Neuer BMW M5 (F90) jetzt mit Allradantrieb
Sportlimousine als Spaßkanone trotz Automatik

Die BMW M GmbH hat beschlossen, dass mehr als 600 PS zu viel Leistung für nur zwei angetriebene Räder sind. Deshalb kommt der M5 auf Basis der neuen 5er Limousine (G30) jetzt mit Allradantrieb und Schwindelgefühlen – für den Fahrer.

BMW M5 (2018) Fahrbericht Estoril
Foto: BMW

Zugegeben: Es ist völlig albern und wiederspricht unserem sonstigen Streben nach bestmöglicher Performance komplett. Aber wir hatten einen Wahnsinns-Spaß mit dem rein hinterradgetriebenen M5. Dabei sind sie bei der Sportdivision von BMW so stolz darauf, dass bei ihm nun auch die Vorderachse mitarbeitet – allerdings verweigert sie die Mitarbeit nach einer bestimmten Tastenkombination.

Mit dem neuen BMW M5 in Estoril

BMW M5 (2018) Fahrbericht Estoril
BMW
Wir waren mit dem neuen BMW M5 auf der Rennstrecke. Und zwar in Estoril.

Dann deaktiviert man die Vorderachse. Mercedes-AMG hat bereits beim E 63S diese scheinbare technische Absurdität realisiert. Sehr zu unserer Freude. Und nun macht es BMW beim M5 genauso. Klingt nach einer Menge Spaß, sofern man eine abgesperrte Strecke zur Hand hat. Und, welch ein Glück, wir hatten gerade eine Piste zur Hand: Estoril. Da mussten wir das Ganze einfach probieren. Aber zunächst natürlich waren wir ganz brav als Allradler unterwegs.

Unsere Highlights

Hach was geht das bei Vollgas vorwärts. Herrlich. Wenn sich die elektronisch gesteuerte Lamellenkupplung als Mittendifferenzial mit der vollvariablen Hinterachssperre verbündet – gesteuert vom ESP. Dessen Software prognostiziert den Reibwert in Längs- und Querrichtung und aktiviert im Bedarfsfall die Vorderachse. Etwa beim starken Beschleunigen.

Keine Hinterradlenkung, keine Wankstabilisierung

Dass der allradgetriebene M5 ohne Hinterachslenkung kommt, ist übrigens kein Verlust, wäre sie doch eine weitere Variable im System, mit der man sich zunächst auseinandersetzen muss. So aber lenkt die Sport-Limousine meist vorn – und ohne ESP ab und an auch hinten.

Achja, die Wankstabilisierung wurde ebenso wegrationalisiert; wir haben sie gar nicht vermisst. Auch nicht die paar Kilogramm, die sie dadurch gespart haben. Das Dach haben sie ebenso abgemagert und zwar mit einem Kohlefaser-Gelege. Insgesamt soll der Neue etwa 15 Kilogramm leichter sein als der Alte.

BMW M5 (2018) Fahrbericht Estoril
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Er soll 15 kg leichter sein, der Neue. Naja, der M5 ist immer noch schwer, aber die Lenkung versucht das zu verheimlichen.

Generell ist die Sport-Limousine aber immer noch ein schwerer Brocken, auch wenn das die Lenkung nach Kräften zu verheimlichen sucht. Was sich allerdings nicht verheimlichen lässt, ist die Breite. Vor allem auf schmalen Landstraßen. Dann wird das Abschätzen von Engstellen für den Fahrer recht anstrengend. Für den Biturbo gibt es dagegen keinen Grund sich anzustrengen – er schüttelt selbst Überholvorgänge auf kurzen Geraden locker aus dem Ärmel und man pest im hohen Gang bei niedriger Drehzahlen bereits mehr als zügig durch die Gegend.

Automatik so schnell wie DKG

Hier vermisst man auch das alte Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe niemals; der neue Achtgang-Wandlerautomat schlägt sich hervorragend. Er schafft praktisch genauso schnellen Schaltzeiten, wechselt die Gänge beim Cruisen aber deutlich geschmeidiger – schließlich gast man selbst mit einem M5 nicht ständig an. Beim Dahinreisen freut man sich zudem über die Komfortstufe der adaptiven Stoßdämpfer, die weit entfernt von unsportlicher Weichheit ist, dennoch etwas Wanken zulässt.

Das ist gar nicht so schlecht, verbessert es schließlich die Traktion. Und auch das Gefühl fürs Chassis. Also für die Reserven, die der M5 noch hat – oder eben nicht. Keiner ist beim Schnellfahren ein unangenehmerer Partner als ein Tempo-Leugner, bei dem alles in Ordnung scheint und es im nächsten Moment wie aus heiterem Himmel dahin geht. Insofern ist die Sache mit dem Body Roll gar nicht so schlecht.

Zum Spaß: Allrad einfach mal abschalten

BMW M5 (2018) Fahrbericht Estoril
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Wer will, kann in den 2WD-Modus schalten, sollte dann aber wissen, was er tut.

Gefühl vermittelt auch die hohe Chassis-Präzision. Die Fünf-Lenker-Hinterachse erhielt härtere Stabilisatoren, zusätzlich neue Spurlenker samt steiferer Elastomerlager und weiterer Streben zur besseren Abstützung. Das erhöht das Gespür für den Grenzbereich deutlich. Als weitere Sicherheitsreserve kommt der Allradantrieb ins Spiel, sofern man möchte. Oder man klemmt die Vorderachse per Tastendruck ab und genießt den Spaßfaktor für gewisse Stunden.

Wer die Stabilitätskontrolle komplett deaktivieren möchte (aus heißt hier übrigens wirklich aus), darf aus drei Möglichkeiten wählen: 4WD, 4WD Sport und 2WD – letzteres wäre der reine Hinterradantrieb. Dann ist die Leitung zur Vorderachse gekappt und das Drehmoment gelangt voll nach hinten. Zwei der fünf Möglichkeiten lassen sich wie schon bisher als Favoriten abspeichern und per Taster vom Lenkrad aus aktivieren.

Driften mit Netz und doppeltem Boden

Wobei MDM, das Sport-ESP, der Hinterachse bereits großen Freiraum lässt, sich querdynamisch zu verwirklichen. Man spürt tatsächlich die hecklastige Auslegung; Einlenken, das Heck per Lastwechsel drücken lassen und progressiv Drehmoment zugeben. Dieser Modus lässt der schmutzigen Linie auf der Rennstrecke praktisch jeden erdenklichen Freiraum.

In 4WD Sport lässt es sich mit Netz und doppeltem Boden driften. Dank der Vorliebe des Allradantriebs für Heck sowie der gefühlvollen elektromechanischen Lenkung sind dezente Powerslides kein Wahnsinns-Unterfangen. Wobei 750 Nm Drehmoment mit Dominanz an einer leichten Hinterachse schnell zum zickigen Eigenleben führen können.

Etwa nach dem Scheitelpunkt, falls man zu ungestüm ans Gas geht, während das Heck bereits drückt. Dann schnalzt es heraus und man sollte zackig und bestimmt gegenlenken. Diese Schrecksekunde will BMW eigentlich durch das neue Allradsystem vermeiden, gesteht sie aber allen zu, die sich bewusst in den Modus mit größtmöglichen Zugeständnissen begeben.

Übermütiger Biturbo-4,4-Liter-V8

Wer vorsätzlich jede Hilfe ablehnt und in den 2WD-Modus wechselt, sollte sich zunächst an die Arbeitsweise der Quersperre gewöhnen: Laut BMW regelt sie von Null bis 100 Prozent, also von gar nicht bis zum starren Durchtrieb; letzteres natürlich nur theoretisch. Praktisch dagegen fließt bei Leistungseinsatz in der Kurve der größte Teil des Drehmoments ans kurvenäußere Rad.

Gewöhnen sollte man sich auch daran, wie die beiden Twinscroll-Turbolader mit bankübergreifender Rohrführung dem 4,4-Liter-V8 Luft zuschaufeln, also wie sehr man mit dem Gaspedal in Vorleistung gehen darf, bevor das Triebwerk übermütig mit Drehmoment um sich wirft.

Rauch geht auch – dank 750 Nm

Sofern der Allradantrieb aktiviert ist, geht es dann brachial vorwärts. Bei 4WD Sport und mehr noch bei 2WD schwenkt allerdings die Hinterachse im Nu herum und man sollte großzügig den Lenkwinkel anpassen. 750 Nm können selbst eine so schwere Business-Limousine wie den M5 nach Belieben über oder vom Kurs schubsen – und das Heck selbst in langgezogenen Kurven am Rauchen halten.

Es ist tatsächlich genauso wie früher – der Fahrer hat die volle Kontrolle über Drift und Dreher. Kein Gedanke an schnelle Rundenzeiten. Stattdessen hatten wir bei der Fahrpräsentation unseren Spaß an der technischen Absurdität der Traktions-Verschlechterung. So wie übrigens auch BMW-Werkspilot Timo Glock: Er stellte ein Video online, das ihn in der endlosen Zieleingangskurve von Estoril im rauchverhangenen Vollgasdrift zeigt.

Neuer BMW M5 mit 608 PS, Allrad und Automatik

Kaum vergehen fünf Modellgenerationen, schon findet die BMW M GmbH, dass es an der Zeit wäre, dem sechsten M5 einen Allradantrieb zu spendieren. Weil ja die Leistung (608 PS) und die Kraft (750 Nm) für zwei Räder alleine doch etwas zu viel sein könnten. Aber man verspricht uns nicht irgendeinen Allradantrieb, sondern den ersten, der dem fahrdynamischen Anspruch der Sport-Truppe aus Garching gerecht wird. Zehn Punkte sind uns aufgefallen.

Zehn Fakten zum den M5 F90

1. Na klar, der Allradantrieb. Die Hardware entspricht im Prinzip jener aus anderen X-Drive-Modellen. Als eine elektronisch gesteuerte Lamellenkupplung als Mittendifferenzial. Neu ist die Kombination mit der vollvariablen Hinterachssperre der M-Modelle.

BMW M5 Predrive Miramas 2017
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Fünf Modi sind verfügbar: Standard, MDM und mit deaktivierter Stabilitätskontrolle noch einmal 4WD, 4WD Sport und 2WD.

2. …und die Software: „Erstmals ist es möglich, eine Schätzung des Reibwertes in Längs- und Querrichtung abzugeben. Daher sprechen wir auch nicht von einer Regelung, sondern von einer Vorsteuerung“, erklärt Dirk Häcker Entwicklungsleiter der BMW M GmbH.

3. Die daraus resultierenden fünf Modi: Standard, MDM und mit deaktivierter Stabilitätskontrolle noch einmal 4WD, 4WD Sport und 2WD. Die meisten Fahrer dürften aber mit MDM glücklich werden, ja, sich vielleicht sogar dabei ein wenig erschrecken. Warum? Weil die Elektronik erstaunliche Schwimmwinkel zulässt, bevor sie eingreift. Macht das Fahrverhalten aber lebendig, ebenso die spürbare Kraftverteilung in Richtung der Hinterräder.

4. Der Hinterradantrieb: Er lebt. Tatsächlich lässt sich die Kraftübertragung an die Vorderräder kappen. Dann müssen die 285 Millimeter breiten Hinterräder zusammen mit dem von null bis 100 Prozent sperrbaren Hinterachsdifferenzial die Traktion sichern. Gelingt erstaunlich gut, solange du mit viel Gefühl am Gas agierst. Übertreibst du es doch, keilt der M5 nicht mehr gar so giftig aus wie sein Vorgänger. Dennoch: Vorsicht. Selbst wenn dir jetzt eines hilft, nämlich…

5. …die Lenkung: Ja, da jammern sie schon wieder, die Bewohner der Glitzerwelt namens „Früher“. Jetzt löst auch im M5 eine elektromechanische Lenkung die elektrohydraulische ab. Ja und? So lange du in den Handflächen spürst, wie es um den Grip und den Winkel der Vorderräder bestellt ist, passt doch alles, oder?

6. Das Getriebe: Apropos Paradigmenwechsel. Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe flog raus, ein Achtgang-Wandlerautomat übernimmt. Und lädt die Gänge mit irrer Geschwindigkeit durch, reagiert verzögerungsfrei auf manuelle Eingriffe über die Lenkradpaddel. Ganz nebenbei profitiert der Langsamfahrkomfort von harmonischeren Gangwechseln.

7. Der Motor: Das 4,4-Liter-Triebwerk ließ sich schon bislang weder Leistungsmangel noch fehlende Drehfreude vorwerfen. Bleibt auch weiterhin so. Allerdings auch der etwas sterile Klang. Dafür basst der mit neuen Turboladern, modifizierter Luftführung und optimierter Kühlung gepimpte V8 nun etwas voluminöser.

8. Der Einsatz von Carbon: Nun trägt auch der M5 serienmäßig ein Carbondach, um den Schwerpunkt etwas abzusenken. Und dann steckt das edle Material noch woanders. Die Kupplungsscheiben im Hinterachsdifferenzial bestehen nun daraus, nicht mehr aus Chrommolybdänstahl. Soll die Arbeitsweise harmonisieren. Stimmt sogar.

9. Die Fahrleistungen: Das 600 PS starke Jubiläumsmodell des Vorgängers ging in 4,1 Sekunden von null auf 100 km/h. Das soll der neue in weniger als 3,5 Sekunden schaffen. Auf 200 km/h tobt er vermutlich sogar in unter zehn Sekunden.

10. Der Verzicht: Wie bitte? Ja nun, der M5 kommt ohne Hinterachslenkung und Wankstabilisierung aus. Weil M-Kunden durchaus etwas härter im Nehmen sind, und daher die Agilität über die klassischen Stellhebel erreicht werden kann. Und man dadurch Gewicht sparen will.

Fazit

Der Schritt, den BMW M5 (F90) mit Allradantrieb auszurüsten, war überfällig. Schon beim Vorgänger könntest du auf trockener Fahrbahn selbst im oberen Geschwindigkeitsbereich die Traktionskontrolle in Hektik versetzen. Jetzt wird die Limousine allwettertauglich – und fährt zugleich nochmals agiler als bislang. Korrigiere: Sie fährt dich schwindelig. Richtig schwindelig.

Technische Daten
BMW M5 M5
Grundpreis117.900 €
Außenmaße4966 x 1903 x 1473 mm
Kofferraumvolumen530 l
Hubraum / Motor4395 cm³ / 8-Zylinder
Leistung441 kW / 600 PS bei 5600 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
Verbrauch10,5 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten