Audi TT 45 TFSI und Toyota GR Yaris im Test
Allrad-Sportler im Duell

Langweilige Großserien-Basis? Egal. Die beiden hier machen Laune. Wenn man so kurz ist wie der Toyota GR Yaris, kann man sich durchaus mal breitmachen. Dank heckbetonter Allrad-Auslegung geht das erfreulich kontrolliert. Und im Audi TT? Da geht mehr, als wir zunächst dachten – wie Sie gleich sehen werden.

Audi TT 45 TFSI Quattro, Toyota GR Yaris
Foto: Achim Hartmann

Verrückt, was man aus einem Kleinwagen herausholen kann, wenn man ihn zu einem Homologationsmodell für die Rallye-WM hochrüsten möchte. Dann, und nur dann entsteht so etwas fundamental Ernsthaftes wie der allradgetriebene Toyota GR Yaris. Verrückt auch, was man aus der Plattform des VW Golf herausholen kann, wenn man ein kompaktes Sportcoupé im Geiste eines Volks-Porsche ins Portfolio nehmen will. Dann kommt so etwas wie der Audi TT heraus. Verrückt ist es leider auch – im negativen Sinne –, dass diese beiden Modelle keine Zukunft haben. Ersterer ist als Kleinserie ausverkauft, Letzterer erhält keinen Nachfolger.

Unsere Highlights

Jammer, die Erste: Obwohl leichte Kleinwagen mit Vortrieb an der Hinterachse eine besonders ausgefuchste Form des Fahrspaßes sind, kommen sie seltener vor als ein 29. Februar.

Jammer, die Zweite: Dem TT den Hahn zuzudrehen, heißt, einen Klassiker der Moderne zu terminieren – sein Design hätte in der Zeitbeständigkeit dem des Porsche 911 durchaus nacheifern können. Wobei man Audi kaum einen Vorwurf machen kann: Wenn der Markt fast ausschließlich nach SUV giert, warum soll man dann überhaupt noch Sportcoupés bauen?

Bevor Ihnen nun dystopische Bilder vom selbstfahrenden Einheits-Elektro-SUV im Kopf den Tag verderben, liefern wir hier schnell die Basis für freudvolle Vorstellungen.

Dafür setzen wir uns ins krasse Gegenteil, den GR (wie Gazoo Racing) Yaris, die Rally2-Basis. Wobei die Freude nach dem ersten Rundumblick zunächst eine Rolle rückwärts macht: Nix mit Cockpit-Striptease – wir blicken in die Plastikwelt der Großserie. Und dann rasselt da nach Druck auf den Startknopf nur ein unterzähliger Dreizylinder.

Der hat natürlich nicht viel mit dem Basismotörchen des Yaris gemein, ist nach den Vorschriften des Rally2-Reglements konstruiert und nötigt seinen 1,6 Litern 261 PS sowie 360 Nm ab – dank großem Turbolader. Der ist kugelgelagert, was ihn aufgrund der geringen Reibung recht flott ansprechen lässt.

GR Yaris: Ein driftender Kleinwagen

Toyota GR Yaris
Achim Hartmann
Im GR Yaris wird die Kraft des Dreizylinders über ein manuelles Sechsganggetriebe an alle vier Räder abgegeben. Maximal gehen bis zu 70% nach hinten. Damit lässt sich sogar im Kleinwagen der ein oder andere elegante Drift ziehen.

Unerwartet stramm rückt die Kupplung aus und wieder ein, der Schalthebel rastet mit Nachdruck, das Lenkrad dreht straff – ähnlich wie man das früher von echten Sportwagen kannte. Den GR dirigiert man nicht aus dem Handgelenk. Also ein wilder Hund? Das Klischee zerbröselt in der ersten taffen Links-rechts-Passage: Trotz kurzem Radstand verkneift sich der Zweitürer jede Zickigkeit, klebt an den Kommandos des Fahrers, verbittet sich Eigenmächtigkeiten; der Yaris fährt ernsthaft, entschieden und effektiv.

Hockenheim, ESP deaktiviert. Wer im Scheitelpunkt stumpf Gas gibt, katapultiert sich einfach auf die nächste Gerade hinaus. Selbst bei einer Momenten-Verteilung von 50 : 50 oder 30 : 70, die man statt der vorderachsbetonten Normal-Auslegung des 4x4-Systems vorwählen kann. Alle Kraft ans Heck, das könnte der GR nicht, da sein Hang-on-Prinzip auf Vorderradantrieb aufbaut. Immerhin lässt die Lamellenkupplung (aus dem früheren RAV 4) stets mindestens 40 Prozent des Drehmoments nach hinten durch. Außer man zieht an der Handbremse; dann öffnet die Kupplung, und die Hinterachse läuft frei. Um für Drifts blockieren zu können.

Doch das Reißen am Hebel ist nicht unser Ding. Lieber anpendeln, so haben wir das für die Fotos gemacht. Dafür sollte der Sport-Modus angewählt sein, der beordert 70 Prozent der Kraft nach hinten. In die Rechtskurve hineinbremsen, dabei Last auf die Vorderachse verlagern, was mit der Bremse aus dem Lexus RC F wohldosiert funktioniert; dann links antäuschen, zurück nach rechts herumwirbeln, und das Heck gleitet heraus. Nun nicht zu früh gegenlenken, stattdessen zackig Vollgas geben und der Kleine fährt quer.

Er braucht Drehzahl

Toyota GR Yaris
Achim Hartmann
Zwischen 4000 und 6500/min gehts orderntlich vorwärts. Davor ist der TT überlegen.

Die leichte Turbo-Verzögerung pfuscht glücklicherweise nicht ins Handwerk, der Vierventiler liefert bereits im Saugbereich ordentlich Vortrieb. Woran es eher mangelt: an schierer Nm-Gewalt. Denn etwa nach der halben lang gezogenen Kurve gewinnt die Traktion das Armdrücken gegen das Drehmoment, zumal die Vorderachse mit 30 Prozent der Nm die Fuhre gerade ziehen will. Was sie am Kurvenausgang spätestens wieder geschafft hat.

Dass der Kleinwagen überhaupt driftet, ist natürlich die eigentliche Sensation – ermöglicht vom Nebenabtrieb im Vorderachsdifferenzial. Es stammt ebenfalls aus dem RAV 4, wäre normalerweise auf eine hälftige Kraftverteilung limitiert. Die 70-Prozent-Sause funktioniert nur durch einen Kniff: unter anderem, weil die Hinterachse des Yaris etwas höher übersetzt ist. Das bedeutet, dass die Hinterräder bei geschlossener Lamellenkupplung schneller drehen als die Vorderräder.

Torsen-Diffs packen mit an

Audi TT 45 TFSI Quattro, Toyota GR Yaris
Achim Hartmann
„Im GR endet der Spaß nicht auf der Piste. Jenseits ist er sogar größer.“

Das optionale High-Performance-Paket bringt zusätzlich vorn wie hinten Torsen-Sperrdifferenziale, welche das zugestellte Drehmoment radweise verteilen – in der Kleinwagenklasse die absolute Besonderheit; andere, übrigens auch der TT, bemühen hier schlicht den Bremseneingriff.

Beeindruckend ist die Verlässlichkeit, die Toyota in den kurzen Radstand konstruiert hat. Da kippelt nichts, bleibt nichts im Unbestimmten, keine Unwägbarkeit in Sicht. Gefühl und Gewissheit korrelieren: An der MacPherson-Vorderachse haben die Ingenieure die Radnabenlager sowie die Anbindung der Querlenker steifer ausgelegt und zusätzlich die Federbeine stabilisiert. Gut für die Präzision, fürs Festbeißen der Front.

Hinten greifen Doppelquerlenker nach den Rädern, wobei die oberen Streben kürzer sind, um die negativen Sturzwerte zu erhöhen. Dank steifer Kugelgelenke hat man nie das Gefühl, dass sich das Chassis mit boshafter Energie auflädt. Stattdessen stützt sich das Heck satt in schnellen Ecken ab. Und es kommt nach dem Drift ohne Konterneigung zurück. Ein Träumchen.

Geht der TT quer?

Audi TT 45 TFSI Quattro
Achim Hartmann
Das Heck bekommt man zum Ausbrechen, dann versucht der TT aber wieder schnell gerade zu werden.

Wer hätte wohl erwartet, dass die Hinterachse des TT giftiger abgestimmt ist, also überraschend locker sitzt, wenn man sie bei abgeschaltetem ESP herausfordert? Audi geht den umgekehrten Weg von Toyota: Wo dort ein hecklastiges Antriebsmoment auf eine grundneutrale Fahrwerksabstimmung trifft, kombiniert der TT eine grundneutrale Allradauslegung mit einem hecklastigen Fahrwerk. Denn das Allrad-Coupé kann seinen Willen zum Sportwagen-Sein rein konstruktiv nicht über einen Drehmoment-Überschuss an der Hinterhand manifestieren – das Hang-on-System kennt keine Zwischen-Übersetzung à la Toyota. Entsprechend beanspruchen die Vorderräder mindestens die Hälfte der Nm, und die elektronisch gesteuerte hydraulische Lamellenkupplung weist dem Heck maximal den Rest zu. Sie sitzt aus Gründen der Gewichtsverteilung vor dem Hinterachs-Differenzial.

Um das Heck dennoch im Sinne des Sportwagen-Ideals zum Gieren zu bewegen, lässt es die Aufhängung an der lockeren Leine laufen. Folglich steigt die Hinterachse auf jede ernsthaft vorgetragene Aufforderung ein; sei es, dass sie eine Bodenwelle in der Kurve aushebelt, sei es, dass der Fahrer kurz überlenkt oder dass er einen bewussten Lastwechsel provoziert, indem er abrupt vom Gas geht – immer dann wird es achtern leicht.

Wir wollen bei deaktiviertem ESP sehen, wie weit das Coupé geht, und fassen die drei genannten Faktoren in Hockenheim zusammen: auf der Kuppe zwischen Sachskurve und Senke. Harsch einlenken, aushebeln lassen, vom Gas – es fliegt das Heck. Volle Antriebslast abrufen und: Nein, ein richtiger Drift wird daraus nicht. Der TT zieht sich deutlich schneller gerade, als es der Yaris tat, verbreitet trotzdem Nervenkitzel. Jener stammt eben aus dem initialen Überraschungsmoment.

Drehmomentstarker Motor

Audi TT 45 TFSI Quattro
Achim Hartmann
Der 2.0 TSI überzeugt vor allem durch das früh anliegende Drehmoment und den guten Verbrauch (8,2 l/100km im Test).

Und mit ESP? Da schwächt sich die Eigenart des Audi aufs Level eines freudig kooperierenden Hecks ab, das sich erfolgreich gegen das Untersteuern wehrt. Fahraktiv, so könnte man es auch nennen; leider büßte das Coupé gegenüber früheren Generationen das Schaltgetriebe ein. Der Zwei-plus-zwei-Sitzer ist zwangsverheiratet mit dem DSG, und der Fahrer muss dessen Eigenmächtigkeiten ertragen: etwa wenn es am Drehzahllimit hoch- oder bei einem Kick-down in der Kurve herunterzappt. Gerade Letzteres nervt, denn der Zweiliter hat selbst in der 245-PS-Version unseres 45 TFSI Quattro mit 370 Nm genug Mumm auf der Kurbelwelle, dass er massiv durch seine Mitte streben könnte. Das stämmige Moment reicht aus, um den TT über die Landstraße zu schubsen. Während die lange Übersetzung auf der Autobahn für angenehme Reiseruhe sorgt.

Im Toyota dagegen denkt man bei etwas mehr als Richtgeschwindigkeit bereits ans Ende des möglichen Vortriebs – ein akustisch ausgelöster Irrglaube: Der Dreizylinder klingt schon recht früh ausgedreht, wobei das Beste erst den erwartet, der tapfer auf dem Gaspedal bleibt. Denn zwischen 4000 und 6500/min setzt der Turbo zum Durchmarsch an. Kleines Leistungsfenster? Schon, aber dazu passt die kurze Übersetzung: Im nächsthöheren Gang fällt die Drehzahl nie zu tief, es ist sofort wieder Dampf auf dem Kessel. Passend für die Landstraße. Und für alles, was jenseits davon liegt. Dort, wo man heute schon nicht mehr fahren darf.

Die Kinder aus dem Gestern wissen, dass sich früher in diesem Jenseits-Gebiet eine fantastische Gaudi erleben ließ. Doch für die Kinder aus dem Morgen werden selbst die limitierten GR- und TT-Geschichten aus dem Heute schätzungsweise unwirklich fantastisch klingen.

Umfrage
Der Toyota Yaris GR ist...
30356 Mal abgestimmt
... eine Erfrischung der Kleinwagen-Landschaft.... ein komplett überflüssiges Modell.
Technische Daten
Audi TT Coupé 45 TFSI Quattro Toyota Yaris GR GR High-Performance-Paket
Grundpreis47.200 €38.490 €
Außenmaße4191 x 1832 x 1353 mm3995 x 1805 x 1455 mm
Kofferraumvolumen305 bis 712 l207 l
Hubraum / Motor1984 cm³ / 4-Zylinder1618 cm³ / 3-Zylinder
Leistung180 kW / 245 PS bei 5000 U/min192 kW / 261 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h230 km/h
0-100 km/h5,3 s5,1 s
Testverbrauch8,2 l/100 km9,2 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024

Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten