Suzuki Ignis und Toyota Aygo X im Test
Einfach, variabel, funktional

Was die automobile Basis außer kurz und klein sonst noch so draufhat, fahren wir im 1.000-Punkte-Vergleichstest heraus – mit dem Japan-Duell zwischen Suzuki Ignis und Toyota Aygo X.

Suzuki Ignis, Toyota Aygo X
Foto: Hans-Dieter Seufert

Sollte Ihnen an großvolumigen Hubkolbenmotoren mit mindestens dreistelligen Pferdestärken, ausufernder Querdynamik oder watteweichen Luftfederungen gelegen sein, empfehlen wir Ihnen andere schöne Geschichten in dieser Ausgabe. Oder Sie wagen mal einen Blick in die Welt der automobilen Basis, die durchaus interessant sein kann.

Dabei geht es vorrangig um das Mittel zum Zweck, also die von ÖPNV-Fahrplänen unabhängige, kostengünstige, einfache Mobilität. Obwohl, so richtig kostengünstig ist die Kleinstwagenklasse schon lange nicht mehr. Noch vor wenigen Jahren haben wir Artikel mit Überschriften wie "Alle unter 10.000 Euro" geschrieben. Heute kommt man selbst mit 5.000 mehr nicht weiter. Warum? Weil einerseits die Preise generell stark angezogen haben, andererseits die Basisausstattungen nun einige Funktionen mitbringen, die vorher Extras waren.

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Und weil die Euro-7-Abgasnorm den Kleinen mit Verbrennern wahrscheinlich bald an den Kragen geht, wollen wir die Gelegenheit nutzen, vollumfänglich zu prüfen, was auf etwa 6,3 Quadratmetern Fläche so alles möglich ist.

Effiziente Raumnutzung

Suzuki Ignis
Hans-Dieter Seufert
Ein großer Gepäckschlucker ist der Ignis zwar nicht (260–1.100 l Volumen), dank verschiebbarer Rückbank aber ein variabler.

Allerhand, stellen wir beim Ignis fest, bevor wir auch nur einen Meter gefahren sind. Weil er ziemlich viel Raum aus seiner 3,70-Meter-Karosserie rausholt – mit kurzer Haube, steil stehender Frontscheibe und hohem Dach. Das Gepäckabteil hinter der vergleichsweise niedrigen Ladekante schluckt mindestens 260 Liter – oder drei Bordtrolleys plus Sporttaschen.

Reicht Ihnen nicht? Dann schieben Sie doch einen oder gleich beide Fondsitze nach vorn. Schon passen noch ein paar Sixpacks Wasser ins Heck, gleichzeitig allerdings auch nur noch kurze Beine hinter die Vordersitze. Reicht Ihnen immer noch nicht? Dann müssen die Fondpassagiere wieder aussteigen. Danach erweitern Sie den Stauraum auf 1.100 Liter bei flach gelegten Rücksitzlehnen. Umklappen geht übrigens immer, Rückbankverschieben und Fondlehnenneigen erst ab Ausstattungslinie Comfort (19.560 Euro). Wer diese variablen Vorzüge genießen will, muss hinten allerdings auf einen Sitzplatz verzichten. Was kein Drama ist, denn bei bloß 1,33 Metern Luft zwischen den hinteren Türinnenverkleidungen ist eh nur Raum für zwei Personen – egal ob erwachsen oder auf isofixierte Kindersitze geschnallt.

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Den Weg in die zweite Reihe macht Ihnen der uneitle Ignis für seine Klasse erstaunlich einfach, weil er auf von Designern diktierte schwungvolle Dachlinien und schräg nach vorn verlaufende C-Säulen verzichtet. Ergebnis: verhältnismäßig große Ausschnitte mit beinahe rechtwinklig, also ziemlich weit öffnenden Türen (Achtung, Beulengefahr am Nachbarauto in engen Parklücken!).

Weniger hübsch als funktional

Suzuki Ignis
Hans-Dieter Seufert
Funktionales Cockpit mit ungenauen Spaltmaßen und bloß vertikal einstellbarem Lenkrad.

Großen Komfort sollten Sie hinten nicht erwarten, die kurze Rückbank taugt aber für mehr als bloß Kids auf Maxi-Cosis. Große Füße schiebt man unter die Vordersitze, Getränkeflaschen mit bis zu 0,75 Litern Volumen in die entsprechenden Türfächer oder in das hintere Ende der Mittelkonsole zwischen den Vordersitzen. Der äußere Arm lehnt lässig auf der in die Tür integrierten Auflage. Ist die Luft mal dick, versenkt man entweder die Fenster – auch in der zweiten Reihe per Tastendruck – oder schaltet die serienmäßige Klimaanlage ein, die ab Comfort+ (20.400 Euro) sogar automatisch arbeitet.

Das Cockpit ist in eine weniger hübsche als funktionale Kunststofflandschaft eingebettet, mit ein paar Farbakzenten und so manchem aus der Reihe tanzenden Spaltmaß. Vorm Fahrersitz steckt ein nur in der Höhe einstellbares Lenkrad, mit Knöpfen drauf sowie Analoguhren für Tempo und Drehzahl nebst simpler Schwarz-Weiß-Digitalanzeige dahinter. Die spuckt neben Tankfüllstand und den üblichen Fahrdaten auch Reifendrücke aus (möglicherweise weil man Ignis-Fahrern mit Allradantrieb – ja, es gibt ihn auch als 4WD – Geländegänge zutraut, auf denen der Reifen eine noch wichtigere Rolle spielt als auf Asphalt) und wird etwas umständlich bedient, weil mit Tasten auf, aber auch links hinter dem Lenkrad. Ergonomisch ebenfalls ungünstig, weil recht tief installiert, sind die Klimaregler, was aber halb so wild ist, da man hier nicht wischen oder touchen muss, um es ein paar Grad wärmer zu haben. Überhaupt ist der Ignis einer von der analogen Sorte – den mit etwas wenig Sensitivität und Rechenleistung gesegneten Touchscreen ausgenommen, über den man sich vom Navi leiten (ab Comfort+) oder von mitgebrachter Musik via Smartphone (Apple CarPlay und Android Auto sind ab Comfort Standard) unterhalten lassen kann.

Schwach auf der Bremse

Suzuki Ignis, Toyota Aygo X
Hans-Dieter Seufert
41,2 Meter Strecke legt der Ignis bei einer Vollbremsung aus 100 km/h zurück, ehe er steht. Das ist viel zu lang! Und 39,3 Meter sind auch kein Wert zum Angeben, lieber Aygo X.

Denn unterhaltend ist das Ignis-Fahrerlebnis nicht. Und damit ab auf die Straße, den kultiviert laufenden, mildhybridisierten Vierzylinder ausprobieren, den ein integrierter Riemen-Startergenerator auf 12-Volt-Basis wacker unterstützt, stromversorgt aus einem Mini-Akku. Bedeutet: schnelles Anlassen, Unterstützung beim Beschleunigen, Energie rekuperieren, sobald man das Gaspedal lupft. Auf diese Weise spart man ein bisschen Sprit und kommt ausreichend flott vom Fleck, erlebt einen Hauch von Drehfreude.

Kehrseite der Mildhybridmedaille ist ein weiches Bremspedal mit undefiniertem Druckpunkt. Auch Lenkung und Schaltung sind keine Präzisionswerkzeuge. Die eine wirkt teilnahmslos und um die Mittellage ein wenig wie verklebt, baut keine bis wenig Rückstellkräfte auf, schickt auch mal Stöße in die Handflächen, wenn der Ignis über gröbere Unebenheiten rollt. Die andere ist mit dem etwas tief sitzenden Knauf das Gegenteil von kurz und knackig, erfüllt aber zuverlässig ihren Zweck: Schalten.

Und auch wenn die von kleinen Buckeln und Vertiefungen angeregte Karosserie sich gerne zur Kurvenaußenseite neigt, fährt der Ignis stets stabil, filtert das Fahrwerk die meisten Unebenheiten ordentlich, trotz des kurzen Radstands und ohne aufwendige Dämpfertechnik. Man ist also immer sicher unterwegs – bis es zur Vollbremsung kommt.

Denn Bremswege von 41 Metern und mehr, die von den Kollegen auf unserem Testgelände in Lahr ermittelt wurden, sind längst nicht mehr zeitgemäß, können im Ernstfall sogar gefährlich sein. Das liegt nicht alleine an den hinteren Trommeln, sondern am mäßigen Zusammenspiel von Bremsanlage, ABS-Regelelektronik und den mehr auf Wirtschaftlichkeit denn auf Griffigkeit getrimmten Bridgestone Ecopia EP150 im Format 175/60 R 16.

Ausgesprochen Cross, der X

Toyota Aygo X
Hans-Dieter Seufert
Wenn man überhaupt von Fahrspaß reden kann, dann hat der Aygo mehr davon.

Umstieg in den gleich langen, aber rund zehn Zentimeter flacheren, etwas breiteren Aygo, dessen X "Cross" ausgesprochen wird und der auch ein wenig cross daherkommt, mit unlackierten Kunststoffverblendungen um die Radhäuser sowie angedeutetem Bug-Unterfahrschutz. So viel zum Äußeren.

Drin sitzen Sie vorn auf Polstern mit kurzer, recht konturfreier Beinauflage und nicht einstellbarer, weil in die Lehne integrierter Kopfstütze – vier Zentimeter näher über der Straße als im Ignis. Womit zumindest ein Teil der besseren Verbindung zwischen Mensch und Maschine erklärbar ist. Der andere, größere Teil geht aufs Konto des direkteren, kommunikativeren und gleichzeitig von lästigen Störfrequenzen besser entkoppelten Steuers, das Sie über ein feines Lenkrad mit zierlichem Pralltopf und vielen Knöpfen drumherum bedienen. Wie im Ignis müssen Sie auch hier bei Bedarf mit dem Sitz etwas nach vorn rücken, weil das Lenkrad nicht axial einstellbar ist.

Im auf der modularen Toyota-Kleinwagenplattform GA-B basierenden Aygo X haben Sie’s also mehr in der Hand – auch, weil das Fahrwerk verbindlicher federt, der Kontakt zwischen Fahrer und Fahrbahn intensiver, nicht aber unkomfortabler ist. Weil die Schaltung definierter ausgelegt wurde. Und das ist auch gut so, denn zum hoch positionierten, griffigen Knauf müssen Sie öfter greifen, als die Schaltempfehlung auf dem digitalen Teil der Instrumentierung vorschlägt. Man sollte sie sogar unbedingt ignorieren, also die Schaltempfehlung, weil der dreizylindrig raue Saugbenziner ein ziemlich lethargischer Geselle ist, der sich beim Anfahren gerne mal verschluckt, zäh hochdreht, erst ab rund 4.000 Touren munter wird. Um an Steigungen allzu großem Tempoverlust vorzubeugen, sollten Sie also regelmäßig ein, zwei Gänge zurückschalten.

Überraschend kommt das nicht, denn der bloß 998 Kubikzentimeter große Vierventiler ist – im Gegensatz zum Ignis-Motor – auf sich alleine gestellt. Strom fließt hier also nicht zum Antrieb, sondern nur zu Verbrauchern wie der Sitzheizung, deren Knöpfe versteckt, weil tief und nach hinten versetzt in der Mittelkonsole stecken. Auch sonst können Sie die wichtigsten Funktionen analog erledigen. Das Gedaddel am hier deutlich feiner auflösenden, schneller reagierenden Touchscreen hat man schnell raus. Hinter dem im Cockpitzentrum angeordneten Neun-Zoll-Bildschirm (ab Ausstattung Explore, die 22.430 Euro kostet) stecken die üblichen Unterhaltungs-, Navigations- und Systemfunktionen, die Sie über teils große Funktionsflächen steuern, sodass die Treffsicherheit steigt. Praktischerweise flankieren den Screen auf der linken Seite vier analoge Direktwahltasten, was die Bedienung ebenfalls vereinfacht. Ein paar Funktionen kann man aber auch über das große, von einem Halbkreis-Analogtacho eingerahmte Display steuern – zum Beispiel die Sicherheitsassistenz mit einem für dieses Segment untypischen Abstandsregeltempomaten.

Jetzt wird’s eng

Toyota Aygo X
Hans-Dieter Seufert
Im Fond ist es nicht nur eng, sondern hinter kleinen Ausstellfenstern auch ganz schön dunkel.

Passt so weit? Dann schauen wir uns doch mal hinten um, wo die Bank mehr Beinauflage bietet als die des Ignis – wenn man’s erst einmal dorthin geschafft hat. Warum das Wenn? Weil die Mini-Portale des Aygo nicht wirklich weit öffnen und man sich zwischen Tür, schräg nach vorn verlaufender C-Säule sowie Radhaus-Ausläufer durchzwängen muss. Das nervt besonders dann, wenn sperrige Kindersitze verladen werden sollen.

Zwar ist der Toyota hinten etwas breiter, für Kopf und Beine bleibt aber weniger Raum. Ganz hinten ebenso, wo man Gepäck erst über eine hohe Schwelle wuchten muss, ehe man das in Teppich, Kunststoff und blankes Blech gekleidete Kofferabteil erreicht, unter dessen Boden ein vollwertiges Ersatzrad Stauraum kostet. Beim Schließen der außen glasverkleideten Heckklappe werden Sie sich übrigens regelmäßig die Finger schmutzig machen, weil ein Griff zum Zuziehen fehlt.

Das macht ein paar Minuspunkte bei der Funktionalität, ändert am Ende aber nichts am Testsieg des moderneren, fahrsicheren Toyota.

Umfrage
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Fazit

1. Toyota Aygo X 1.0 VVT-i Explore
498 von 1000 Punkte
2. Suzuki Ignis 1.2 Dualjet Hybrid Comfort+
478 von 1000 Punkte
Technische Daten
Toyota Aygo X 1.0 VVT-i ExploreSuzuki Ignis 1.2 Dualjet Hybrid Comfort+
Grundpreis21.230 €20.700 €
Außenmaße3700 x 1740 x 1510 mm3700 x 1690 x 1605 mm
Kofferraumvolumen231 bis 829 l260 l
Hubraum / Motor998 cm³ / 3-Zylinder1197 cm³ / 4-Zylinder
Leistung53 kW / 72 PS bei 6000 U/min61 kW / 83 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit158 km/h165 km/h
0-100 km/h16,1 s12,4 s
Testverbrauch5,4 l/100 km5,6 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten