Verbrennung ohne CO2
Taugt Wasserstoff als Sprit-Ersatz für Verbrennungsmotoren?

Auf der Suche nach CO2-neutralen Antrieben rückt bei auffallend vielen Firmen plötzlich wieder der Wasserstoff-Verbrennungsmotor in den Fokus. Warum die Technik heute funktionieren könnte, obwohl sie längst abgeschrieben war.

5/2021, Shell Wasserstoff
Foto: Shell

Die Geschichte des Wasserstoff-Verbrenners ist alt. Genau genommen ist sie sogar älter als die von Otto- und Dieselmotoren. Das erste Patent dazu stammt aus dem Jahr 1807. Bis heute hat Wasserstoff seine Faszination als Treibstoff nicht verloren. Selbst in jüngerer Automobilgeschichte experimentierten Motorenbauer immer wieder mit dem brennbaren Gas, das das häufigste chemische Element im Universum ist und wegen der geringsten Atommasse die Ordnungszahl "1" trägt.

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Bekanntestes Beispiel ist der Feldversuch von BMW mit einer überschaubaren 7er-Flotte von 100 Fahrzeugen. 2009 wurde das Experiment eingestellt, auch weil die Energiebilanz zu schlecht war. Denn Wasserstoff musste erst mit viel Aufwand erzeugt und dann mit noch mehr Energie bei -252°C verflüssigt werden. Die Verflüssigung war nötig, um die Dichte des Kraftstoffs zu erhöhen und die Tanks im Auto möglichst kleinzuhalten. In die extrem aufwendig konstruierten und gedämmten Speicher der BMW-Modelle passten am Ende immerhin acht Kilogramm Wasserstoff – was bei dem durstigen Sechsliter-Zwölfzylinder für eine Reichweite von 200 Kilometer reichte.

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Audi, BMW, Toyota, Seufert, Keyou
Die 7er-Baureihe E65 war schon die zweite Generation des BMW Hydrogen 7. Neben der Technik des bivalenten Motors (auch für Benzin geeignet) entpuppten sich die Tanks für flüssigen Wasserstoff als große Herausforderung.

BMW sah sich mit einem weiteren Problem konfrontiert. Erwärmt sich ein gefüllter Tank – beispielsweise bei längerer Standzeit – verdampft der flüssige Wasserstoff darin und muss über Druckentlassungsventile abgelassen werden. Beim BMW Hydrogen 7 beginnt dieser Prozess bereits innerhalb eines Tages. Nach gut einer Woche halbiert sich der Kraftstoffvorrat auf diese Weise. Eine Serienfertigung war allein durch diesen Umstand undenkbar.

Wasserstoff im neuen Zeitalter

Erst durch die Energiewende rücken die Vorteile von Wasserstoff wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit. Zunehmend wird es nämlich wichtiger, überschüssige Energie aus Wind- und Sonnenkraft speichern zu können. Bezogen auf die Masse ist Wasserstoff dafür ein idealer Energieträger. Ein Kilogramm H2 enthält 33,33 Kilowattstunden. Das würde den durchschnittlichen Stromverbrauch eines Einfamilienhauses für etwa fünf Tage decken. Ein Brennstoffzellenauto wie der Toyota Mirai – bei dem der Wasserstoff auf 700 bar verdichtet wird und gasförmig bleibt – fährt mit der gleichen Menge Strom rund 100 Kilometer weit.

Technisch ist der Brennstoffzellenantrieb aber komplex und teuer. Hinzu kommen das dünne Tankstellennetz und der relativ schlechte Wirkungsgrad bei der Herstellung von Wasserstoff (je nach Verfahren 40 bis 80 %). Überschüssige Wind- und Sonnenenergie in Batterien zu speichern, ist dagegen viel effizienter. Bei Pkw-Antrieben haben die großen Autohersteller ohnehin längst die Weichen auf batterie-elektrisch gestellt. Es gibt aber Anwendungsbereiche, wo elektrische Alternativen den Verbrenner einfach nicht ersetzen können. Und genau hier scheint sich ein wichtiges Zukunftsfeld für Wasserstoff zu erschließen.

Alternative Kraftstoffe

Besonders ungeeignet sind batterie-elektrische Antriebe nach jetzigem Entwicklungsstand für große, energiehungrige Bau- oder Landwirtschaftsmaschinen, Schiffe oder sogar Flugzeuge. Die müssen im Zwei- oder Dreischichtbetrieb durchlaufen und flexibel wie unabhängig an entlegensten Orten ohne Infrastruktur arbeiten können. Als einzig logische und klimaneutrale Lösung bleibt in solchen Fällen nur ein transportabler, CO2-neutraler Kraftstoff.

Alternativen zu fossilen Kraftstoffen wie konventionellem Diesel oder Benzin gibt es bereits. Ob hydrierte Pflanzenöle, Biogas, E-Fuels oder Ammoniak – alles was brennbar ist, kann theoretisch auch Verbrennungsmotoren antreiben. Allerdings werden Biokraftstoffe stets in Konkurrenz mit der Nahrungsmittelerzeugung stehen. Dazu erzeugen auch sie bei ihrer Verbrennung Kohlendioxid – selbst wenn der Kohlenstoff zuvor beim Pflanzenwachstum aus der Atmosphäre gezogen wurde.

Bau- und Landmaschinen brauchen Lösung

Bleiben E-Fuels und Ammoniak. Für deren Herstellung benötigt man als Zwischenprodukt stets Wasserstoff, der wiederum erst mit viel Energie hergestellt werden muss. Soll er weiter zu E-Fuels verarbeitet werden, wird für den Kohlenstoffeintrag erneut viel Energie bis zum Endprodukt aufgewendet. Der Gedanke liegt also nahe, schon den Wasserstoff als Kraftstoff zu nutzen. Der Vorteil: Diese Methode funktioniert gänzlich ohne Kohlenstoff, also auch ohne CO2. Mathematisch liegt die Lösung dieser Energiegleichung auf der Hand.

Kein Wunder also, dass bereits Toyota, Hyundai, Liebherr, Caterpillar oder die Deutz AG eifrig am Wasserstoffverbrenner arbeiten. Am weitesten fortgeschritten scheint die Entwicklung beim britischen Baumaschinen- und Motorenhersteller JCB zu sein. Nach Investitionen von mehr als 100 Millionen Euro sollen noch 2023 die ersten Baumaschinen mit Wasserstoffverbrenner gefertigt werden. Die Prototypen laufen bereits. Mit an der Entwicklung beteiligt war auch die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH).

Veränderungen am Motor

Als Basis für das Pionierprojekt nutzt JCB zunächst einen herkömmlichen Vierzylinder-Dieselmotor, wie er in mittelgroßen Baumaschinen zum Einsatz kommt. Der Block des Motors samt Kurbeltrieb bleibt im Grunde erhalten. Den Zylinderkopf haben die Ingenieure dagegen maßgeblich verändert. Denn anders als bei früheren Projekten wie dem bivalenten V12 von BMW wird der Motor hier einzig für den Wasserstoffbetrieb ausgelegt. Wasserstoff ist extrem flüchtig, zündfreudig und lässt sich hoch verdichten.

Die schwierigste Aufgabe ist die Verteilung des Kraftstoff-Luft-Gemischs im Brennraum. Weil Wasserstoff so leicht ist, steigt er extrem schnell nach oben auf. Er muss also in einem speziell berechneten Luftstrudel "gefangen" bleiben. Solch komplexe Berechnungen übernehmen heutzutage Hochleistungs-Computer, die es vor 20 Jahren noch nicht gab. Für den ausreichenden Druck des Luftstrudels sorgt beim JCB-Motor ein großer Turbolader, der mit 220.000 Umdrehungen pro Minute arbeitet.

Verbrennung ohne CO2

Obwohl Wasserstoff wie Dieselkraftstoff selbst zünden würde, kommen im JCB-Motor spezielle Zündkerzen zum Einsatz. Nach monatelanger Abstimmung und der Arbeit von rund 100 Ingenieuren weisen die hausinternen Prüfstände und Prototyp-Maschinen bereits jetzt eine verblüffende Diesel-Ähnlichkeit bei den Leistungsdaten aus. Drehmomentverläufe, Power-Output, Wirkungsgrad und Temperaturverhalten liegen auf dem Niveau des Basismotors. Kühlung, Bauraum und Hydraulik-Ansteuerung müssen also kaum verändert werden. Sogar akustisch ähnelt der Motorlauf einem herkömmlichen Baumaschinenmotor. Davon konnten wir uns bei einem Besuch der Prototypenflotte persönlich überzeugen.

Seltene Erden oder gar Platin wie in einer Brennstoffzelle braucht diese Technik nicht. Und weil der Kraftstoff gar keinen Kohlenstoff enthält, entstehen am Ende weder Kohlenmonoxid, Kohlendioxid noch Kohlenwasserstoffe. Beim Stickoxid kommt es auf Drücke und Verbrennungstemperaturen an. Doch schon bei den Prototypen liegt der NOx-Ausstoß auf vernachlässigbar geringem Niveau. Aus dem Auspuff strömt lediglich Wasserdampf. Die typische Schwärzung des Motoröls – die durch Kohlenstoffeintrag entsteht – ist bei diesem Motor ebenfalls kein Thema.

Tanks und Nachfüllen aufwendiger

Einen Nachteil zu herkömmlichen Verbrennern hat die Technik allerdings schon. Sie verlangt eine veränderte Infrastruktur. Die Tankanlage am Fahrzeug selbst ist dabei das geringste Problem, da der Wasserstoff bei 350 bar gasförmig in Druckflaschen gespeichert werden kann. Platz und Gewicht spielen bei einer schweren Bau- oder Landmaschine keine große Rolle. Um größere Mengen Wasserstoff zu den Baustellen zu bringen, hat JCB einen "Gastanker" auf Basis des Allzweck-Traktors Fastrac entwickelt. Auf dessen Heck passt ein Modul mit rund 100 Kilogramm Wasserstoff, der auf 500 bar verdichtet wird.

Der Betankungsvorgang funktioniert dann wie an einer herkömmlichen Wasserstofftankstelle mit einem Druckverschluss. Der Überdruck im Tanker sorgt für die Füllung des leeren Fahrzeugtanks. Mit einer Ladung könnte ein solcher Tankwagen bis zu 16 leere Baggerlader der Acht-Tonnen-Klasse befüllen. Bleibt nur die Frage, wo der Wasserstoff herkommen wird. Doch das wird im Zeitalter der Energiewende an anderer Stelle entschieden.

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Fazit

Verbrennungsmotoren, die mit Wasserstoff betrieben werden, haben ein großes Zukunftspotenzial. Für den Pkw-Bereich kommt der aufziehende Entwicklungs-Hype zu spät. Für schwerere Maschinen auf Baustellen, in der Landwirtschaft oder gar im Luftverkehr dürfte die Technik immer interessanter werden. Dass sie bereits zuverlässig funktioniert, beweist der englische Baumaschinenhersteller JCB. Erste Bagger- und Teleskoplader mit Wasserstoff-Vierzylinder sollen noch 2023 auf den Markt kommen. Einzig an der Infrastruktur muss noch gearbeitet werden.