Synthetische Kraftstoffe
E-Fuels, Verbrenner – was verboten wird, was nicht

Das Verbrenner-Aus wird aktuell oft mit einem E-Fuel-Verbot gleichgesetzt. Das ist nicht nur falsch, sondern schadet der öffentlichen Diskussion über Alternativen in der Mobilität. Ein Schlichtungsversuch.

Porsche E-Fuels Pilotanlage Haru Oni Punta Arenas Chile
Foto: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

Eines vorweg: Die Grund-Idee von synthetisch hergestellten Kraftstoffen ist genial. Man nehme Wasser, Kohlendioxid und Strom aus Wind- und Sonnenenergie. Benzin und Diesel aus regenerativer Energie – mit dem bekannten Vorteil der enormen Energiedichte.

Stammt das CO₂ aus der Atmosphäre, wird bei der Verbrennung nicht mehr davon frei, als man vorher eingesammelt hat. Für die Umwelt spielt es dann theoretisch keine Rolle mehr, wie viel Sprit ein Auto davon verbraucht – bilanziell ist der Gesamtvorgang CO₂-neutral. Allerdings gibt es innerhalb der idealen Prozesskette einen Punkt (wenn das CO₂ der Atmosphäre entnommen wurde), an dem die CO₂-Bilanz günstiger ist als am Ende. Ein wunder Punkt, denn die Wissenschaft macht eben die hohe CO₂-Konzentration für den Klimawandel verantwortlich, dementsprechend wäre jede Verringerung willkommen.

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Die Herstellung von synthetischem Sprit funktioniert zudem bislang erst im kleinen Maßstab – wie uns die gerade heranwachsende Pilotanlage im südchilenischen Punta Arenas zeigt. Und das dort verwendete CO₂ stammt noch nicht aus der Atmosphäre, sondern wird in flüssiger Form per Lkw angeliefert. Wegen der geringen CO₂-Konzentration in der Luft wären extrem energiehungrige Direct-Air-Capture-Anlagen die Alternative. Noch sind die sogenannten Designer-Kraftstoffe also selbst bilanziell keineswegs CO₂-neutral. Wo Kohlendioxid im großen Maßstab zur E-Fuel-Herstellung herkommen könnte, lesen Sie hier:

Kürzlich hat die Politik hierzulande den rechtlichen Weg für synthetische Kraftstoffe zu den Tankstellen geebnet. Wenn ab dem Jahr 2035 keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden dürfen, so kann die bestehende Flotte also weiterhin konventionelle Benzin- und Dieselsorten oder E-Fuels tanken. Ein Verbot für E-Fuels gibt es also in Deutschland gar nicht.

Keine E-Fuel-Ausnahme bei neuen Verbrennern

Liest man den Beschluss der EU-Kommission zu emissionsfreien Antrieben genau, findet man auch das Wort Verbrenner-Aus an keiner Stelle. Vielmehr geht es darum, dass die Flottenzielwerte der Hersteller ab 2035 auf null sinken müssen. Das bedeutet: Kein Auto oder leichtes Nutzfahrzeug darf ab 2035 noch Treibhausgase wie CO₂ ausstoßen. Technisch gesehen betrifft das alle Verbrennungsmotoren – selbst jene, die mit E-Fuels laufen. Denn Abgase und sogar die üblichen Luftschadstoffe entstehen ja auch beim (etwas saubereren) Verbrennen synthetischer Kraftstoffe – obwohl sie nach oben erwähnter Rechnung im besten Fall CO₂-neutral hergestellt wurden.

Bundesverkehrsminister Wissing (FDP) will nun genau an dieser Stelle eine Ausnahme für E-Fuels definieren. Autos mit Verbrennungsmotor, die ausschließlich mit regenerativ hergestellten E-Fuels fahren, sollen demnach über das Jahr 2035 neu zulassungsfähig bleiben.

Die neuen Verbrenner-Modelle müssten dann aber untauglich für den konventionellen, fossilen Sprit gemacht werden, um dessen Verwendung zu verhindern – ein technisch lösbares Problem. Das könnte allerdings mit sich bringen, dass die viel größere Bestandsflotte ihrerseits die modernen E-Fuels dann vielleicht nicht nutzen könnte. Damit würde sich der größte Vorteil von synthetischen Kraftstoffen – nämlich die aus rund 1,3 Milliarden Autos bestehende Verbrennerflotte umweltfreundlicher zu machen – auflösen.

E-Fuels werden den Verbrenner nicht retten

Auch die EU hat die synthetischen Kraftstoffe nicht explizit verboten – ihre Verbrennung im Auto implizit schon. Die Hoffnung, dass E-Fuels bestehende und zukünftige Verbrenner-Flotten in aller Welt retten können, werden allerdings von der Mathematik ohnehin im Keim erstickt: Denn rechnerisch ist der Energieaufwand für die Produktion solch gigantischer Mengen viel zu hoch. Immerhin reden wir von einem Bestand von rund 1,3 Milliarden Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotor.

Zur besseren Vorstellung: Wächst die große Pilotanlage in Chile nach Plan, dann könnte sie im Jahr 2026 rund 550 Millionen Liter Diesel und Benzin produzieren. Diese gewaltige Menge würde aber gerade ein Prozent des Kraftstoffbedarfs von Deutschland decken. Im weltweiten Maßstab wäre das also ein Tropfen Sprit auf den heißen Krümmer.

E-Fuels nicht kategorisch ausschließen

Synthetisch erzeugte Kraftstoffe deswegen kategorisch aus der Diskussion um alternative Mobilität auszuschließen, wäre gleichwohl ebenso falsch. E-Fuels brauchen wir nämlich sicher dort, wo es noch keine anderen Lösungswege gibt, zum Beispiel im Luftverkehr, wo Energiedichte und Gewicht entscheidend sind. Zudem steckt die Technik noch in den Kinderschuhen und besitzt extrem viel Entwicklungs-Potenzial.

Dass sich Politik und Gesetzgebung nun so stark in solch technische Themen einmischen, hat vor allem mit dem europäischen "Green Deal" zu tun. Bis 2050 wollen die Länder der Europäischen Union nämlich keine Treibhausgase mehr ausstoßen. Das Elektroauto stellt dafür eine Lösung dar, aktuell ist sie allerdings nur theoretisch CO₂-neutral. Denn seine Klimafreundlichkeit hängt stark davon ab, wie der Fahrstrom entsteht.

Dass Elektroautos partout von der EU als Null-Emissions-Vehikel verstanden werden und bei den Flottenverbrauchs-Regeln sogar doppelt gegen Verbrennermodelle aufgerechnet werden, ist für die Gegenwart politische Augenwischerei. Die durchschnittliche Stromherstellung (Strommix) zugrundegelegen, käme ein E-Auto auf CO₂-Emissionen von etwa 428 Gramm je verbrauchter Kilowattstunde (2021). Das bedeutet rund 86 Gramm CO2 pro Kilometer für ein E-Auto mit einem typischen Verbrauch von 20 kWh/100 km. Die unschlagbare Effizienz von Elektroantrieben (ca. Faktor 3 sparsamer als Verbrenner) darf man dabei nicht von der Hand weisen. Und perspektivisch muss die Energieerzeugung ohnehin CO₂-neutral werden – doch das wird eben an anderer Stelle entschieden.

Alles dreht sich um elektrische Energie

Überhaupt ist "Energie" das Schlagwort in der Diskussion. Und am einfachsten können wir sie in elektrischer Form verstehen, nutzen und herstellen. Im Haushalt kennen wir sie seit Generationen, zahlen für verbrauchte Kilowattstunden und setzen die Watt-Angaben von Glühbirnen, Stereoanlagen oder Staubsaugern ins Verhältnis. Wollen wir irgendwann keine fossilen Energieträger wie Öl oder Gas mehr verbrennen, werden wir zukünftig auch mehr elektrisch heizen müssen.

Der Bedarf an elektrischer Energie wird also größer. Hinzu kommen immer mehr Elektroautos. Auch die verlangen nach zusätzlichem Strom, der wiederum perspektivisch ebenso wenig aus Kohle, Gas oder Öl stammen darf. Nach jetzigem Stand der Technik bleiben für die Stromerzeugung regenerative Energiequellen wie Wind, Wasser, Sonne oder Biomasse übrig, die in fortschrittlichen Ländern wie Deutschland bereits etwa die Hälfte am Strommix ausmachen.

Strom als kostbares Gut

Immer mehr werden wir in den kommenden Jahren den Strom als kostbares Gut erkennen. Nicht nur E-Autos müssen damit also möglichst sparsam umgehen, sondern auch Heizungen, Haushaltsgeräte oder die öffentliche Infrastruktur. Der Nachteil: Strom ist mehr oder weniger ein regionales Gut und lässt sich am besten dort effizient nutzen, wo er entsteht. Ihn ohne gewaltige Verluste aus der sonnenüberfluteten Sahara oder dem windreichen Patagonien nach Europa zu leiten, ist technisch noch nicht möglich.

Hier haben Wasserstoff oder E-Fuels einen klaren Vorteil. Sie binden nämlich große Mengen Energie, lassen sich aber trotzdem einfach per Schiff, Lkw oder Pipeline überallhin transportieren. Fairerweise sei erwähnt: Auch dieser Transport kostet Energie. Und die Herstellung an sich noch viel mehr. Der Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm, Prof. Dr. Maximilian Fichtner, geht davon aus, dass zur Erzeugung von einem Liter e-Diesel etwa 27 kWh (siehe auch Bildergalerie) nötig sind. Der Energiegehalt von dieser Menge gewonnenem Kraftstoff liegt allerdings nur bei 9,8 kWh. Es wurde also fast dreimal so viel elektrischer Strom für die Herstellung benötigt, wie am Ende im Sprit gebunden bleibt.

Energetische Abwägung

Mit 27 kWh im Akku kommen moderne E-Autos gern 135 Kilometer weit. Ein Liter Diesel in einem modernen Auto reicht dagegen nur für rund 16 Kilometer. Energiewirtschaftlich ist diese Rechnung also klar entschieden. Andererseits blieben die gewaltigen Energieressourcen in Patagonien oder der Sahara ohne E-Fuels oder Wasserstoff-Transformation ungenutzt.

Würden Emotionalität, Traditionsbewusstsein und die Angst vor Neuem aus der aufgeheizten Diskussion fallen, wäre die salomonische Antwort für den hiesigen Massenverkehr glasklar. Mit elektrisch angetriebenen Autos gibt es eine attraktive, sinnvolle und deutlich effizientere Alternative. E-Fuels braucht die Gesellschaft trotzdem in großem Maßstab – ob für Flugverkehr, Schiffe oder Anwendungen, bei denen es einfach noch keine Alternativen gibt.

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Fazit

Dass die EU-Kommission bisher keine E-Fuel-Ausnahmen im Verbrenner-Verbot verankert hat, ist einerseits nachvollziehbar – eine solche Klausel würde faktisch keinen großen Unterschied machen. Genug synthetische Kraftstoffe für den Auto-Verkehr herzustellen, ist technisch und energetisch unmöglich und folgerichtig haben nahezu alle Autohersteller längst ihre Weichen für die Mobilitätswende hin zur Elektrifizierung gestellt.

Andererseits werden E-Fuels trotzdem extrem wichtig: Für Verkehrsmittel, die sich nicht so einfach elektrifizieren lassen. Allein im Luftverkehr wäre der Bedarf gewaltig.

Mit Blick auf den Energieaufwand für die Herstellung von wirklich CO₂-neutralem Sprit ist das fehlende Engagement für eine Verwendung in Autos verständlich. Schließlich gibt es schon jetzt genug elektrische Alternativen, die mit der gleichen Energie zehnmal weiter fahren können. Und die Erzeugung ausreichender Mengen von Grünstrom muss auf der Prioliste ganz oben stehen: Schließlich soll Europa bis 2050 als erster Kontinent auf diesem Planeten klimaneutral funktionieren.