Interview mit Filip Thon, E.ON Energie Deutschland
„Energiesparen ist das Gebot der Stunde“

Filip Thon spricht im Interview über Nachhaltigkeitsziele, den Weg in die CO₂-Neutralität und die Chancen des bidirektionalen Ladens beim E-Auto.

Filip Thon Vorsitzenden der Geschäftsführung der E.ON Energie Deutschland
Foto: Alex Schelbert

Filip Thon ist seit 1. April 2021 Vorsitzender der Geschäftsführung der E.ON Energie Deutschland GmbH. Nach seinem Dipl.-Ing.-Studium in Prag begann Thon 1995 als Analyst bei Andersen Consulting (Accenture). Parallel dazu promovierte er in Tschechien und wechselte 2004 zu RWE Energy Czech Republic. 2019 wurde er Senior Vice President für Zentral- und Osteuropa der E.ON SE. Im auto motor und sport-Interview stellt er sich den Fragen von Chefredakteurin Birgit Priemer.

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Sie wollen bis 2040 CO₂-neutral werden. Wie schaffen Sie das – und wie gut beherrschen Sie dabei Ihre Zulieferkette?

Wir wollen bei unseren direkt kontrollierbaren Emissionen bis 2040 klimaneutral sein, noch größer ist aber der Hebel, den wir gemeinsam mit unseren Kundinnen und Kunden haben. Mit unseren klimafreundlichen Lösungen helfen wir ihnen, den eigenen CO₂-Fußabdruck zu reduzieren, und denken dabei ganzheitlich. Ein Beispiel: Ein großer Teil unseres Wallbox-Portfolios kommt heute schon mit neutralem CO₂-Fußabdruck zu den Privatkundinnen und -kunden. Dazu haben wir den Footprint über den gesamten Produktlebenszyklus berechnet und gleichen die Emissionen aus. Mit Blick auf die Stromverträge werden alle unsere Haushaltskunden bis 2024 komplett auf Ökostrom umgestellt sein. Schon heute ist Ökostrom der Standard für neue Haushaltskunden, die sich aktiv für einen E.ON-Sondertarif entscheiden. Wir gehen auch bei uns selbst mit gutem Beispiel voran, weil wir Vorreiter sein wollen. Im Konzern kommt alles mit Blick auf die Nachhaltigkeitsziele auf den Prüfstand. Das beginnt beim Gebäude- und Trassenmanagement, geht über die Elektrifizierung des Fuhrparks und reicht bis hin zu verstärkt regionalen und vegetarischen Angeboten in der Kantine – jeder Schritt hin zur Klimaneutralität ist wichtig.

Sie haben sich im Rahmen der SDG (Sustainable Development Goals) fest definierten Nachhaltigkeitszielen verschrieben. Welche sind das – und was mussten Sie ändern, zum Beispiel in der Lieferkette, um diese zu erreichen?

Die Nachhaltigkeitsziele der UN sind ein großer Rahmen, und wir leisten mit unserem Geschäft dazu einen positiven Beitrag. Insbesondere sind hier die Ziele "bezahlbare und saubere Energie", "nachhaltige Städte und Gemeinden" sowie "Maßnahmen zum Klimaschutz" zu nennen. In Bezug auf Lieferketten haben wir uns einen strengen Kodex gegeben, auf den wir uns und unsere Zulieferer verpflichten. Dazu gehört die konsequente Einhaltung von Standards zu den Themen Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Umwelt sowie ethische Geschäftspraktiken. Denn die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit gelingt nur, wenn wir alle zusammenarbeiten. Wir verstehen unsere Zulieferer daher als Partner, mit denen wir gemeinsam nach Lösungen suchen – auch dadurch wird E.ON zur Plattform für die Energiewende.

Sie wollen die Energiewende aktiv mitbetreiben. Was heißt das für E.ON, und welche Unterstützung brauchen Sie dafür von der Politik?

Die Energiewende ist eine zentrale Aufgabe für unsere gesamte Gesellschaft und betrifft viele Akteure. Das Gute ist: Jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten – das beginnt beim Ökostromtarif und geht bis hin zur E-Mobilität und der eigenen Solaranlage. Natürlich braucht es dazu die richtigen Rahmenbedingungen. Die jüngste Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ging bereits in die richtige Richtung. Für Einfamilienhaus-Besitzer ist es noch attraktiver, in Fotovoltaikanlagen zu investieren. Im Sinne unserer Kunden wünschen wir uns, dass künftig die Bedingungen für Mieterstrommodelle verbessert werden, um die Energiewende stärker in die Städte zu bringen. Ein weiterer wichtiger Baustein für das dezentrale Energiesystem der Zukunft sind intelligente Messsysteme, die sogenannten Smart Meter. Hierzulande müssen technische und regulatorische Hürden abgebaut werden, damit wir im Vergleich zu anderen europäischen Ländern aufholen können.

Die Bereitschaft, Energie zu sparen, wird in der Bevölkerung immer größer – und damit auch die Frage bedeutsamer, wie man das machen kann. Was raten Sie Ihren Kunden?

Energiesparen ist das Gebot der Stunde, jede eingesparte Kilowattstunde hilft in der aktuellen Lage und natürlich auch, was den Klimaschutz anbelangt. Dazu ein paar Zahlen: Würde jeder Haushalt in Deutschland, der mit Erdgas heizt, seinen Verbrauch im Durchschnitt um 15 Prozent reduzieren, ergäbe sich daraus eine jährliche Gaseinsparung von fast 40 Terawattstunden. Das entspricht dem Jahres-Gasverbrauch von rund drei Millionen durchschnittlichen Privathaushalten mit Gasheizung und damit fast der Anzahl der Haushalte im Bundesland Hessen. Künftig wird auch die Wärmepumpe eine immer zentralere Rolle im Heizungsbereich einnehmen.

Beim Strom ist vor allem die Transparenz wichtig – denn gezielt einsparen kann man, wenn man weiß, wie sich der eigene Verbrauch zusammensetzt. Digitalisierung lautet hier also das Stichwort. Dazu haben wir smarte, digitale Lösungen, die den Stromverbrauch visualisieren und nach Geräteklassen aufschlüsseln. So weiß man direkt, wo die Stellschrauben sind.

Automobilhersteller wie VW bieten mittlerweile für bestimmte E-Autos die Technik des bidirektionalen Ladens an – der Strom kann also in zwei Richtungen fließen, so auch ins Haus. Wie unterstützen Sie als Energieanbieter diese Technologie, und welchen Vorteil hat der Kunde dadurch?

Es ist absolut sinnvoll, die ohnehin im E-Auto vorhandene Akku-Kapazität intelligent im Rahmen eines ganzheitlichen Energiemanagements zu nutzen. Perfekt kombinieren lässt sich die Technik mit einer Solaranlage: Den ins Auto geladenen Sonnenstrom kann man damit künftig nicht nur als Fahrstrom, sondern auch für das eigene Zuhause verwenden, etwa wenn die Sonne nicht scheint. Als E.ON haben wir in Kooperation mit BMW dazu gerade ein Pilotprojekt mit Privathaushalten gestartet. Dabei wollen wir herausfinden, wie die Familien bidirektionales Laden in ihrem Alltag nutzen, um künftige Lösungen für das intelligente Zuhause der Zukunft passgenau zu entwickeln.

Kann der Kunde künftig selbst mit Strom handeln?

Auch das ist eine sehr spannende Zukunftsvision für bidirektionales Laden. Das E-Auto könnte darüber künftig am Strommarkt teilnehmen, etwa indem Strom in den Akku geladen wird, wenn er gerade günstig ist, und dem Netz zur Verfügung gestellt wird, wenn der Preis steigt. Ebenfalls denkbar ist zukünftig eine Teilnahme am Regelenergiemarkt. Das bedeutet, der intelligent gesteuerte E-Auto-Akku kann Energie aufnehmen oder abgeben und dadurch ungeplante Verbrauchs- oder Einspeiseschwankungen im Netz ausgleichen – der Kunde würde dann für diese Leistung eine Vergütung erhalten. Stellt man sich solche Lösungen mit vielen Tausenden Fahrzeugen vor, ist das ein gewaltiger und sinnvoller Hebel. Denn ein solcher Verbund aus vielen E-Auto-Akkus bietet endlich die Möglichkeit, Strom in großen Mengen steuerbar dezentral zu speichern und zu verteilen.

Viele Mieter wünschen sich für ihre Wohnung eine Wallbox. Können Sie denen helfen?

Die Herausforderung bei solchen Projekten ist, dass wir – anders als bei einem Einfamilienhaus – in der Regel von mehreren Ladepunkten sprechen, die übergreifend geplant sein müssen. Dabei sind die Freischaltung der Boxen oder die Stromabrechnung weniger das Problem als die Frage einer intelligenten Nutzung des vorhandenen Netzanschlusses durch ein smartes Lastmanagement, vor allem bei bestehenden Gebäuden. Dazu haben wir in der Vergangenheit bereits erfolgreich Testprojekte durchgeführt. Jetzt geht es gerade darum, künftig ein entsprechendes Produkt für den breiten Markt anzubieten. Unser Fokus wird neben dem Neubau vor allem auf der anspruchsvolleren Nachrüstung von Bestandsgebäuden liegen. Mit unserer Mehrheitsbeteiligung an dem jungen Unternehmen GridX haben wir auch im Bereich intelligentes Lastmanagement die passende digitale Lösung.

Müssen wir im Angesicht der Klimakrise Mobilität neu denken? Und wenn ja, wie?

Unsere Mobilität muss zum einen sauberer werden, zum anderen müssen die Verkehrsmittel intelligenter miteinander vernetzt werden, gerade in Metropolregionen. Wir müssen in der Debatte aber auch ehrlich sein: Nicht jeder wohnt in der Stadt, und nicht jeder kann die täglichen Wege mit den "Öffentlichen" oder dem E-Scooter erledigen. Viele Menschen sind nach wie vor auf das Auto angewiesen, und hier ist ein E-Auto, das mit Ökostrom geladen wird, schon heute eine sehr klimafreundliche Lösung.

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