VW nicht mehr gefragt?
VW begräbt ID.3-Produktion in Wolfsburg

Immer wieder musste Volkswagen zuletzt zu ungewöhnlichen Maßnahmen greifen. Während die Wolfsburger für Golf und Tiguan Sonderschichten einlegen, verschwindet der ID.3 komplett aus dem Werk. Und auch in Emden stehen die Bänder immer wieder still. Was steckt dahinter?

Produktion VW ID.3
Foto: Volkswagen

Die drei Neuauflagen von Passat, Tiguan und Golf starten eigentlich Erfolg versprechend. Zumindest kann sich Volkswagen bei diesen Modellen auf MQB-Basis (Modularer Querbaukausten) nicht über mangelnde Nachfrage nach Autos mit Verbrennungsmotor beschweren. Die ist sogar so groß, dass im größten Automobilwerk Europas jetzt Sonderschichten an Wochenenden laufen.

Schon im Februar starteten die neuen Dienstpläne für die Angestellten am Standort. Seither wird auf den Werksbändern für die Golf- und Golf-Variant-Modelle (G-Linien) sowie auf den Bändern von Tiguan, Touran und Tarraco (T-Linien) jeden Samstag in einer Extra-Frühschicht und sonntags in einer Extra-Nachtschicht gearbeitet. Das Ganze soll mindestens bis zum Frühlingsanfang Mitte März dauern. Bis dahin soll auch die Produktion des neuen Passat, der zusammen mit dem Skoda Superb im Werk Bratislava (Slowakei) gebaut wird, hochgefahren sein. Das Auslaufmodell Passat (B8) läuft derweil noch zusammen mit dem ID.7 in Emden vom Band – allerdings ist hier die Nachfrage so stark eingebrochen, dass VW die Produktion bereits für mehrere Tage anhalten musste.

Unsere Highlights

Durcheinander bei Produktionsstätten

Der Produktionsstopp in Ostfriesland reiht sich in eine mittlerweile lange Liste von Störungen im riesigen VW-Getriebe ein. Ob mangelnde Nachfrage nach ID-Modellen, Beschaffungsprobleme beim Hauptantriebsmotor APP550, Lieferkettenprobleme oder Bauernproteste – immer wieder mussten die Verantwortlichen in Wolfsburg in den vergangenen Monaten zu drastischen Maßnahmen greifen, um die Marktsituation auszutarieren. Anfang März standen die Bänder wegen Zulieferproblemen in Emden schon wieder still. Von Montag, 4. März bis mindestens Freitag, 8. März wurden keine ID.4 oder ID.7-Modelle gebaut.

Erfreulich ist für VW der große Andrang bei Golf und Tiguan. Beide Topseller werden in Wolfsburg gebaut. Die Erhöhung der dortigen Produktionskapazitäten umfasst ebenso andere Bereiche. Von den Sonderschichten sind obendrein die Werkslogistik, die Reifenmontage oder die Qualitätssicherung betroffen. Dabei sorgt offenbar vor allem die Markteinführung des neuen Tiguan (siehe Bildergalerie) für volle Auftragsbücher. In Wolfsburg sollte auf der Montagelinie 1 zwar auch das Elektromodell VW ID.3 produziert werden. Allerdings fehlt hier die Nachfrage der Kunden. Anfang März wurden die Pläne endgültig gestrichen und die ID.3-Fertigung komplett nach Sachsen verlegt.

Dort kämpft schon das Stammwerk in Zwickau mit der Auslastung für die MEB-Plattform-Varianten. Produktionsvorstand Christian Vollmer erklärt die Entscheidung so: "Unter dem Strich zählt jeder Euro, den wir nicht zwingend ausgeben müssen. Wir haben aus diesem Grund entschieden, das Volumen des ID.3 weiterhin in Zwickau zu bündeln und den bereits vollständig eingerüsteten Standort effektiv auszulasten."

Wie sich die Situation beim neuen Passat in Bratislava entwickelt, bleibt abzuwarten. Dass der "Alte" nach zehn Jahren Bauzeit an Attraktivität verloren hat, ist keine Überraschung. Die Emdener dürften allerdings enttäuscht sein, dass der elektrische ID.7 diese Lücke nicht füllen kann. Überhaupt scheint die ID-Familie von Volkswagen längst nicht so beliebt zu sein, wie es die klassischen Verbrenner-Modelle waren. Für potenzielle Kunden bleibt am Ende eine gute Nachricht: Sie dürfen mit satten Rabatten auf Elektro-Volkswagen rechnen.

Umfrage
Wird die Rabattaktion den Absatz der ID.-Modelle nachhaltig ankurbeln?
25514 Mal abgestimmt
Ja. Genau einen solchen Anstoß haben VW und die E-Mobilität gebraucht.Nein. Das wird nur zu einer defizitären Rabattschlacht in der Autoindustrie führen.

Fazit

Volkswagen kämpft an zwei Fronten mit den Herausforderungen am Markt. Zum einen schwächelt die Nachfrage nach den vollelektrischen ID-Modellen schon seit längerem – zum anderen wünschen sich VW-Kunden offenbar mehr und mehr Autos mit Verbrennungsmotor. Das Stammwerk in Wolfsburg muss jedenfalls für die Produktion von Golf und Tiguan jetzt Sonderschichten fahren – ID.3 werden dagegen hier nicht mehr gebaut. Auch die Nachfrage nach dem alten Passat (B8) ist eingebrochen. Das Werk Emden stoppt deswegen die Produktion. Der Neue (B9) wird ab März zusammen mit dem Skoda Superb in Bratislava vom Band laufen. Auch für die Modelle ID.4 und ID.7 standen die Bänder Anfang März für mindestens eine Woche still. Hier soll der Grund bei Zulieferern liegen.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024

Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten