Audi RS4 (B5) als Gebrauchtwagen
Biturbo-Allrad-Kombi für Speed-Junkies

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Im tiefen Tal der Super-Schnäppchen ist der Audi RS4 nie angekommen. Für Speed-Junkies hat sich der seltene Allrad-Kombi aber längst zum Geheimtipp entwickelt – Wertzuwachs garantiert. Was gilt es beim Gebrauchtkauf zu beachten?

Audi RS 4, Frontansicht
Foto: Rossen Gargolov

Ein Auto von Verrückten für Verrückte. Geht wie ein Sportwagen, fährt wie eine Limousine. Eier legende Wollmilchsau des Automobilbaus. So lauteten einige Umschreibungen von Marcus Schurig im Dauertestfazit zum Audi RS4. In Heft 11/2002 wurde über die gemeinsamen 100.000 Kilometer der Redaktion mit dem Power-Kombi philosophiert. Auf sechs Seiten las man Dinge wie „traumhaft“, „sensationell“, „geht wie die Sau“ oder „ich will nie mehr ein anderes Auto fahren“. Die Begeisterung über den gelben Fünftürer war grenzenlos und ließ nur einen Schluss zu: Als der Audi RS4 ging, herrschte Ernüchterung, ja große Leere bei sport auto. Und heute? Gilt das damals Geschriebene noch? Nach gut 13 Jahren, wo sich doch die komplette Autoindustrie auf links gedreht hat?

Unsere Highlights

Unsere Gebrauchtwagen-Suche nach den besten Trüffelstücken beginnt im Netz. Zwei Händler winken ab, die Gründe: „Kein Interesse, Auto gehört Kunde“ und „irgendwelche Ar ... geigen haben mir den RS4 am Sonntag geklaut!“ Anruf bei Audi Tradition. Sie würden gerne helfen, haben einen gelben und einen roten RS4 in ihrer Sammlung, können uns aber „wegen Streusalz auf den Straßen jetzt kein Auto geben“. Kandidat Nummer vier erweist sich als Glücksgriff. Damm Fahrzeugtechnik ist RS4-Spezialist: An- und Verkauf, Wartung, Ersatzteile, Motorinstandsetzung, Tuning – im hessischen Langenselbold herrscht All-inclusive-Mentalität. Die Halle ist voll von proper gewienerten Bayern-Kombis. Gelb oder rot? Tuning oder Serie? Wenig oder viel Kilometer? Auch jenseits des Rotlichtmilieus liegt das Paradies manchmal mitten im Industriegebiet.

Audi RS4 (B5) insgesamt nur 6.046 mal gebaut

Bevor wir einen der aufgeblasenen gebrauchten Audi entern, weiht uns Inhaber Thomas Damm in die Geheimnisse des nur 6.046 Mal, von 1999 bis 2001, gebauten RS4 Nummer 1 ein. „Der V6-Biturbo ist robust, ich habe Kunden mit 400.000 km auf dem Tacho. Probleme gibt's nur, wenn die Fahrer Störungen ignorieren, Wartungen hinauszögern oder es mit dem warm und kalt fahren nicht so genau nehmen“, so der Hesse. Damm zeigt auf einen Tisch, wo er einige Leichenteile drapiert hat: Pleuel, Kolbenbolzen, Nockenwelle, Tassenstößel, Zündkerze und Turbinenrad sehen regelrecht zerfleddert aus. „Das kommt davon, wenn man trotzt hässlicher Motorgeräusche einfach weiterfährt.“

Audi RS 4, Modellvariantionen
Rossen Gargolov
Damm Fahrzeugtechnik ist RS 4-Spezialist: An- und Verkauf, Wartung, Ersatzteile, Motorinstandsetzung, Tuning – im hessischen Langenselbold herrscht All-inclusive-Mentalität.

Was geht kaputt? „Die Nockenwellensteller inklusive -spanner halten maximal 120.000 Kilometer, die Lima 180.000. Nach rund 15 Jahren wird die elektrische Zusatzwasserpumpe undicht, genauso lange hält auch die Benzinpumpe. Wenn sich die Lambdasonden verabschieden, geht der Motor in den Notlauf.“ Und die Turbos? „Wenn sie pfeifen, liegt eine Unwucht vor. Zerlegen, Reinigen, neue Lager und Unwucht beseitigen, fertig.“ Eine Überholung kommt auf rund 750 Euro, zusammen mit dem Aus- und Einbau des Motors und den nötigen Zusatzarbeiten kommt man preislich auf 2.850 Euro. Zwei komplett neue Lader inklusive Motoraus- und -einbau sowie der weiteren Extras kosten 4.950 Euro. Audi verlangt für beide Turbos 6.500 Euro – ohne Montage. „Als bestes Öl für den 2,7-Liter-V6 hat sich das 5W30 von Total herauskristallisiert“, so Damm. Getunte Motoren kranken oft an einem gerissenen Abgasgehäuse, was sich aber schweißen lässt.

Kupplung und Getriebe gelten als robust

Und sonst? Die Kupplung hält im Schnitt enorme 200.000 Kilometer, aber nur wenn die 380 Serien-PS anliegen. Auch das Getriebe ist robust. Wer jedoch im ersten Gang ein singendes Geräusch vernimmt, weiß, dass der Vorbesitzer häufig Kavalierstarts zelebriert hat. Der übrige Antrieb – von der Abgasanlage über die Kardanwelle, das Differenzial bis zu den Antriebswellen – ist überaus haltbar dimensioniert. Schwächelnde Querlenker teilt sich der Über-Audi mit den anderen A4 vom Typ B5. Brechende Hinterachsfedern sind eine Audi RS4-Spezialität, ebenso wie zu weiche Alus: Die schicken Neunspeicher nerven nicht selten durch unwuchtiges Verhalten. Für den englischen Markt und dortige schlechte Straßen goss Audi verstärkte Räder, die jedoch nicht mehr als Ersatzteile verfügbar sind. „Ich habe noch einige verstärkte, neue Sätze zum Freundschaftspreis auf Lager“, grinst Thomas Damm.

Sonstige Gebrechen: Ab und zu geht die Navi-Antenne kaputt, und das Zentraldisplay zeigt Pixelfehler. Auch die Bremsbelag-Verschleißanzeige, die Radlager und ein pulsierendes Bremspedal können auffällig werden. Rost an der Karosse ist leider auch ein Thema, ebenso wie anlaufende Spiegelgläser.

Audi RS4-Testexemplar mit Neuwagenflair

All diese unschönen Erscheinungen kennt der misanorote Kombi, den uns Thomas Damm vor die Halle stellt, nur vom Hörensagen. Der Audi RS4 atmet Jahreswagenaroma: Gut 10.000 Kilometer auf der Uhr, außen wie innen alles superfrisch; schon im Stand löst der Allradler den Sofort-haben-will-Reflex aus. Beim Warmfahren fällt auf: Unauffällig schnürt man durch den Verkehr, die Lenkung gefällt mit top Präzision, der V6 brummelt zufrieden vor sich hin, die Schaltung agiert wie gewohnt leicht knorpelig. Das Öl ist warm, die Reifen weniger, der Asphalt noch leicht feucht.

Audi RS 4, Cockpit, Fahrersicht
Rossen Gargolov
Der V6 schnaubt auf, dreht blitzschnell zur 7.000er-Marke und singt ein besonderes Turboliedchen

Zweiter Gang, 2.000 Touren, Vollgas: Die 255er-Pneus zucken kurz, das ASR-Symbol blinkt, der V6 schnaubt auf, dreht ab 2.500/min blitzschnell zur 7.000er-Marke und singt sein besonderes Turboliedchen. Dritter Gang, das Spiel beginnt aufs Neue, und der Tacho – oh, wir sind ja noch auf der Landstraße. Also nix wie auf die Autobahn.

Ruck, zuck steht der Zeiger im Audi RS4 bei 230, ein Linksfahrer nach dem anderen räumt die Überholspur für den Xenon-flackernden Renn-Kombi. Querfugen mag das straffe Fahrwerk nicht besonders – je schneller, desto auffälliger. Tacho 280 sind möglich, bei 262 km/h sind alle Audi RS4 abgeregelt, auch wenn Audi politisch korrekte 250 angibt. Das anschließend nötige harsche Bremsmanöver ruft in Erinnerung, dass die Serienbremse weder sehr kräftig noch besonders haltbar ist. Als Alternative zu den antiquierten Schwimmsätteln konnten flinke RS4-Treter gelochte Scheiben und geänderte Beläge ordern. Doch diese Zutaten sind nicht mehr lieferbar, dafür montiert Thomas Damm die standfeste Brembo-Anlage mit Acht-Kolben-Festsätteln vom Nachfolger, dem RS4 B7. Kosten: 2.900 Euro.

Lieber rund 25.000 Euro ausgeben

Eine weitere Empfehlung ist der RS4-Check für nur 85 Euro. Bei der einstündigen Fahrt hängt ein Diagnosegerät am OBD-Stecker. „Wir prüfen den Motor auf Zündaussetzer, checken die Turboladersteuerung sowie die Nockenwellenversteller. Den Check mache ich bei jedem Auto, das ich ankaufe.“ Apropos kaufen: Bei einem Preis von rund 13.000 Euro geht's auf dem Gebrauchtwagenmarkt los. Wer auf Nummer sicher gehen will, gibt lieber mehr aus, wie Thomas Damm empfiehlt: „Für 25.000 Euro findet man viel öfter einwandfreie Autos ohne Wartungsstau und mit nachvollziehbarer Historie.“ Hat der RS4 das Zeug zum Klassiker? „Da glaube ich fest dran. Aktuell legen die Autos jährlich mindestens fünf Prozent an Wert zu.“

Audi RS 4, Seitenansicht
Rossen Gargolov
Unverkäuflich: Der misanorote RS 4 besticht mit absolutem Originalzustand und hat erst 10.000 km auf dem Tacho.

Audi RS 4 (B5) und die Konkurrenz

Als der erste Audi RS4 1999 auf den Markt kam, steckte er so ziemlich alles in den Sack. Auch um AMG und Co. fuhr der 380 PS starke Allrad-Kombi nach Belieben Kreise. Erst der M3 E46 zeigte sich als ebenbürtiger Gegner. Den kleinen Kurs in Hockenheim umrundeten der Dauertest-RS4 in 1.17,5 Minuten, der Dauertest-M3 war nur eine Zehntel langsamer. Wesentlich mehr Zeit ließ sich der C 32 AMG: Mit einer 1.20,6 min war die Affalterbacher Limousine um satte drei Sekunden langsamer.

Beim Verbrauch liegt das kompressorgeladene V6-Triebwerk des AMG auf ähnlichem Niveau wie der V6-Biturbo des Audi: Rund 15 Liter im Mittel dürfen es alle 100 Kilometer schon sein. Da hat der Reihensechszylinder-Saugmotor des BMW M3 konzeptbedingte Vorteile: Er nimmt sich mindestens einen Liter weniger aus dem Tank. Bevor wir's vergessen: Herr Damm, nochmals Danke für Ihre Unterstützung! Falls Sie der Redaktion einen Dauertester zur Verfügung stellen wollen, wir würden den roten oder gelben RS4 nehmen! Wie? Unverkäuflich? Holy shit, wir haben's geahnt …

Audi RS4 (B5): Technische Daten

  • Wassergekühlter V6-Motor mit Biturbo-Aufladung
  • Hubraum 2671 cm3
  • Leistung 380 PS (280 kW) bei 6100-7000/min
  • maximales Drehmoment 440 Nm bei 2500-6000/min
  • Allradantrieb
  • manuelles Sechsganggetriebe
  • Höchstgeschwindigkeit 250 km/h
  • sport auto-Messwerte (11/2002): 0-100 km/h in 4,9 s
  • Bremsweg 100-0 km/h, warm: 37,8 m
  • Rundenzeit Kleiner Kurs Hockenheim: 1.17,5 min
  • Testverbrauch (Super Plus): 14,8 Liter/100 km
  • Gewicht vollgetankt 1.661 kg.
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten