Studien zu Reparaturkosten und Ersatzteilpreisen
Warum E-Autos deutlich teurer zu reparieren sind

In modernen Autos steckt immer ausgeklügeltere (Elektro-)Technik. Das hilft, Unfälle zu vermeiden und das Klima zu schonen. Doch die Ersatzteile und damit die Reparaturen werden dadurch teurer.

VW ID.3 EuroNCAP-Crashtest
Foto: EuroNCAP

Bereits im Spätsommer 2023 hatte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) eine Auswertung veröffentlicht, die veranschaulichte, wie viel teurer Ersatzteile in der jüngeren Vergangenheit geworden sind. Demnach haben die Autohersteller zwischen August 2022 und August 2023 die Preise im Schnitt um 9,7 Prozent erhöht. "Einige Ersatzteile wurden noch teurer: So kostet eine hintere Autotür sogar über 13 Prozent mehr als im Vorjahr", sagte seinerzeit GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Als – allerdings noch recht spärliche – Datenbasis liegt die Schadenkalkulations-Datenbank von Audatex zugrunde, die aktuell 34 Fabrikate mehrerer Hersteller umfasst – vom Kleinwagen bis zum Oberklassemodell (siehe Tabelle).

Unsere Highlights
Preisanstieg für Auto-Ersatzteile von 2022 zu 2023 (Quelle: GDV)

Ersatzteil

Preis 08/2022 (in Euro)

Preis 08/2023 (in Euro)

Zuwachs in Prozent

Tür hinten

763

865

13,4

Seitenwand hinten

818

924

13

Stoßfängerquerträger vorn

226

254

12,6

Kotflügel vorn

294

328

11,5

Kofferraumklappe

830

923

11,3

Kühlergrill

155

172

11,2

Tür vorn

733

815

11,2

Motorhaube

609

677

11,1

Stoßfängerquerträger hinten

222

245

10,5

Crashbox vorn

76

83

10,3

Verglichen wurden bis zu 20 Ersatzteile, die nach Unfällen häufig getauscht werden müssen. Am stärksten stiegen die Preise bei der von Asmussen erwähnten hinteren Autotür. Kaum geringer waren die Zuwachsraten bei hinteren Seitenwänden und vorderen Stoßfängerquerträgern. In vergleichsweise geringem Umfang stiegen die Preise von hinteren Parksensoren, Radarsystemen für den Abstandsregeltempomat sowie für Kondensatoren. Allerdings lässt sich hier noch argumentieren, dass die durchschnittliche Preissteigerung in etwa die Inflationsentwicklung seit Ausbruch des Ukraine-Krieges 2022 abbildet. Die Inflationsratrate lag dem Statistischen Bundesamt zufolge im Gesamtjahr 2022 bei durchschnittlich 7,9 Prozent und erreichte im November des vergangenen Jahres mit 8,8 Prozent ihren Höchststand.

Ersatzteilreise in zehn Jahren um 70 Prozent gestiegen

Betrachtet man jedoch – wie in der Tabelle unter diesem Absatz – die Entwicklung der Ersatzteilpreise in den vergangenen zehn Jahren, taugt die normale Inflationsrate nicht mehr als Erklärung. "Während der Verbraucherpreis-Index seit Januar 2013 um knapp 28 Prozent stieg, erhöhten Autohersteller ihre Ersatzteilpreise um mehr als 70 Prozent", so Asmussen. Rückleuchten verteuerten sich in diesem Zeitraum sogar um 97 Prozent und wurden damit fast doppelt so teuer wie vor zehneinhalb Jahren. Kaum besser ist es bei Kofferraumklappen und hinteren Seitenwänden (jeweils 93 Prozent). "Im vergangenen Jahr kostete ein Pkw-Sachschaden die Kfz-Haftpflichtversicherer im Durchschnitt rund 3.700 Euro, das waren 8,4 Prozent mehr als im Vorjahr", ergänzt der GDV-Hauptgeschäftsführer. 2013 hatte dieser Wert noch bei 2.400 Euro gelegen.

Preisanstieg für Auto-Ersatzteile von 2013 zu 2023 (Quelle: GDV)

Ersatzteil

Preis 01/2013 (in Euro)

Preis 08/2023 (in Euro)

Zuwachs in Prozent

Rückleuchten

144

283

97

Kofferraumklappe

478

923

93

Seitenwand hinten

480

924

93

Stoßfänger hinten

322

561

75

Tür hinten

503

865

72

Kotflügel vorn

191

328

71

Stoßfänger vorn

339

576

70

Tür vorn

486

815

68

Scheinwerfer

652

1.090

67

Motorhaube

412

677

64

Kühler

261

400

53

Windschutzscheibe

365

539

47

Wie eine weitere GDV-Studie im Herbst 2023 ergänzend zeigte, verschärft der Wandel hin zur Elektromobilität dieses Problem. "Die Reparaturkosten von Elektroautos sind viel höher", sagt Asmussen. "Sie liegen im Schnitt um 30 bis 35 Prozent über denen vergleichbarer Autos mit Verbrennungsmotor." Dafür gibt es vier Gründe, von denen einer zentral ist: Die hohen Kosten durch beschädigte Antriebsbatterien, wobei gleich drei Aspekte – Tauschkriterien, Diagnose- sowie Reparaturmöglichkeiten – bestimmend seien.

Ursachen und Forderungen

Teuer sei zudem die Unsicherheit beim Umgang mit beschädigten Elektroautos, etwa weil sie sehr lange in Quarantäne gelagert oder durch Vorsichtsmaßnahmen in Tauchbädern oder Lösch-Containern zu Totalschäden werden. Außerdem bemängelt Christoph Lauterwasser lange Standzeiten sowie hohe Stundenverrechnungssätze in Werkstätten für Arbeiten an E-Autos. "Mit Blick auf Werkstätten, Abschleppunternehmen, Feuerwehren und Gutachtern fehlen deshalb noch Erfahrung und bewährte Verfahren im Umgang mit schwer beschädigten Elektroautos", bemängelt der Geschäftsführer des Allianz-Zentrums für Technik (AZT), der demnächst in Ruhestand geht.

Deutschlands größter Versicherer Allianz hatte bereits in einer eigenen, im September 2021 veröffentlichten Studie auf deutlich höhere Reparaturkosten bei E-Autos hingewiesen. So sehen die Vorgaben der Autohersteller bei einem Crash mit Airbag-Auslösung meist zwingend vor, die Traktionsbatterie zu wechseln, was in der Regel zum wirtschaftlichen Totalschaden führt. Knabbert ein Marder ein Hochvolt-Kabel an, könne dies laut Allianz meist nicht repariert werden. Stattdessen folgt der Tausch des gesamten Kabelsatzes, was bis zu 7.000 Euro kosten könne.

Stundensätze von über 400 Euro

In der Zwischenzeit scheint sich das Problem sogar verschärft zu haben. Lucie Bakker, Schadenvorständin der Allianz Versicherungs-AG, sieht dem Fachportal "autoservicepraxis.de" zufolge eine "inflationäre Entwicklung" bei E-Fahrzeugen, sowohl was Material- als auch Werkstatt-Lohnkosten bei Instandsetzungsarbeiten betrifft. Kosten von bis zu 50.000 Euro für den Tausch eines Akkupakets oder Werkstatt-Stundensätze von "aktuell bis über 400 Euro" seien ein "gefährlicher Trend".

Daraus leiten die Versicherer Forderungen an die E-Auto-Hersteller ab. Der Schutz der Batterien vor Unfallschäden sollte dem GDV zufolge schon beim Design der Fahrzeuge höchstmöglich priorisiert werden. Zugleich sollten Werkstätten und Gutachter über aussagekräftige Diagnosedaten zum Zustand der Batterie nach einem Crash sowie über die nötigen Fachkräfte verfügen. Obendrein wünscht sich der GDV unter anderem wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Anleitungen für die Reparatur oder den Tausch beschädigter Batterien sowie präzise Kriterien für den Umgang mit verunfallten Elektroautos, die für Werkstätten, Abschleppunternehmen und Feuerwehren maßgeblich sind. Aus Sicht der Allianz bedarf es zudem konkreten Reparaturlösungen, "damit nicht weiterhin schon bei einfachen Unterbodenkratzern der gesamte Akkublock getauscht werden muss", sagt Christian Sahr, der bald Lauterwassers Nachfolger als AZT-Chef ist. Wichtig sei es zudem, einzelne Module statt nur komplette Batterien tauschen zu können.

Weniger Schäden durch und bei E-Autos

Es gibt aber auch gute Nachrichten im Hinblick auf die Reparaturkosten von E-Modellen. "In der Kfz-Haftpflichtversicherung – also bei Unfällen, in denen mit einem Auto andere geschädigt werden – verursachen Elektroautos im Durchschnitt fünf bis zehn Prozent weniger Unfälle als vergleichbare Verbrenner", sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Asmussen. Bei Vollkasko-Versichungsfällen, also Beschädigungen am eigenen Auto, sei die Quote sogar 20 Prozent niedriger. Deshalb seien E-Autos in ihrer Typklasseneinstufung tendenziell bessergestellt als vergleichbare Verbrenner-Modelle.

Die detaillierte Untersuchung der Reparaturkosten führt der GDV im Kontext einer Langzeitstudie durch, die sich mit den positiven und negativen Konsequenzen von Assistenzsystemen beschäftigt. Die Technologie (wie jene von VW, siehe Video) hilft, Autounfälle zu vermeiden oder deren Folgen abzuschwächen. Das zeigen die rückläufigen Unfall- und Todeszahlen trotz eines immer größeren Verkehrsaufkommens eindeutig. Auch die Studie mit dem Titel "Automatisiertes Fahren – Auswirkungen auf den Schadenaufwand bis 2040" kommt zu diesem Ergebnis. Die Autorinnen und Autoren ziehen jedoch noch eine andere Schlussfolgerung: Obwohl es immer weniger und nicht so schwere Crashes gibt, bleibt die Gesamtsumme für Entschädigungsleistungen seitens der Versicherer hoch.

Werden Assistenzsysteme überhaupt genutzt?

Die von einer 2016 gegründeten Expertengruppe aus Ingenieuren, Mathematikern, Versicherungsexperten und Unfallforschern sowie ihren weiblichen Pendants 2017 erstmals erstellte und im Januar 2022 aktualisierte Studie kommt zu fünf zentralen Ergebnissen. Erstens: Assistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen vermeiden nur einen Teil der Schäden. Und wenn, wirkt sich das bei Haftpflicht- deutlich stärker aus als bei Kaskoschäden. Typischerweise von der Teilkasko abgedeckte Malheure wie Autodiebstahl, Steinschläge, Hagelschauer oder Marderbisse werden weiterhin passieren. Die genannten Systeme sind dem GDV zufolge für maximal 66 Prozent aller Schäden und 56 Prozent der Entschädigungsleistungen in der Kfz-Haftpflichtversicherung relevant. Bedeutet: Ihr positiver Einfluss ist endlich und überschaubar.

Zweites Ergebnis: Die Systeme verhindern in der Praxis weniger Schäden als in der Theorie. Einerseits, da sie bei widrigen Bedingungen oft nur eingeschränkt funktionieren. Andererseits, weil sie nur dann effizient agieren, wenn mehrere Funktionen zusammenarbeiten. Dies sei bei Autobahn-, City- und Landstraßenassistenten in der Regel der Fall, weshalb der GDV für diese Systeme eine 90-prozentige Effizienz annimmt. Ein Park- und Rangierassistent arbeite dagegen nur zu 70 Prozent effizient, während der Notbremsassistent sogar nur auf 50 Prozent komme. Problem dabei: Gerade die effizienten Assistenten seien diejenigen, die von den Fahrerinnen und Fahrern am wenigsten aktiv genutzt würden. Das liege vor allem daran, dass Autobahn-, City- und Landstraßenassistenten meist aktiv eingeschaltet werden müssen, während Notbrems-, Park- und Rangierassistenten gemeinhin von vornherein in Funktion sind und im Hintergrund agieren, weshalb sie meist aktiv bleiben.

Verzögerte Verbreitung, steigender Pkw-Bestand

Die neue Technik verbreitet sich nur mit Verzögerung – so zumindest die dritte Annahme. Mit der Markteinführung ist ein neues System schließlich nicht sofort im gesamten Fahrzeugbestand vorhanden, sondern es setzt sich im Laufe der Zeit durch. Wie schnell oder langsam, ist laut GDV schwer vorherzusagen. Die Versicherer skizzieren zwei Szenarien: Eine langsame Verbreitung wie in den Siebzigerjahren beim ABS; damals waren nach 20 Jahren erst 40 Prozent aller Autos mit dem Anti-Blockier-System ausgerüstet. Deutlich schneller ging es nach 1995 beim ESP: Nach demselben Zeitraum war der Schleuderschutz bereits in 80 Prozent aller Autos eingebaut. Damit es schneller geht, helfen laut GDV die gesetzlichen Vorgaben, nach denen einzelne Systeme serienmäßig in jedes in der EU verkaufte Auto eingebaut sein müssen. Ab 2024 ist das beispielsweise beim Spurhalteasssistent der Fall. 2026 folgen Notbremsassistenten, die Fußgängerinnen und Fußgänger oder Radfahrende erkennen müssen.

Viertes Ergebnis: Die Zahl der Pkw steigt weiter, und zwar um etwa drei Prozent bis 2040. Das leite sich einerseits durch das stabile Wachstum des Fahrzeugbestandes der letzten Jahre ab. Hinzu kommen zwei Hypothesen des GDV: Erstens lasse die demografische Entwicklung zwar einen Rückgang des Pkw-Bestandes vermuten. Zweitens könnte die zunehmende Automatisierung das Fahren wieder attraktiver machen und die Autoanzahl wachsen lassen.

Die Technik verteuert Reparaturen

Fünfte und letzte Ableitung: Assistenzsysteme und automatisiertes Fahren machen Reparaturen teurer – siehe oben. Ein Beispiel: Ist eine Windschutzscheibe kaputt, muss nicht nur das Glas ersetzt werden, sondern auch die darin integrierten Sensoren und Kameras. Der Tausch einer Frontscheibe sei dann etwa 25 Prozent teurer als zuvor. Zudem müssen die Systeme neu kalibriert werden, was die Sache zusätzlich verteuert. Der GDV schätzt, dass die Reparaturkosten durch solche Phänomene in der Kfz-Haftpflicht bis 2040 um vier bis sechs und in der Kaskoversicherung um sechs bis acht Prozent steigen.

Alles in allem geht der GDV davon aus, dass sich die Höhe der Entschädigungssummen – ohne Berücksichtigung der Inflation – nur langsam zurückentwickeln wird. Als Bezugsgröße nennen die Versicherer die Gesamtsumme aus dem Jahr 2019 von 25 Milliarden Euro für alle Fahrzeuge, also nicht nur Pkw. Verbreiten sich neue Assistenzsysteme nur langsam, soll dieser Wert bis 2040 nur um 7,7 Prozent auf gut 23 Milliarden Euro sinken. Geht es schneller, sollen es 15,2 Prozent beziehungsweise 21,2 Milliarden Euro sein. Wobei sich der Effekt, wie im ersten Einzelergebnis dargestellt, bei Haftpflichtschäden (13,0 bis 20,7 Prozent) deutlich stärker zeigt als bei Kaskoschäden (0,2 bis 6,9 Prozent). Hinzu kommt: Die Entlastung realisiert sich nicht kurzfristig, sondern steigt bis zum Ende des Betrachtungszeitraums langsam an.

Hinweis: In der Fotoshow zeigen wir Ihnen die GDV-Erkenntnisse in Grafiken sowie Tabellen und informieren Sie, wie die Fahrassistenzsysteme verschiedener Autohersteller im Test der US-Verbraucherschutzorganisation Consumer Reports abgeschnitten haben.

Umfrage
Nutzen Sie gern Assistenzsysteme zum teilautonomen Fahren?
3845 Mal abgestimmt
Ja, die Technik sorgt bei mir für mehr Sicherheit.Nein, ich habe lieber selbst die Kontrolle.

Fazit

Eine Studie des GDV kommt zu dem Schluss, dass moderne Assistenzsysteme und automatisiertes Fahren zwar helfen, Unfälle zu vermeiden und deren Folgen zu mindern. Gleichzeitig ergeben sich bei der Schadensregulierung kaum Vorteile. Vor allem deshalb, weil die Reparatur kaputter Teile bereits deutlich teurer geworden ist und dieser Trend – auch aufgrund der E-Mobilität – anhalten dürfte. Hinzu kommen aktuell noch nicht final abschätzbare Faktoren: Ergeben sich durch den höheren Automatisierungsgrad künftig neue Unfallmuster? Wie wirken sich fehlerhafte oder miteinander inkompatible Software-Komponenten auf das Schadensgeschehen aus? Und was ist mit Hackerangriffen? Hier lauern zusätzliche Gefahren, die perspektivisch sogar zu höheren Gesamt-Schadenssummen führen könnten.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten