Opel Astra Electric im Test
Schade, dass zu dem Preis nicht mehr geht

Benziner, Plug-in oder Elektro? Auch als Electric sieht der Astra genauso aus wie die Varianten mit anderen Antrieben. Die Eckdaten des neuen Elektro-Opel: 54 kWh Akkukapazität, 156 PS, 278 Kilometer Testreichweite. Und dafür 45.060 Euro? Schauen wir mal.

Opel Astra Electric
Foto: Achim Hartmann

Nach der Kadett-Ära steht der Astra mittlerweile auf der sechsten Generation des Opel-Kompaktwagens, bei dem nun erstmals auch ein reiner Elektroantrieb zum Einsatz kommt. Erkennen lässt sich der Antrieb von außen kaum, nur das "e" auf der Heckklappe macht es offensichtlich. Ansonsten ist der Electric 18 mm höher und steht serienmäßig auf 18-Zoll-Reifen, die zehn Millimeter schmaler sind als die Achtzehner der anderen Versionen: 215/45 R18 statt 225/40 R18.

Der große E-Ratgeber

Ein Sonderangebot folgt aus den Gleichbauteilen nicht: Der nur in umfangreicher GS-Ausstattung angebotene Electric kostet 45.060 Euro minus 7.178 Euro Umweltprämie – für das Geld bekommt man auch Kompakte mit größeren Akkus. Der des Astra wird mit in Deutschland von CATL hergestellten Modulen in Rüsselsheim zusammengebaut, wiegt 340 kg und speichert 54 kWh (netto: 50,8). Die nutzt der Electric mit hoher Effizienz und schaffte im Test bei sommerlichen Temperaturen 278 Kilometer. Im Testdurchschnitt verbrauchte der Astra 20,5 kWh pro 100 km. Auf der Eco-Runde begnügte er sich mit 15,4 kWh pro 100 km.

Und die Ladeleistung? An AC-Säulen muss man sich mit 11 kW begnügen, und am Schnelllader vergehen im Test 31 Minuten, um den Akku von zehn auf 80 Prozent zu laden. Dabei fließen maximal 105 und im Schnitt 80 kW – ein ordentlicher Wert für diese Akkugröße, die auf Reisen trotzdem häufige und lange Stopps bedingt. Wie oft genau? Auf einer Testfahrt (25 °C) haben wir am Rastplatz Wunnenstein Ost auf 80 Prozent geladen, sind die wenig ausgelastete A 81 circa 100 km hoch- und zum Topografieausgleich wieder runtergefahren. An Wunnenstein West meldete der Bordcomputer 193 km, neun Prozent SOC und einen 115-km/h-Schnitt (max. 134 km/h).

Opel Astra Electric
Achim Hartmann

278 Kilometer weit fährt der Astra; auf 371 Kilometer steigt der Wert im ams-Streckenprofil „Eco“. Der Testverbrauch beträgt 20,5 kWh/100 km (Eco: 15,4).

Vorteil des mittelgroßen Akkus: das vergleichsweise niedrige Leergewicht von 1.687 kg, zu dem die Thermoplast-Heckklappe ihren Teil beiträgt. Und die leichte Motorhaube, unter der nur Technik, aber kein Staufach steckt. Größere Ablagen fehlen auch unter dem Gepäckraumboden, weshalb die Ladekabeltasche im Kofferraum viel Platz blockiert.

Gelungenes Fahrwerk

Mit drei großen Klettstreifen krallt sie sich jedoch selbst dann fest, wenn Kurven ambitioniert angegangen werden. Das geht bei nicht zu hohen Einlenkgeschwindigkeiten ganz gut: Die Wankbewegungen halten sich in Grenzen, und Lenkbefehle werden mit eher geringer Verzögerung umgesetzt. Die ausreichend direkt übersetzte Lenkung läuft dabei weitestgehend flüssig, fühlt sich beim Zurücklenken in die Geradeausstellung jedoch teils etwas synthetisch an, zudem vermittelt sie kein Gefühl für das Haftungslimit der Reifen. Gewöhnung bedingt das beim starken Bremsen wenig definierte Pedalgefühl, wobei die Dosierung im Alltag viel intuitiver und deutlich besser klappt als beim Plug-in-Modell.

Der 156-PS-Motor des Fronttrieblers trägt zum soliden Fahrspaß zwar wenig bei, steht ihm aber nicht weiter im Weg: 50 auf 100 km/h in 5,6 Sekunden, dazu ein recht direktes Ansprechverhalten. Die 270 Nm gibt die Software bei größeren Lenkwinkeln oder aus dem Stand nur stufenweise frei, um unter anderem die Reifen zu schonen – selbst bei abgeschalteter Traktionskontrolle, die ab Stadttempo automatisch reaktiviert wird. An Ampeln spürt man das vorwiegend bei Vollstrom: Erst geht’s etwas zögerlich los, ab 30 km/h dann spritzig auf 50 weiter. Auf der Autobahn beschleunigt der Astra Electric für seine Leistung überdurchschnittlich schnell: 100 auf 160 km/h in 13,8 Sekunden, bei 170 km/h ist Schluss.

Speziell im Bereich der Richtgeschwindigkeit sind die Wind- und Reifengeräusche unaufdringlich. Zu den Komfortpluspunkten zählen die tief montierten AGR-Sitze mit teilelektrischer Verstellung für den Fahrer sowie das nur leicht straffe Fahrwerk, das den Aufbau fest im Griff hat. Weiter geht’s mit bequemen Griffmulden an der Rückseite des hochwertigen Kunstlederlenkrads – das lässt sich mit abgestützten Ellenbogen greifen, besser ginge es, wenn die Armlehnen etwas höher wären.

Fondpassagiere müssen sich mit wenig seitlichem Kopfraum und nur einem USB-C-Anschluss (15 Watt) arrangieren, der unterhalb der Luftausströmer sitzt. Doch schon das Einsteigen macht keinen Spaß, weil man dafür wegen des begrenzten Beinraums die Füße unter die Vordersitze schieben muss, wo sie je nach Schuhform klemmen. Die Rückbank hat eine angenehme Ausformung und die ausklappbare Armlehne eine superweiche Polsterung, doch der Abstand zwischen Sitzfläche und Boden ist gering. Zudem lässt sich bei diesem Testwagen das Fenster hinten links von dort nicht bedienen, da der Schalter sich gelöst und in die Verkleidung verabschiedet hat. Ansonsten wirkt die Verarbeitung robust, und man fühlt sich wohl, wenngleich es schon reichlich Hartplastik gibt.

An schwarz glänzenden, kratzempfindlichen Oberflächen hält Opel also fest, macht bei dem Trend zu Touchfeldern statt Tasten aber nicht mit. Das zahlt sich aus, denn der Mix aus Tasten und dem Touchscreen lässt sich ordentlich bedienen. An manchen Stellen stören zu kleine Grafikbuttons, dafür hilft die physische Steuerung der Klimatemperatur und Lüfterstärke genauso wie die Home-Taste, die per Langdruck Apple CarPlay und Android Auto (beides kabellos) aufruft. Clever: Die Positionierung des empfehlenswerten Head-up-Displays verstellt man mit dem Knubbel für die Spiegeleinstellung. Schade: Spracheingaben funktionieren mal gut und mal gar nicht.

Das Infotainment ergänzt die serienmäßigen Parkpiepser rundum mit einer 360-Grad-Ansicht; die Kameras liefern auch bei Dunkelheit noch gut erkennbare Bilder. Die Musikanlage klingt ganz okay, doch eine Upgrade-Option wäre schon gut (dem Electric fehlt die Reserveradmulde für den Subwoofer). Wobei schon die vorhandene hier und da nervige Türtafel-vibrationen verursacht, die auf der Autobahn abnehmen.

E-Auto-Basics zu mager

Das Instrumenten-Display mit Power/Charge-Meter zeigt den Akkufüllstand in Prozent inklusive Restreichweite an. Wenn man an der Raststätte während der Schnellladung im Auto sitzt, kann das Ladetempo nur per An-aus-Prozedur aufgerufen werden. Angezeigt wird es in nachgeladener Reichweite pro Stunde statt kW und die voraussichtliche Ladedauer nur bis 100 Prozent, was wenig nützt, da die Ladeleistung oberhalb von 80 Prozent stark einbricht.

Opel Astra Electric
Achim Hartmann

9,3 Sekunden vergehen von null auf 100 km/h, bei 170 km/h ist Schluss. Gute Ausdauer: konstante Messwerte in allen zehn Sprints.

Solche E-Auto-Basics sollten besser gelöst sein, was auch für die Ladesäulensuche per Tomtom-Navigation gilt: Einen Suchfilter "entlang der Route" gibt es zwar, aber keinen für das gewünschte Mindestladetempo. Eine Routenplanung samt Ladestopps fehlt gänzlich. Rekuperationsmodi? Davon gibt es zwei, wobei der stärkere die per Fahrpedal ausgelöste Energierückgewinnung von 25 auf maximal 48 kW erhöht: eine gut nutzbare Verzögerungsleistung, die aber keinen Einpedalbetrieb ermöglicht, auch gibt es keine Auto-Hold-Funktion (Bremsautomatik im Stand). Die vorhandenen Modi sind dafür sauber abgestimmt: Fahrpedalbewegungen führen zügig, aber nicht hektisch zu vorhersehbaren Reaktionen.

Willkür erlaubt sich hingegen die aktive Spurführung. Gut los geht’s mit dem kapazitiven Lenkrad, das unberechtigte Lenkrad-nicht-loslassen-Mahnungen verhindert. Nur positioniert die Software den Astra auf der Autobahn regelmäßig nicht mittig in der Spur und fährt dann auch nah an anderen Autos vorbei – seltsam, weil das System teilweise auch vorbildlich funktioniert. Verlässlicheres Entspannungspotenzial liefert mit 84 LED pro Scheinwerfer das adaptive Pixellicht, das wie das Frontscheiben-Display Aufpreis kostet.

Schon mit Bezug auf den Grundtarif halten wir fest: Auch bei Opel genügt ein Verkaufspreis von über 45.000 Euro offenbar nicht, um ein E-Auto zu bauen, das halbwegs für weite Reisen taugt. Wer für solche einen Astra will, bekommt ab 31.730 Euro einen 1.2 Turbo als GS, der so aussieht wie dieser Electric.

Kaum fernreisetauglich

Akkukapazität und Ladetempo sind überschaubar: Auf Reisen können Sie zügig keine 200 km fahren, bevor der Astra eine halbe Stunde ans Kabel muss.

Opel Astra Electric
Achim Hartmann

Im Vergleich mit einem 1.2 Turbo mit Automatikgetriebe wiegt der Astra Electric zwar 335 kg mehr, doch mit 1.687 kg ist der Astra für sein Format und seine Akkugröße eher leicht.

An AC-Ladesäulen fließt Strom dreiphasig mit bis zu 11 Kilowatt in das brutto 54 kWh fassende Akkupaket: An unserer 22-kW-Wallbox dauert ein Vollhub rund sechs Stunden. Eine situationsabhängig äußerst nützliche 22-kW-Ladeeinheit bietet Opel für den Electric auch optional nicht an. An Gleichstrom-Schnellladern lädt der serienmäßig mit Wärmepumpe ausgerüstete Astra nur kurz mit maximal 105 kW und fällt schon bei einem Ladestand von circa 55 Prozent auf unter 80 kW. Eine Ladung von 10 auf 80 Prozent dauert 31 Minuten, wobei es sich nicht auszahlt, mehr als 80 Prozent zu laden, da das Ladetempo darüber hinaus stark sinkt: 80 auf 100 Prozent in 53 Minuten. Wer mit einem SOC von 80 Prozent an der Autobahn-Raststätte losfährt sollte bei einem Tempo von rund 130 km/h spätestens nach 190 Kilometern nachladen.

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Fazit

588 von 1000 Punkte

Gute Fahr- und Komforteigenschaften, dazu ein ordentliches Bedienkonzept und ein sehr effizienter Antrieb. Auf Reisen ist wegen der mäßigen Reichweite und Ladeleistung aber Geduld gefragt – schade, dass zu dem Preis nicht mehr geht. Auch eine Routenplanung und mehr Ladesäulen-Suchfilter fehlen.

Technische Daten
Opel Astra Electric GS
Grundpreis45.060 €
Außenmaße4374 x 1860 x 1488 mm
Kofferraumvolumen352 bis 1268 l
Höchstgeschwindigkeit170 km/h
Verbrauch14,8 kWh/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024

Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten