Rheinland-Pfalz blitzt Handysünder am Steuer
Überwachung soll dauerhaft kommen

Bereits 2019 kündigten die Polizeibehörden in Australien und den Niederlanden den Einsatz von Smartphone-Blitzern an. Im Sommer 2022 zog mit Rheinland-Pfalz das erste deutsche Bundesland im Kampf gegen Handysünder am Steuer nach. Im April 2023 kündigt die Landesregierung an, Handy-Blitzer dauerhaft einführen zu wollen.

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Foto: Hersteller / Patrick Lang

Die Nutzung des Smartphones am Steuer mit laufendem Motor ist nicht nur in Deutschland verboten – wegen der hohen Ablenkungsgefahr belegen viele Länder diese Art der Telefonnutzung mit Strafen. Bei der Jagd nach Handy-Sündern möchte sich die Polizei nicht mehr auf Zufallstreffer verlassen – jetzt kommen spezielle Smartphone-Blitzer zum Einsatz. Der australische Bundesstaat New South Wales blitzt bereits seit 2019 Fahrer, die ihr Smartphone während der Fahrt in die Hand nehmen. Kurz darauf kamen die Spezialkameras auch nach Europa – als Erstes setzte sie die niederländische Polizei ein.

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Positive Bilanz, Einführung angekündigt

Die deutschen Behörden haben sich lange Zeit gelassen, ebenfalls per Blitzer gegen Handy-Nutzer am Steuer vorzugehen. Doch am 1. Juni 2022 war es so weit: Mit Rheinland-Pfalz nahm das erste Bundesland die entsprechende Technik in Betrieb – wie üblich im Rahmen eines Pilotprojektes, das in zwei Phasen über sechs Monate angesetzt war.

Handy am Steuer Telefon
TÜV Nord
In den meisten Ländern verboten: Die Nutzung eines Smartphons bei laufendem Motor hinterm Steuer.

Im April 2023 hat der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling Bilanz gezogen zum Monocam-Pilotprojekt und einen Ausblick auf künftige Einsatzmöglichkeiten der neuen Technik gegeben. "Alleine im Jahr 2022 gab es in Rheinland-Pfalz 1.041 Unfälle, die auf Ablenkung zurückzuführen waren. Jeder davon ist einer zu viel. Mit dieser zukunftsweisenden Technik wollen wir gemeinsam mit der Polizei die Ablenkungsunfälle reduzieren. Das Pilotprojekt belegt, dass die Monocam eine präventive Wirkung hat und geeignet ist, die Verkehrssicherheit in Rheinland-Pfalz zu erhöhen. Deshalb wollen wir als erstes Bundesland die Monocam einführen", sagte Innenminister Michael Ebling.

"Wir haben herausgefunden, dass durch unseren neuen Ansatz die Anzahl der Ablenkungsverstöße in den Testphasen in Trier und Mainz mindestens halbiert wurde. In vielen Fällen geht die präventive Wirkung sogar noch darüber hinaus. Deshalb werden wir mit der nächsten Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes einen Vorschlag für eine Rechtsgrundlage erarbeiten, die den dauerhaften Einsatz der Monocam ermöglicht. Dabei werden wir natürlich auch die datenschutzrechtlichen Belange berücksichtigen", betont der Minister.

Die erste Erprobungsphase fand im Polizeipräsidium Trier auf der Autobahn 602 zwischen den Anschlussstellen Kenn und Trier-Ehrang von Juni bis August 2022 statt. An insgesamt 46 Kontrolltagen wurden 327 Verstöße festgestellt. Die zweite Erprobungsphase erstreckte sich im Polizeipräsidium Mainz auf der Autobahn 60 vor der Anschlussstelle Mainz-Finthen von September bis November 2022. An 42 Kontrolltagen registrierte die Polizei 941 Ablenkungsverstöße. Insgesamt entspricht dies 1.268 Verstößen, die an die Zentrale Bußgeldstelle Speyer zur Bearbeitung weitergeleitet wurden.

Die Monocam wird bereits von der niederländischen Polizei eingesetzt. Das System arbeitet ähnlich wie bereits bekannte Abstands- und Geschwindigkeitsüberwachungssysteme und beobachtet den Verkehrsfluss aus einer erhöhten Position. Dabei achtet eine angeschlossene Software unter Nutzung künstlicher Intelligenz auf Mobiltelefone im Bereich des Fahrers und auf eine entsprechende Handhaltung. Werden beide Kriterien erfüllt, löst die Kamera aus, um dies fotografisch zu dokumentieren. Im Anschluss bewerten unmittelbar speziell geschulte Polizeibeamte den festgestellten Verstoß.

Strafen schrecken nicht genug ab

Handysündern drohen in Deutschland maximal 100 Euro Geldstrafe und ein Punkt in Flensburg. In den Niederlanden liegen die Bußgelder bereits bei 240 Euro. In New South Wales sind es 344 australische Dollar (aktuell umgerechnet zirka 229 Euro). Doch noch immer scheinen die Strafen nicht Abschreckung genug zu sein. Deshalb hatten auch die Behörden des australischen Bundesstaates New South Wales die Nase voll von Autofahrern, die während der Fahrt ihr Handy in die Hand nehmen. In Australiens bevölkerungsreichstem Bundesstaat stieg die Zahl der Unfälle, die durch einen vom Smartphone abgelenkten Fahrer verursacht wurden. Laut Experten erhöht sich bei einer Smartphone-Nutzung hinterm Steuer die Unfallwahrscheinlichkeit um das Vierfache.

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pexels / SplitShire
Der Verkehrsminister des australischen Bundesstaates New South Wales setzt die Nutzung eines Handy hinterm Steuer mit Alkohol hinterm Steuer gleich.

Deshalb kündigte Andrew Constance 2019 an, im Kampf gegen lenkende Smartphone-Nutzer Spezialkameras einzusetzen. Der Verkehrsminister war der Überzeugung, dass eine Handynutzung hinterm Steuer mit Alkohol hinterm Steuer gleichzusetzen ist. Deshalb hat die Polizei in New South Wales bis Dezember 2019 insgesamt 45 über den gesamten Staat verteilte Überwachungssystemen eingesetzt – einige für den stationären Betrieb, andere für den mobilen Einsatz an wechselnden Orten.

Diese Systeme enthalten zwei Kameras. Eine Kamera fotografiert das Nummernschild, eine zweite blitzt von oben durch die Frontscheibe in die Fahrzeuge hinein und erzeugt so Bilder, auf denen die Hände des Fahrers zu sehen sind. Als "künstliche Intelligenz" bezeichnete Algorithmen sollen in den Dateien erkennen, ob der Fahrer tatsächlich ein Smartphone in den Händen hält – die Beamten der Verkehrspolizei schauen sich nur diese Bilder genauer an.

New South Wales will Überprüfungen vervielfachen

Zwei fest installierte Überwachungs-Systeme hat die Polizei von New South Wales zuvor bereits ein halbes Jahr lang getestet. Die Behörde überprüfte damit 8,5 Millionen Fahrzeuge, wobei ihr 100.000 Handysünder ins Netz gingen. Ein Fahrer nutzte sogar sein Telefon und sein Tablet gleichzeitig, ein anderer ließ den Beifahrer lenken, während er zwei Telefone bediente. Bis zum Jahr 2023 möchte die Regierung von New South Wales 135 Millionen Überprüfungen pro Jahr durchführen – in dem Bundesstaat sind 5,2 Millionen Fahrzeuge zugelassen. Die Regierung hat errechnen lassen, dass eine verstärkte Kamera-Überwachung jährlich angeblich bis zu 100 tödliche oder schwere, durch Smartphone-Missbrauch verursachte Verletzungen verhindert.

Ein Sprecher des australischen Verkehrsclubs National Roads and Motorists’ Association kritisierte im Zuge der Einführung, dass die Überwachungen ohne Vorwarnung erfolgen. Der Club begrüßt es zwar, dass durch Telefone abgelenkte Fahrer Strafen erhalten, möchte aber eine Warnung vor den Kontrollen. Bei Geschwindigkeits-Messungen gibt es in Australien solche Vorwarnungen. In Australien darf der Fahrer während der Fahrt nicht das Handy in die Hand nehmen – mit zwei Ausnahmen: Er gibt das Smartphone an einen Mitfahrer weiter oder er benutzt das Handy, um bei laufendem Motor in einem Drive-in zu bezahlen.

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Fazit

Die direkte Nutzung von Smartphones hinter dem Steuer lenkt ab und führt immer wieder zu schweren Unfällen. Dies schreckt einige Verkehrsteilnehmer allerdings genauso wenig davon ab, am Steuer ein Telefon in die Hand zu nehmen, wie die immer weiter steigenden Strafen für das Delikt. Also rüstet die Polizei mit besonderer Kameratechnik auf, um dem Problem zu begegnen. Rheinland-Pfalz hat das entsprechende Pilotprojekt als positiv bewertet und will nun die Handy-Blitzer dauerhaft einführen. Man darf gespannt sein, ob diese Praxis des Handy-Blitzens juristischen Bewertungen standhält.

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