller hier im Vorteil sind. Digitale Ökosysteme mit Apps und Co. sowie der Aufbau von Communitys gewinnen an Bedeutung. Fest stehe: Das Vertrauen in chinesische Autos wächst. Für europäische Hersteller gelte es indes, den Schritt hin zum softwaredefinierten Auto zu schaffen. Neuen Herstellern falle das leichter. Sie können sich gleich entsprechend ausrichten, während traditionelle Hersteller die noch vorhandenen Plattformen weiterentwickeln müssen. Bezüglich Handel und Service hätten hiesige Hersteller noch Vorteile. "Aber die Herausforderer werden aufholen. Deshalb gilt es dranzubleiben, um auch zukünftig wettbewerbsfähig zu sein", so Friedel.

E-Komponenten aus eigenem Hause

Mercedes will führend werden – Die Stuttgarter schreiben sich bei Batterie, Antriebsstrang und Software Kernkompetenzen zu.

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„Wir wollen bei der Elektromobilität absolute Spitze sein“ Markus Schäfer, Vorstandsmitglied bei Mercedes-Benz

Markus Schäfer, Vorstandsmitglied bei Mercedes-Benz, machte beim Kongress eine echte Ansage: "Wir wollen bei der Elektromobilität absolute Spitze sein", betonte der Entwicklungschef und bezog seine Aussage auch auf den Wettbewerb mit den chinesischen Herstellern. Der Schlüssel dazu sei es, die zentralen Komponenten der Elektromodelle künftig selbst zu entwickeln. "Wir wollen das Gesamtsystem des batterieelektrischen Antriebs, die Software und Steuerung beherrschen." Deshalb werde sich Mercedes nicht nur der Batterie- und Zelltechnologie selbst annehmen, sondern auch ihrer Steuerung. "Wir definieren alle Chips im Auto, wir entwickeln die Software." Zudem werden auch die E-Motoren künftig nicht zugekauft, sondern wie bei den Verbrennern aus eigenem Hause stammen. Die zentralen Komponenten selbst zu entwickeln biete die Möglichkeit, den Verbrauch so stark zu reduzieren, dass die Batterien leichter werden können – und das trotz großer Reichweiten. Vor allem aber habe Mercedes laut Schäfer so die Kosten im Griff und damit auch den Ertrag.

Tempo machen bei der Energiewende

Bürokratie abbauen – E.ON-CEO Filip Thon nimmt bei der Verbraucherwende die Politik in die Pflicht.

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E.ON

„Was wir brauchen, ist eine Verbraucherwende." Filip Thon, E.ON Deutschland-CEO

Bei der Diskussion über den Einbau von Wärmepumpen appellierte E.ON- Deutschland-CEO Filip Thon eindringlich an die Politik, die Verbraucher mitzunehmen und nicht zu verprellen. "Über kaum eine Energielösung wurde in diesem Jahr in der Politik und an den Stammtischen so heiß diskutiert. Leider ging es dabei oftmals viel zu wenig um Fakten und viel zu häufig um Ideologie", so Thon. "Wir müssen darauf achten, dass die Menschen weiterhin Lust haben, mitzumachen. Was wir brauchen, ist eine Verbraucherwende." Thon richtete an die Bundesregierung die Forderung, den Umstieg auf Wärmepumpe und Fotovoltaik durch "niederschwellige Förderprogramme" zu unterstützen und bürokratische Hürden abzubauen, "damit der Ausbau der Erneuerbaren und der notwendigen Infrastruktur zügiger und unkomplizierter voranschreiten kann".

Weichen auf E-Fuel

Formel 1 als Vorreiter? – Die Königsrennklasse will ab 2026 auf zu 100 Prozent nachhaltige Kraftstoffe setzen.

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100 Prozent nachhaltige Kraftstoffe ab 2026 in der Formel 1, Stefano Domenicali, Präsident und CEO der Formel 1

Stefano Domenicali, Präsident und CEO der Formel 1, stemmt sich weiterhin gegen die Vollelektrifizierung als Hauptlösung für nachhaltige Mobilität. Dass er ein harter Verfechter von E-Fuels ist, daraus machte er auch beim Kongress keinen Hehl. Für die Formel 1 erhoffe er sich diesbezüglich eine Vorbildrolle. Man wolle mit gutem Beispiel vorangehen und so auch Regierungen ermutigen, in nachhaltige Kraftstoffe zu investieren. Passend dazu prognostizierte Domenicali, dass der Treibstoff für die nächste Motorengeneration der Rennserie ab 2026 zu 100 Prozent nachhaltig sein wird. Hierbei gestattet die Formel 1 einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Kraftstoffherstellern. Petronas, Exxon, Shell, BP – alle sollen im Rahmen der Regularien ihren eigenen bestmöglichen Sprit mischen. Somit wäre die Formel 1 gleichzeitig eine Art Testlabor für die Automobilindustrie.

Sicherheit und effizienter Verkehrsfluss

Neue Wertschöpfungschancen – Die KI-Expertin Vanessa Just zeigte das enorme Potenzial von Künstlicher Intelligenz für die Branche auf.

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„Durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz können wir im Straßenverkehr Sicherheitsvorteile generieren“ Vanessa Just, Gründerin und CEO juS.Tech AG

Vanessa Just, Gründerin und CEO der juS.Tech AG, warf bei ihrem Vortrag ein Feuerwerk an Schlaglichtern auf das Thema Künstliche Intelligenz. Die KI-Expertin begann ihre Ausführungen mit dem Beispiel einer höchst populären Anwendung: "Innerhalb von zwei Monaten hatte ChatGPT weltweit 100 Millionen monatliche Nutzer." Der Chatbot, der mithilfe von KI textbasierte Nachrichten oder Bilder generiert und kommuniziert, zeige die Chancen für andere Bereiche. Wie kann man KI auf der Straße als Mehrwert verstehen, wo bietet KI einen erhöhten Komfort, lauteten Justs Fragestellungen. Großes Potenzial bestehe beispielsweise im Hinblick auf einen effizienteren Verkehrsfluss, etwa durch Multi-Stop-Routenplanung oder auch neue Mobilitätskonzepte: Ein Blick in die Zahlen des KI-Bundesverbands zeige, dass das globale Marktvolumen für KI im Automotive-Sektor bis 2025 auf 27 Milliar- den Dollar geschätzt werde. 59 Prozent der Unternehmen hätten bereits KI-Anwendungen umgesetzt oder in Erprobung. Connected Services, autonomes Fahren oder Shared Mobility nannte die Expertin als wichtige Stichworte: "KI eröffnet neue Wertschöpfungsmöglichkeiten", so Just.

Porsche bleibt seiner Linie treu

E-Fuels weiterhin unentbehrlich – Laut Porsche-Vorstand Michael Steiner sind synthetische Kraftstoffe keine Niederlage für die Elektromobilität.

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„Auch als Beimischung könnten E-Fuels den CO2-Ausstoß ohne aufwendige Nachrüstung senken." Michael Steiner, Porsche-Vorstand

Porsche hält E-Fuels trotz des Hochlaufs der E-Mobilität weiterhin für unverzichtbar. Angesichts einer Bestandsflotte von weltweit 1,3 Milliarden Fahrzeugen mit Verbrennern seien sie von hoher Bedeutung, um den CO2-Ausstoß zu senken, sagte Entwicklungsvorstand Michael Steiner. Zudem nehme die Zahl der Autos mit Verbrennern auch heute noch zu. Während E-Autos in den EU-Ballungsräumen, in den USA sowie in China an Bedeutung gewinnen, sei das auf dem Land und in vielen großen Märkten der Welt noch nicht der Fall. Steiner: "Die Zulassung von E-Fuels für Verbrenner durch die EU ist keine Niederlage für die Elektromobilität. E-Fuels sind ein Vorteil für die Umwelt." Auch als Beimischung könnten sie den CO2-Ausstoß ohne aufwendige Nachrüstung senken. Klar sei, dass die E-Fuels mit grünem Strom hergestellt werden müssten. Ihr oft kritisierter Wirkungsgrad spiele "nur eine untergeordnete Rolle, wenn die Energie im Überfluss vorhanden ist", so Steiner. Das gilt beispielsweise, wenn grüne Stromproduktion gedrosselt wird, weil nicht genug Nachfrage besteht.

Daten(sicherheit) in der Mobilitätswelt

Mehr Vertrauen schaffen lautet die Devise – HUK-Vorstand Jörg Rheinländer, Apex.AI-CEO Jan Becker und KI-Spezialistin Vanessa Just diskutierten im Panel mit Moderator Patrick Lang über die Wichtigkeit von Nutzerdaten für eine zukunftsträchtige Mobilität

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„Den größten Einfluss haben Daten, wenn man Hürden überwindet und sie allen zugänglich macht“ Jörg Rheinländer, Vorstandsmitglied HUK-Coburg Versicherungsgruppe.

Für Jörg Rheinländer, Vorstandsmitglied der HUK-Coburg, sind Daten der Treibstoff der Zukunft und das Mittel, unsere Welt nachhaltiger und sicherer zu machen. Das Thema müsse einheitlich gedacht werden, um daraus Erfolge zu erzielen, wie es die HUK beispielsweise mit ihrem Telematik-Tarif und dem dazugehörigen Transponder tut. "Unsere Kunden machen gute Erfahrungen mit dem Teilen ihrer Daten durch das Feedback zu ihrer Fahrweise", so Rheinländer. Hierfür brauche es jedoch die relevanten Nutzerdaten, wie Apex.AI-CEO Jan Becker zu bedenken gibt. Deren Freigabe erfordere jedoch Vertrauen. Laut KI-Spezialistin Vanessa Just schafft man dieses nur, indem man die Vorteile aufzeigt. "Die Hemmschwelle der Leute sinkt, sobald sie verstehen, was es ihnen bringt", so Just. Rheinländer teilte die Einschätzung. Allerdings sei das Thema Datensicherheit nach wie vor ein Knackpunkt. "Entscheidend ist, wie sehr die Menschen an ihren Daten hängen", meinte Just. Man bewege sich ja zudem nicht in einem gesetzlosen Rahmen. Es brauche keine personenbezogenen Daten, sondern nur anonymisierte Teile davon. Auch um die Daten, die ins Auto fließen, muss man sich Becker zufolge nicht sorgen. Die Mechanismen seien durch Authentifizierung gesichert und verschlüsselt. "Den größten Einfluss können Daten auf das Mobilitätsverhalten haben, wenn man Hürden überwindet und sie allen zugänglich macht, um einen größeren Mehrwert zu schaffen", ergänzte Rheinländer. Zudem gehe es laut Becker nicht nur ums Auto selbst: "Das Beste ist, sich in möglichst wenigen Ökosystemen zu bewegen. Dabei ist das Auto nur ein Endgerät von vielen." Daher werde in Zukunft nicht nur ein einzelner Hersteller zum führenden Player, keiner könne das allein abbilden. Die Branche muss sich also öffnen und mehr zusammenwachsen. Für eine nachhaltige Mobilität gelte es laut Rheinländer deshalb nicht nur, innerbetrieblich darauf zu setzen. Für einen wirklichen Mehrwert für alle müsse man auch Branchengrenzen durchstoßen: "Wir müssen aus den Silos raus, um Mobilitätskonzepte für die Zukunft zu gestalten."

Safety & Environment Award

So geht nachhaltiges Batterierecycling – auto motor und sport prämierte beim Kongress gemeinsam mit der HUK-Coburg das Aachener Start-up Cylib für dessen eigens entwickeltes Verfahren zum Recycling von Lithium-Ionen-Batterien.

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Matthias Breidenbach (2. v. l.) und Mitgründer Paul Sabarny nahmen den Safety & Environment Award von HUK-Vorstand Rheinländer und MPS-GF Mannsperger entgegen.

Der mit 10.000 Euro dotierte Safety & Environment Award, der gemeinsam von auto motor und sport und HUK-Coburg vergeben wird, ging an Cylib. Das erst im Jahr 2022 gegründete Aachener Start-up ist Spezialist für das Recycling von Lithium-Ionen-Akkus. Die Gründer Lilian Schwich, Paul Sabarny und Gideon Schwich haben eine Technologie entwickelt, die eine Rückgewinnung aller Komponenten von gebrauchten Batterien und aus Produktionsausschüssen ermöglicht. Ausgediente Batterien werden zu Rohstofflieferanten für den Bau neuer Einheiten. Der eigens entwickelte Prozess bindet zudem CO2 und wirkt sich damit positiv auf den ökologischen Fußabdruck aus. "Eine erfolgreiche Rückführung von Batteriekomponenten in die Kreislaufwirtschaft ist ein wesentlicher Baustein in der rasanten Entwicklung der E-Mobilität und immens wichtig für die Akzeptanz von elektrischen Antriebskonzepten", meinte Jörg Mannsperger, Geschäftsführer der Motor Presse Stuttgart, der gemeinsam mit HUK-Vorstand Jörg Rheinländer den Preis übergab.

Lebenszyklusanalyse von Reifen

Ganzheitlicher Ansatz – Michelin integriert nachhaltige Rohstoffe in die industrielle Fertigung.

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Cyrille Roget, Direktor für Wissenschafts- und Innovationskommunikation bei Michelin

Cyrille Roget, Direktor für Wissenschafts- und Innovationskommunikation bei Michelin, umriss die Rahmenbedingungen auf dem Reifenmarkt: Die Fahrzeuge seien schwerer geworden, es gebe heftigere Wetterumschwünge zu bewältigen, nicht zu vergessen den Boom der Elektromobilität und die damit einhergehenden Anforderungen an E-Auto-taugliche Pneus. Bei allem gehe es darum, die Umweltbelastungen zu senken. Roget nannte Stellschrauben in Zeiten des Klimawandels und der Erschöpfung von Rohstoffen: den Einsatz recy- celter oder biobasierter Materialien, Langlebigkeit, Energieeffizienz. Um einen Reifen ganzheitlich zu beurteilen, werde heute das Instrument der Lebenszyklusanalyse angewandt. Bei Michelin sei man der Ansicht, dass ein Reifen nur dann nachhaltig sein könne, wenn drei Bedingungen erfüllt seien: die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks, die Beibehaltung der Leistung und Sicherheit – aber auch die industrielle Fertigung im großen Maßstab.

CO2-Einsparung durch Recycling und Grünstahl

BMW setzt auf Zirkularität – Der Hersteller will bis 2050 klimaneutral werden. Großes Augenmerk liegt dabei auf den Produktionsmaterialien.

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„Die Märkte für Sekundärstoffe müssen sich noch entwickeln“ Irene Feige, Leiterin Klimastrategie und Kreislaufwirtschaft BMW Group

Irene Feige, Leiterin Klimastrategie und Kreislaufwirtschaft BMW Group Konzernstrategie, verdeutlichte, welche wichtige Rolle das Thema Recycling mitunter künftig spielt. Beispielsweise bringe allein die Herstellung von E-Auto-Akkus schon einen großen CO2-Rucksack mit, und den will BMW mit einer nachhaltigeren Autoproduktion ausgleichen – auch durch den Einsatz von recycelten Stoffen. "Es ist möglich, ein attraktives Auto zu bauen, das zu 100 Prozent zirkulär ist und aus Sekundärmaterialien besteht", so Feige. Es hapere eher noch an der Verfügbarkeit solcher Materialien. Märkte für Sekundärstoffe müssen sich laut Feige noch entwickeln, aber BMW habe das bereits genau im Blick. Zudem bestätigte sie, dass beim Bau des auf der IAA präsentierten Modells "Neue Klasse" CO2-freier Stahl auf Wasserstoffbasis eingesetzt wird. Zum Produktionsbeginn 2025 stehe dieser noch nicht zur Verfügung, es gebe jedoch bereits einen Fahrplan, ab wann BMW die Produktion mit grünem Stahl hochlaufen lässt. Wie dieser aussieht, ließ Feige außen vor.

Mehr Zusammenarbeit zur Förderung der E-Mobilität

"Einzeln sind wir für den Wettbewerb zu klein" – Geschwindigkeit ist Trumpf: Franz Loogen, Geschäftsführer e-mobil BW, und Tech-Blogger Sascha Pallenberg über die Herausforderungen des Transformationsprozesses in Europa, China und den USA.

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„Elektromobilität ist eine der Maßnahmen, mit denen wir unsere Klimaziele erreichen können“ Franz Loogen (links), Geschäftsführer e-mobil BW, im Gespräch mit Sascha Pallenberg, Chief Awareness Officer aware

"In den nächsten Jahren bekommen wir die Situation, dass Elektromobilität für jeden und jede erschwinglich wird." Das ist die Prognose von Franz Loogen, Geschäftsführer e-mobil BW. Sascha Pallenberg, Chief Awareness Officer bei aware mit Wohnsitz in Taipeh, verwies indes auf die Einflüsse aus Asien: "Die Chinesen haben in den vergangenen Jahren einen sehr guten Job gemacht." E-Mobilitätsverfechter Loogen machte auch auf den hohen Energieeinsatz zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe aufmerksam und auf den "immensen Vorteil, in der Elektrik zu bleiben". Ein Argument hierfür sei der Preis: Allein die Basiskosten für E-Fuels lägen drei- bis achtmal höher als bei fossilen Kraftstoffen. Für Pallenberg ist es logisch, dass man den Kunden auch E-Fuels anbieten müsse. In puncto Abwanderungen von Unternehmen in die USA hält er es für wichtig, ähnlich günstige Voraussetzungen zu schaffen. Loogen forderte zudem den Abbau von Bürokratie, mehr Speed und europäische Zusammenarbeit der Politik in Richtung Elektromobilität: "Wir wollen in den Elektromarkt." Wichtige Eckpfeiler: "Wir müssen den richtigen Nachwuchs ausbilden, denn wir leben von den Gehirnen unserer Menschen. Wir müssen schneller werden in der Umsetzung der Elektromobilität. Und wir brauchen die Stärke Europas, denn einzeln sind wir für den Wettbewerb zu klein", so Loogen.

Von der Tankstelle zum Ladepark

"Wir definieren uns neu" – Total Energies verkauft seine Tankstellen und wird zum Full-Service-Ladeanbieter.

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„Wir wollen bis 2050 klimaneutral sein" Matthias Knauer, Bereichsleiter für Vertrieb und Produktportfolio bei Total Energies Charging Solution

Total heißt nun Total Energies und läutet damit eine Transition ein. Matthias Knauer, Bereichsleiter für Vertrieb und Produktportfolio bei Total Energies Charging Solution: "Wir wollen bis 2050 klimaneutral sein und perspektivisch zu den Top-5-Akteuren in Sachen erneuerbare Energien zählen." Nach dem Verkauf aller Tankstellen investiere man nun in Offshore-Windparks, Fotovoltaik- und Batterieproduktion sowie in die neue Rolle als Full-Service-Ladeinfrastruktur-Anbieter. Laut Knauer werden privates Laden und das Laden am Arbeitsplatz den Markt dominieren, aber auch öffentliches Laden spiele eine Rolle – jedoch nicht an der Tankstelle. "Das Prinzip und der Ansatz sind hier ganz anders. Eine Ladestation kann auch mitten in der Stadt stehen." Deshalb setzt Total Energies neben Ladeparks auch auf Stationen an Supermärkten oder Fast-Food-Ketten. Die Lage sei entscheidend – wie bei Immobilien.

Fahrzeugentwicklung und KI

Tempo durch Situation – EVP Uwe Dieter Grebe von AVL präsentierte die Vorteile von Attribute Engineering.

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„Die Geschwindigkeit und die Komplexität in der frühen Phase der Fahrzeugentwicklung haben extrem zugenommen.“ Uwe Dieter Grebe von AVL

Die AVL List GmbH ist in der Entwicklung innovativer Mobilitätssysteme tätig – von Wasserstoffmotoren über Hybridantriebsstränge und batterieelektrische Fahrzeuge bis hin zu Brennstoffzellen. Uwe Dieter Grebe, Executive Vice President, zeigte die Anwendung von KI in der Fahrzeugentwicklung an einem Beispiel zum Thema Anordnung von Batterien bei BEV auf. Durch die Nutzung digitaler Fahrzeugtypen könne das Entwicklungstempo deutlich beschleunigt werden. Grebe zum Hintergrund: "Die Geschwindigkeit und die Komplexität in der frühen Phase der Fahrzeugentwicklung haben extrem zugenommen." Es gehe darum, auf dem internationalen Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Was für den Laien aussieht wie ein Konsolen-Game, sind Simulationen virtueller Fahrzeugkonzepte auf einem der Nordschleife des Nürburgrings nachempfundenen Kurs – alles andere als Spielerei.

E-Auto-Marktanteile

Europas Autobauer hinken hinterher – Im E-Auto-Geschäft geben neue Player aus China und den USA den Ton an. Europäische Hersteller können aber noch aufholen.

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„Wir haben noch nicht verloren, liegen aber mit 0:2 zurück“ Volker Grüntges, Senior Partner des Beratungsunternehmens McKinsey

Mit harten Fakten in puncto Wettbewerbsfähigkeit europäischer Autobauer ließ Volker Grüntges, Senior Partner des Beratungsunternehmens McKinsey, aufhorchen. Der globale Marktanteil europäischer OEMs sei im Vergleich zu 2017 um elf Prozent auf 26 Prozent gesunken. Im E-Auto-Geschäft lag der Ver- kaufsanteil der neuen Player aus China und den USA im Jahr 2022 bei 51 Prozent, die europäischen Marken erzielten nur 20 Prozent. Laut Grüntges gibt es aber keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Wer in einem Fußballspiel zur Halbzeit 0:2 hinten liege, habe ja auch noch nicht verloren. Man müsse die Transformation beschleunigen und digitale Ökosysteme schaffen. Wichtig sei ein Zusammenspiel von Herstellern, der Forschung, Zulieferern und den richtigen Rahmenbedingungen. Andere Faktoren könne man wiederum nicht aufholen – das Arbeitskosten-Niveau Chinas sei beispielsweise unerreichbar. Außerdem müsse man mit einem Energiekosten-Nachteil von 60 Prozent gegenüber China umgehen. Es gelte mitunter also auch, auf alte Tugenden zu setzen: die Entwicklung begehrenswerter Autos.

Künstliche Intelligenz

Alle müssen mitmachen – Laut SAP-Manager Heubach wird KI die Branche entern – zu verlockend sei der Nutzen, den die Technologie bietet.

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„KI wird sich in der Automobilindustrie schnell durchsetzen“ Hagen Heubach, Global Vice President Industry Business Unit Automotive SAP

Hagen Heubach, beim Software-Riesen SAP tätig als Global Vice President Industry Business Unit Automotive, sprach über den aktuellen Megatrend schlechthin: Künstliche Intelligenz (KI). Diese werde sich in der Automobilindustrie schnell durchsetzen. Auch wenn es aktuell Skepsis und Vorbehalte gebe, beispielsweise über die Datensicherheit, so werde sich ihr Potenzial bald abzeichnen. KI ermögliche es, die gesamte Wertschöpfungskette zu optimieren. Prozesse wie Logistik, Vertrieb, Recycling und Herstellung ließen sich transparent aufzeichnen, um Daten zu bündeln und daraus gewonnene Erfahrungswerte herstellerübergreifend zu nutzen. Dafür müssen aber auch alle mitmachen und ihre Daten teilen. Bei der Elektromobilität sieht der SAP-Manager die KI zudem als Partner, um eine intelligente Ladeoptimierung zu schaffen. Und für die Kunden könne die Technologie völlig neue Erlebniswelten öffnen – beim Kauf, aber auch im Auto.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten