Motorradführerschein für Autofahrer
Ü50-Fahrer auf dem Weg zum Biker

Autofahrer über 50 können jetzt günstig und unbürokratisch den Führerschein für Bikes bis 48 PS machen. Redakteur Thomas Fischer hat sich aufs Fahrschulmotorrad geschwungen und ist in 14 Tagen ganz easy zum Rider geworden.

Motorrad, Seitenansicht
Foto: Rossen Gargolov

„Nervös?“, fragt der Prüfer zur Begrüßung, als er mich auf meiner BMW F 650 GS Fahrschulmaschine zittern sieht. Doch es ist kein Lampenfieber, das mich frösteln lässt. Es sind die Minusgrade, die an diesem April-Nachmittag in Stuttgart herrschen. „Gratuliere“, heißt es 40 Minuten später. Dann halte ich ihn stolz wie Oskar in Händen: den Führerschein der Klasse A2, der mich ab sofort berechtigt, Motorräder bis 48 PS Leistung zu fahren.

„Schrei vor Glück“, denke ich. Ein Jugendtraum geht in Erfüllung. Eine neue Welt tut sich auf – auch wenn es scheinbar nur eine kleine ist. Denn 48 PS klingt nicht gerade üppig. Aber mein erstes Auto, ein VW Käfer, hatte sogar nur 34 PS und wog fast fünf Mal so viel wie ein Motorrad.

Motorradfahren ist sinnlich

Ein 48-PS-Bike, so zeigen die Tests der auto motor und sport-Schwesterzeitschrift „Motorrad“, beschleunigt in fünf bis sechs Sekunden von null auf 100 km/h, also in etwa so rasant wie ein Porsche Boxster. Und läuft in der Spitze zwischen 155 und 170 km/h. Bei einem Auto wäre das nicht berauschend. Aber schon in den ersten Fahrstunden merke ich: Bereits knapp über 100 km/h zerrt der Fahrtwind auf einem Naked Bike – einem Motorrad ohne Verkleidung – ganz gewaltig am Helm, an der Brust und an den Armen. Und das ist gut so.

Motorradfahren ist sinnlich, weil es die Sinne anspricht und die Sinne schärft. Biken empfinde ich als elementares Erlebnis. Geschwindigkeit, Beschleunigung und Motorsound sind hautnah spürbar. Fahrdynamik nimmt man mit jeder Faser seines Körpers wahr. Schlechtes Wetter übrigens auch. Aber dagegen gibt es gute Bekleidung.

Kein Kraut gewachsen war gegen meinen festen Willen, als Mittfünfziger die Erstbesteigung eines Bikes zu wagen und noch mal in die Fahrschule zu gehen. Meine auto motor und sport-Kollegen, unter denen sich wie in der Leserschaft viele Motorradfahrer befinden, waren ob meiner Pläne gespalten. Die einen fanden die Idee famos und ermutigten mich in meinem Tun, andere wiederum sorgten sich mit ernster Miene um mein Wohlbefinden, als hätte ich mit der Unterschrift unter den Führerscheinantrag mein vorzeitiges Ende besiegelt.

Große Sohn gibt den Anstoß

Meine Frau – eigentlich von eher ängstlicher Natur – trug die Entscheidung mit Fassung. Wie schon eineinhalb Jahre zuvor bei unserem großen Sohn Jan, der kurz nach dem Autoführerschein auch die Fahrerlaubnis fürs Motorrad erworben hatte und seitdem mit einer – wegen des Stufenführerscheins für unter 25-Jährige – auf 34 PS gedrosselten Honda CB 500 Baujahr 1993 unterwegs ist.

Jan war es auch, der bei mir die Liebe zum Zweirad neu entfachte. Denn mit 16 war die Leidenschaft fürs Moped schon mal da: Anfang der Siebziger heimlich ausgelebt auf von Freunden geborgten Kreidler Florett. Meine Eltern sollten davon nichts wissen, denn sie hatten Angst um ihren einzigen Sohn. Den Autoführerschein durfte ich mit 18 dann auch nur unter der Bedingung machen, auf den Motorradführerschein zu verzichten. Damals, im Sommer 1976, bin ich noch brav gewesen und habe gehorcht. Zur Belohnung gab es einen Zuschuss für den Käfer.

Der eröffnete mir dann solche Freiheiten, dass ich das Abenteuer Motorradfahren in den Folgejahren nicht wirklich vermisst habe. Außer ein paar Ausflügen in den Neunzigern mit geliehenen 125er-Leichtkrafträdern, die man mit einem vor April 1980 absolvierten Autoführerschein Klasse 3 bewegen darf, kam bei mir nie mehr so richtig Lust aufs Motorradfahren auf.

Bis Jan damit begann und ich ihn auf der Suche nach einem günstigen gebrauchten Bike begleitete. Wochenlang durchstöberten wir gemeinsam die Kleinanzeigenteile der Fachmagazine, alle Online-Börsen, trafen uns mit Experten der „Motorrad“-Redaktion, verbrachten Feierabende und Wochenenden bei Motorradhändlern, privaten Jägern und Sammlern, inspizierten Dutzende von Bikes, bis wir dann die Honda kauften. Und ich auf den Geschmack kam. Ich entdeckte meine Vorliebe für Naked Bikes im Stil der sechziger, siebziger und achtziger Jahre, meiner Jugendzeit – und war vom Bazillus befallen.

Und dann verliebte ich mich auch noch. In eine Italienerin: Sie heißt Moto Guzzi V7, ein jüngst modernisierter Klassiker. Wunderschön und aufregend wie Schauspielerin Monica Bellucci. Mit 750 cm3 großem V2-Motor, bollerndem Sound, fettem Drehmoment und good vibrations. Das gab mir im Herbst 2012 den Rest. Fast gleichzeitig kam eine Info, die für mich Ostern und Weihnachten auf einen Tag fallen ließ: Eine neue Führerscheinregelung wird verkündet, gültig ab 19. Januar 2013 und quasi maßgeschneidert für mich.

Keine Theoriestunden für den A2 nötig

Denn ehrlich: Ich hatte keinen Bock, noch mal die Fahrschulbank zu drücken und eine theoretische Prüfung abzulegen. Ebenso schreckte mich die Vielzahl an teuren Pflichtfahrten für den offenen Motorradführerschein (A), welche die Kosten schnell über 2.000 Euro steigen lassen. Stattdessen jetzt eine Neuregelung für die Ü50-Generation, ohne Theorie und ohne große Hürden. Machbar für ein paar hundert Euro. Endlich, juble ich innerlich, haben sich die EU-Bürokraten mal was Gutes ausgedacht.

Erster Vorsatz also fürs neue Jahr: Du machst diesen A2-Führerschein. Zweiter Vorsatz: Du kaufst Dir die Guzzi. Nach einem elend langen Winter voller Motorrad-Sehnsucht melde ich mich Mitte März 2013 in „Charlys Fahrschulen“ an, nicht weit von meinem Arbeitsplatz entfernt. Der Plan: Fahrstunden vor und nach der Arbeitszeit sowie während der Mittagspause lassen sich so bestimmt prima arrangieren. Zur Anmeldung mitbringen muss ich zwei biometrische Passbilder und eine Sehtest-Bescheinigung vom Optiker.

Geschäftsführer und Fahrlehrer Gerhard Bayer, 70 Lenze jung, müsste eigentlich Biker statt Bayer heißen, denn der in der Wolle gefärbte Motorradfahrer hält zehn Bikes unterschiedlicher Größe und Leistung im Fuhrpark bereit und begleitet seine Schützlinge auch bei Wind und Wetter persönlich mit dem Bike. Was heute eher die Fahrschulausnahme als die Regel ist.

Ich bin erst der Zweite, der sich bei ihm zum A2-Führerschein anmeldet. „Das hat sich noch nicht richtig rumgesprochen“, meint Gerhard, „aber inzwischen rufen immer mehr Interessierte an, ob das denn stimme mit dieser neuen Regelung.“ Ich frage ihn, wie viele Fahrstunden ich benötigen werde bei meiner dürren Motorraderfahrung. „Schaun mer mal“, sagt Gerhard jovial wie Kaiser Franz, „morgen Mittag gehts los“. Ausrüstung brauche ich nicht mitzubringen, die Fahrschule stellt alles.

Erste Fahrstunde: strömender Regen, zwei Grad über Null. Meine BMW hat beheizte Griffe – dachte erst, das sei für Memmen, aber jetzt bin ich froh darüber. Gerhard erklärt mir ausführlich die Maschine, dann darf ich auf einem großen Parkplatz meine ersten Runden drehen. Erster Eindruck: doch nicht ganz so einfach wie gedacht. Die BMW ist gutmütig, aber relativ schwer, und als Autofahrer muss ich mich erst etwas eingrooven. Vor allem das Richtung Horizont Vorausschauen und nicht direkt auf den Boden vor mir Starren bereitet anfangs Mühe. Die Dosierung von Kupplung und Gas ist dagegen kein Problem, wie auch das Schalten. Etwas Überwindung erfordert die Vollbremsung bei Nässe – aber dank ABS bleibt die BMW sauber in der Spur. Am meisten zu kämpfen habe ich als Brillenträger bei der feuchtkalten Witterung mit dem Helmvisier, das im Stand ganz schnell beschlägt. In meiner dick gepolsterten Montur fühle ich mich dann wie ein Gorilla im Nebel.

Bammel vor der Prüfung

Doch soviel Durchblick habe ich nach den ersten 90 Minuten: Vom Bestehen der Prüfung bin ich noch ein gutes Stück entfernt. Üben, üben, üben heißt jetzt die Devise. Schon am nächsten Mittag findet die zweite Einheit statt – jetzt darf ich von der Fahrschule weg selbstständig durch den Stuttgarter Stadtverkehr kurven. Klappt schon ganz gut. Mit jedem Kilometer fühle ich mich wohler – obwohl das Sauwetter anhält. Schneeregen, null Grad.

Die Woche drauf habe ich Urlaub und nutze jeden zweiten Tag zum Biken – werde sicherer, absolviere die vorgeschriebenen Übungen. Gerhard ist streng, sieht und hört einfach alles und korrigiert jeden noch so kleinen Fehler – nichts entgeht ihm. Wir fahren im Stadtverkehr und auf Bundesstraßen; die Überland-, Autobahn- und Nachtfahrten können wir uns schenken. Die sind für mich nicht vorgeschrieben. Das Wetter bleibt schlecht, und das hat auch Gutes, meint Gerhard: „Wenn Du bei dem Sauwetter fahren lernst, schreckt dich später nichts mehr ab.“

Nach fünf Einheiten à 90 Minuten sagt Gerhard trocken: „Nächsten Mittwoch ist Prüfung.“ Die Runde der Wahrheit verursacht im Vorfeld ein flaues Gefühl im Magen – die letzte ernsthafte Prüfung, an die ich mich erinnern kann, liegt 35 Jahre zurück: das Abitur. Auf meinen Wunsch hin drehen wir direkt vor der Prüfung noch zwei Proberunden. Checken noch mal, ob die fahrdynamischen Übungen sitzen und ob ich mich auch im Verkehr regelkonform verhalte. Ich sitze zwar seit 1976 hinterm Lenkrad, aber wer fährt schon immer streng nach Vorschrift? Deshalb volle Konzentration, um nicht kurz vor dem erhofften Ziel noch zu scheitern: In die Rückspiegel schauen, Schulterblick, Blinker setzen (und vor allem auch wieder ausschalten), vorsichtiges Annähern an Zebrastreifen und ja keine durchgezogene Linie überfahren. Mir schwirrt der Kopf wie die Antriebskette meiner Fahrschul-BMW.

Dann ist aber alles halb so wild. Die Prüfung läuft problemlos und ohne Patzer ab. Eine Woche später wird Motorradkleidung gekauft, zwei weitere Wochen später ist die Guzzi da. Ich bin am Ziel meiner Wünsche. Jede freie Minute will ich mich fortan aufs Bike schwingen – wie ein frisch Verliebter nach dem nächsten Date sehne ich mich nach einem Ritt auf meiner Guzzi, möchte den wohl geformten Tank, die schlanke Taille und die steil aufragenden Zylinder streicheln. Lausche im Stand dem Knistern, wenn die Maschine nach einer heißen Tour langsam abkühlt.

Und da der Schwabe in mir auch immer ein wenig ans Geld denkt, freue ich mich an den kleinen Betriebskosten, die der große Spaß kostet. Gut, die Guzzi steht neu mit knapp 8.000 Euro in der Liste, aber Versicherung (179 Euro) und Steuer (34 Euro) kosten mich auf die Saison (März bis Oktober) nur ein Taschengeld. Ebenso der Sprit: nur vier Liter Superbenzin braucht die V7 auf 100 Kilometer. Monica Bellucci wäre teurer im Unterhalt.

Viele Motorradtouren mit dem Sohnemann über die Schwäbische Alb, ins Remstal und durch den Schwarzwald sind schon absolviert, 800 Kilometer in vier Wochen genossen – nicht runtergespult – wie nichts. In Wirklichkeit ist alles noch viel schöner als erhofft und erträumt, obwohl das Wetter bisweilen immer noch schaurig ist. Doch wer so easy zum Rider geworden ist, den wirft auch ein kräftiger Regenguss nicht aus dem Sattel.

Neue Führerscheinregelung für Autofahrer

Seit 19. Januar 2013 gibt es nach EU-Verordnung die neue Motorradführerscheinklasse A2. Sie ersetzt den bisherigen Stufenführerschein bis 34 PS und erlaubt Einsteigern, Maschinen bis 48 PS und 175 kg Mindestgewicht zu fahren. Das macht sie vor allem für zehn Millionen Autofahrer interessant, die ihren Führerschein (damals Klasse 3) vor dem 1. April 1980 erhalten haben. Sie können ohne Theorieprüfung und ohne Pflichtfahrten durch Absolvierung einer praktischen Prüfung den A2-Führerschein erwerben und – wenn gewünscht – nach zwei Jahren durch eine weitere Praxisprüfung den offenen A-Motorradführerschein (ohne Leistungsbegrenzung) erlangen. Weitere Informationen im Internet auf der Website www.zweiradfuehrerschein.de

Praktische Prüfung: Das wird verlangt

Die 40-minütige Motorradfahrprüfung mit einer 48-PS-Maschine (Motorrad oder Roller) beinhaltet neben kontrolliertem Fahren im Straßenverkehr vier obligatorische fahrdynamische Übungen:
• Vollbremsung aus 50 km/h,
• Ausweichen mit 50 km/h,
• Ausweichen mit Notbremsung aus 50 km/h,
• Slalom im Schritttempo.

Fakultativ kann noch eine kurze Stop-and-Go-Fahrt dazukommen.

Auch wenn keine Pflichtstunden vorgeschrieben sind, sollten Anfänger und wenig Geübte einige Fahrstunden absolvieren. Die Prüfungsübungen sind sonst nicht auf Anhieb zu meistern. Wer schon mit 125er-Leichtkrafträdern Erfahrung gesammelt hat, tut sich erfahrungsgemäß leichter.

Richtige Fahrschulwahl

Suchen Sie sich unbedingt eine Fahrschule aus, bei welcher der Fahrlehrer bei Wind und Wetter selbst mit dem Bike vorausfährt. In den meisten Fahrschulen geben die Motorradfahrlehrer ihre Anweisungen per Funk aus einem nachfolgenden Auto. So kann sich der Fahrschüler weder Kurventechnik noch Fahrverhalten im Straßenverkehr abschauen. Die Suche nach einer auf Biker spezialisierten Fahrschule ist auch deshalb sinnvoll, weil diese eine viel größere Zahl an Motorrädern und Fahrlehrern bereithalten. Das erhöht die mögliche Frequenz an Übungsfahrten. In manchen Fahrschulen kann es nämlich passieren, dass wegen Kapazitätsengpässen zwischen den Fahrstunden bisweilen Wochen vergehen. Da kommt man schnell aus der Übung. Eine Alternative können auch Ferienfahrschulen sein, wo man im Urlaub den Führerschein machen kann.

Komplette Ausrüstung schon ab 1.000 Euro

Motorradfahrer haben keine Knautschzone – Schutzkleidung ist deshalb unerlässlich. Die wichtigsten Bestandteile sind Integralhelm, Jacke und Hose mit Protektoren, Nierengurt, Handschuhe und Stiefel. Auch eine Sturmhaube, spezielle Socken und Funktionswäsche können nicht schaden. Das alles gibt es in guter Qualität bei Ausstattern wie beispielsweise Detlev Louis (www.louis.de), Polo (www.polo-motorrad.de), Büse (www.buese.com) oder Held (www.held-biker-fashion.de) schon für rund 1.000 Euro.

Eine ausführlichen Test von Komplettausstattungen bis 1.000 Euro unserer Schwesterzeitschrift „Motorrad“ finden Sie im Internet unter www.motor-radonline.de/komplettausstattung

Kosten für den A2-Motorradführerschein

Sehtest 6,43 Euro
2 biometrische Passbilder 16,00 Euro
Anmeldegebühr Fahrschule 52,00 Euro
Grundgebühr 50,00 Euro
Übungsfahrten (6 Doppelstunden à 90 Minuten zu je 90 Euro) 540,00 Euro
Praktische Prüfung (Fahrschulgebühr) 104,79 Euro
TÜV/Dekra-Gebühren für praktische Prüfung 75,21 Euro
Gesamtsumme 844,43 Euro