BMW M4 CSL gegen GT4
Duell der Extrem-M

Nummernschilder versus Startnummern, Straßenreifen versus Slicks, M4 CSL versus M4 GT4 – Start frei zum besonderen BMW-Zweikampf von Straßenauto gegen Rennwagen.

Das Duell M4 CSL gegen M4 GT4 läuft im Rahmen der Vorbereitung auf den sport auto-Renneinsatz beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring. sport auto-Testredakteur Christian Gebhardt startet beim legendären Klassiker in der Eifel bereits zum 17. Mal in Folge und teilt sich 2023 das Cockpit des durch das BMW-Werksteam RMG eingesetzten M4 GT4 mit keinem Geringeren als Jörg Weidinger. Neben dem zweimaligen FIA-Europa-Bergmeister und heutigen Test- und Entwicklungsfahrer der M GmbH greifen noch Guido Naumann und Jethro Bovingdon mit ins GT4-Lenkrad.

Unsere Highlights

Zur Vorbereitung testet das BMW-Team in Dijon-Prenois: Neun Kurven und 3,801 Kilometer klingen fürs Erste nicht sehr spektakulär, doch die hügelige Topografie der französischen Grand-Prix-Rennstrecke (sechs Formel-1-Rennen zwischen 1974 und 1984) mit einer Steigung von bis zu 14 Prozent hat es in sich. Fühlt sich passenderweise fast ein bisschen wie die kleine Schwester der Nordschleife an.

Auch das Straßenauto mit Cupreifen haftet bei Feuchtigkeit mäßig

Los geht der Testtag in Dijon jedoch zunächst im Straßensportler M4 CSL bei feuchten Gripverhältnissen. No risk! 550 PS treffen auf kalte Extrem-Cupreifen vom Typ Michelin Pilot Sport Cup 2 R – logisch, dass die Stabilitätskontrolle DSC zunächst eingeschaltet bleibt. Später bei trockenem, aber weiter mäßigem Streckengrip geht’s von "DSC on" über den MDM-Modus, der die ESP-Regeleingriffe mehr zurücknimmt, anschließend mit deaktiviertem DSC in die zehnstufige Traktionskontrolle. Mit TC-Map 6 surft der CSL mit viel Lenkpräzision, aber Leistungsübersteuern über die Ideallinie. Der Übergang von der Haft- zur Gleitreibung verläuft jedoch gut beherrschbar.

Cup 2 R: CSL-Straßenreifen mit Monster-Grip

Wieder einmal beeindruckend: der rennreifenähnliche Trockengrip des Michelin Pilot Sport Cup 2 R auf dem M4 CSL. Wie nah der Cupreifen mit Straßenzulassung an einem echten Rennslick ist, lässt sich heute im direkten Vergleich beurteilen. Fazit: So nah dran wie der Cup 2 R ist kein anderer Pneu mit Straßenzulassung. "Die Mischung des Laufstreifens entspricht einer harten S9-Slick-Mischung", erklärt Jörg Weidinger, wie der Cup 2 R sein bombastisches Gripniveau hervorzaubert. Dijon-Rundenzeit des M4 CSL? Zügige 1.27,6 Minuten.

Raus aus dem CSL, rein in den GT4. Die Cockpit-Ergonomie der Rennversion passt schon im Stand auf Anhieb wie eine zweite Haut – und riecht schwer nach dem großen Rennbruder M4 GT3. "Direkte Übernahmen aus dem M4 GT3 betreffen Lenkrad, Bedienkonzept, die exakt gleiche Sitzposition im Chassis, die Bremszangen, die Dämpfertechnologie sowie das Carbondach", verrät GT4-Projektleiter Richi Wesselak.

BMW M4 GT4, Cockpit
Hans-Dieter Seufert
Das Fanatec-Lenkrad des M4 GT4 wird auch im großen GT3-Bruder genutzt.

Mit einem kurzen Handgriff passen sich die verstellbare Pedalerie sowie der Abstand und die Höhe des Lenkrads ideal an die eigenen Wünsche an. Starttaste auf dem Dashboard des M4 GT4 drücken, und der baugleiche Reihensechszylinder-Biturbo wie im CSL legt mit herrlich ungefiltertem Auspuffbass seiner Renn-Abgasanlage los.

GT4-Rennauto 50 Kilo leichter als M4 CSL für die Straße

Klingt kerniger, obwohl sich dahinter weniger Leistung verbirgt. Für Rennsportfans ist Balance of Performance kein Fremdwort. Auch der M4 GT4 kann bis zu 550 PS wie der CSL leisten – heute in Dijon läuft der GT4 jedoch "gedrosselt" mit rund 450 PS.

Dank seines im Vergleich zum CSL (1.618 kg mit vollem Tank) um 50 Kilo niedrigeren Gewichts schieben auch 450 PS den GT4 gut an. Grün, Gelb, Rot – wenn alle LEDs am oberen Rand des Motec-C127-Displays blinken, dann ist es Zeit für einen Zug an der rechten Lenkradwippe. Blitzschnell wechselt der GT4 mit Auspuffgrunzen die Fahrstufe. Das Siebengang-Automatikgetriebe von ZF ist eine Übernahme aus der Serie mit angepasster Applikation. Der achte Gang des Seriengetriebes ist zwar verbaut, aber für den Renneinsatz unterbunden.

Beim Anbremsen ist ein weiterer Unterschied zwischen Rennfahrzeug und Straßenmodell sofort spürbar: Der M4 GT4 nutzt eine längsverstellbare Motorsport-Pedalbox mit verstellbaren Waagebalken zur Regulierung der Bremsdruckverteilung. Bauartbedingt verzichtet er auf einen Bremskraftverstärker wie im Serienfahrzeug. Die erforderlichen Pedaldrücke beim Anbremsen erinnern fast an die Beinpresse im Fitnessstudio. Im M4 CSL ist der Kraftaufwand wesentlich geringer. Die ABS-Regelung bei späten Bremspunkten begeistert in beiden M4. Im GT4 blitzen dabei noch blaue LEDs an den Seiten des Displays auf.

Klick, klick, klick – linken Lenkraddrehregler am GT4-Lenkrad drehen, und im Display leuchtet die Fragestellung "TC Map 6, ok?" auf. Anschließend muss die TC-Stufe mit der "OK"-Taste auf dem Lenkrad bestätigt werden. "Eine hohe Priorität in der TC-Applikation galt dem Reifenverschleiß, um in jeder Phase des Reifenlebens das optimale Schlupfniveau anfahren zu können", erklärt Jörg Weidinger. Stichwort Reifenverschleiß: Wir sind nicht nach Dijon gekommen, um nur nach Lust und Laune schnellen Rundenzeiten nachzujagen, sondern sollen auch dabei helfen, weitere Erkenntnisse für den Langstrecken-Renneinsatz des M4 GT4 zu sammeln.

GT4-Rennauto trotz weniger Leistung schneller als Straßen-CSL

Daher geht’s in Dijon auf einem 25 Runden alten Reifensatz der profillosen Pirelli-Rennslicks in einen Stint über nochmals 25 Runden. Auf der reifenfordernden Piste will die Entwicklungscrew nochmals checken, wie stark der Reifengrip an der Vorderachse über die Distanz abbaut. Doch Gripniveau und das präzise Einlenkverhalten bleiben mit den Pirelli-Slicks vom Typ DHF erstaunlich lange konstant. Die Hinterreifen bauen gen Runde 50 jedoch spürbar ab. Von Runde zu Runde nimmt der M4 GT4 die lang gezogene Start-Ziel-Eingangsrechts mit immer stärkeren, aber gut beherrschbaren Driftwinkeln.

Anders als beim CSL mit seinen flammneuen Cup-2-R-Pneus ist die Peak Performance des Slicks auf dem M4 GT4 natürlich schon vor dem Stint nicht mehr abrufbar gewesen. So hinkt der Vergleich zwischen Straßen- und Renn-M. Trotz Minderleistung und runtergenudelter Schlappen schenkt der M4 GT4 dem CSL in Dijon fast 2,5 Sekunden ein. Mit neuen Slicks würde das Delta zwischen vier und fünf Sekunden liegen.

Alle Details zum Duell M4 CSL gegen M4 GT4, sämtliche Messwerte und weitere Infos zum sport auto-Renneinsatz beim 24h-Rennen lesen Sie in sport auto 5/2023 – ab 14. April am Kiosk.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten