BMW i7 M70
2,7-Tonnen-E-Luxus mit 1.015 Nm

Seine luxuriöse Zielsetzung und die gewichtige Antriebstechnologie verdonnern den BMW i7 eigentlich zur Gelassenheit. Mit M-Abstimmung und einer Systemleistung von bis zu von 660 PS fühlen sich die 5,39 Meter nun jedoch zu Sportlichem berufen. So fährt der bis jetzt stärkste Elektro-BMW.

Fabian Kirchbauer Photography
Foto: BMW

Solange der E-Antrieb noch nicht als Allheilmittel vorgeschrieben ist, muss die Frage erlaubt sein, wo er am besten aufgehoben ist. Und wenn es hierbei nicht um gesellschaftspolitische Aspekte ginge, sondern ausschließlich um das Fahrzeugkonzept, dann ist – wie ich finde – das Segment der Luxuslimousinen prädestiniert für ihn. Warum? Naja, erstens gibt es inmitten ausgedehnter Radstände stets genügend Bauraum, um Akkupakete in vernünftiger Kapazität unterzubringen, deren viele Zusatzkilos – zweitens – insofern nicht übermäßig ins Gewicht fallen, als die Zwei-Tonnen-Marke bereits mit konventionellen Antrieben locker übersprungen wird. Und drittens bringt der Elektroantrieb jene Talente bereits von Haus aus mit, nach denen man in dieser Klasse schon seit Ewigkeiten strebt: Souveränität, Mühelosigkeit und Laufkultur.

Der große E-Ratgeber

Wie wunderbar traditionelle Statussymbolik mit alternativem Vortrieb korrespondiert, hat zuletzt vor allem einer nachgewiesen: der BMW i7. Mit mystischem Schub und einem Overkill an Wellness-Technologie hob er die 7er-Reihe auf ein neues Level – um von dort aus nun in völlig andere Dimensionen abzuzweigen. In Richtung Sportlichkeit, die jedoch weder der Art der Motorisierung noch seiner Statur in der Wiege liegt.

Allrad und 1.015 Nm

Gestatten, der BMW i7 M70 xDrive. Oder sollten wir sagen: die neue Gallionsfigur des Widerspruchs? Auf den ersten Blick: Ja, ja und nochmal ja, denn ganz egal, was sie in Garching mit dem 5,39-Meter-Lulatsch anstellen, er wird ein 5,39-Meter-Lulatsch bleiben. Andererseits hat die M GmbH schon beim (indirekten) Vorgänger den Beweis erbracht, dass sich aus vermeintlichen Misstönen überaus harmonische Automobile komponieren lassen: 610 PS, 6,6 Liter Hubraum, zwei Turbolader, zwölf Zylinder – na, schnackelt’s? Genau: der sinnlich-monumentale M760Li, dessen Fußstapfen der Über-i7 nun nochmal kräftig auslatscht.

Sein Suffix M70 symbolisiert die bis dato stärkste E-Motorisierung im Programm der Münchner. Zwei E-Maschinen generieren bis zu 485 kW Systemleistung. Maximal 190 kW speist die kleinere über die Vorderachse ein, 360 kW wuppt die sechsphasig betriebene, dadurch besonders leistungsdichte Einheit der Hinterachse. In Tateinheit türmt der Allradler damit 1.015 Nm Drehmoment auf, was fast der doppelten Dosis eines M3 entspricht und das, Pardon, despotische Antlitz durchaus angemessen untermalt.

3,7 Sekunden bis Tempo 100

Dennoch sind die Gemeinsamkeiten mit den zivilen i7-Modellen zunächst präsenter als die Unterschiede. Sprich: Die Sportlichkeit entwickelt sich in Relation zum Fahrzeugkonzept. Und das ist gut so. Zwar dampfen 85 kW Mehrleistung gegenüber dem bisherigen Topmodell – dem i7 xDrive60 – die Beschleunigungswerte um eine glatte Sekunde ein: auf superzügige 3,7 Sekunden, zudem wächst die Höchstgeschwindigkeit von 240 auf 250 km/h, dennoch tanzt der M70 nie zu weit aus der 7er-Reihe. Im Gegenteil: Auch die Sportversion liegt einem Rolls-Royce am Ende näher als jedem Vollblut-M-Modell, was allein schon mit Aufmachung und Aura zusammenhängt: Die Palette der Außenfarben gleicht einer unendlichen Geschichte aus Möglichkeiten, die sich auf Wunsch zu extrovertierten Bicolor-Lackierungen kombinieren lassen und sogar einige Klassiker aus der M-Geschichte umfassen: dakargelb, feuerorange – lasset die Farbspiele beginnen. Das Spektrum der Innengestaltung ist im Prinzip genauso breit. Vegane Basisbezüge, aromatische Edelleder, sportives Alcantara, Cashmere-Wolle – alles, was gut und teuer ist, geht bereits ab Werk. Und wenn die Polster dann doch ganz unbedingt mit dem Wildberry-Vanilla-Nagellack der Gattin (oder auch des Gatten) abgestimmt sein müssen, dann werde man auch dafür einen Weg finden, wie es aus BMW-Kreisen heißt.

Selbstredend, dass sich sämtliche Türen auch beim M-Modell elektrisch bewegen, was so richtig elegant aber nur vom Fahrersitz aus funktioniert, wo es keine Tastenbetätigung braucht, sich die große Pforte stattdessen durch einen einfachen Druck aufs Bremspedal ins Schloss ziehen lässt.

Das Problem danach

Obwohl sich der i7 als M70 ganz explizit an Selbstfahrer richtet, verspürt man einen steten Drang in Richtung der einladenden Fondsessel, mit denen man sich (die richtigen Kreuzchen in der ellenlangen Sonderausstattungsliste vorausgesetzt) vor, oder in Lounge-Position sogar unter einen 8K-Kino-Bildschirm fläzen kann.

Doch auch auf dem Wind-Screen laufen bei Bedarf unterhaltsame Filme ab. Genre? Zwischen Romanze und Science-Fiction – je nach Befehlsgewalt des Regisseurs. Lässig bewegt bleibt der M70 ganz i7, schwingt sich mit freundlicher Unterstützung seiner serienmäßigen Hinterachslenkung in Kurven, treibt als Superyacht auf seinem irren Potenzial oder schießt sich auf den unmittelbar losbrechenden Stromschnellen Geraden entlang – souverän, mühelos und auf Paddelbefehl sogar mit einem kurzfristigen Bonus-Boost von weiteren 85 Nm.

2.695 Kilogramm-Koloss

Die konstruktiv eingeimpfte Sportlichkeit schwingt dabei nur unterschwellig mit. Luftfedern mit reduzierten Kammern und präziser ansprechende Dämpfer senken zwar das grundsätzliche Fahrgefühlsniveau von Wolke sieben auf – ich sag mal – fünf, zudem liegen die M-typischen Versteifungsmaßnahmen wie das zusätzliche Schubfeld zwischen Stirnwand und Federbeindomen in Gestalt eines satteren Lenkgefühls ständig auf der Hand. Dennoch kommt die nachgezogene Muskulatur erst dann zum Tragen, wenn man sie aktiv anspannt. Sprich: den i7 mutwillig dorthin bewegt, wo er sich qua Standing wohl nie bewegen wird.

Logisch, allzu wilden Fahrdynamik-Verrenkungen schiebt das absurde Gewicht von 2.695 Kilo irgendwann ebenso einen Riegel vor wie die wachsame Regelungselektronik. Fädelt man die Mega-Mobilie jedoch sachte ins Eck, lässt sich der Koloss mit derart viel Zug durch den weiteren Kurvenverlauf peitschen, dass es am Streckenrand schon mal den Oleander entlaubt. Dabei bediente sich der Testwagen sogar den serienmäßigen, eher milde abgeschmeckten Conti Reifen, die sich auf Wunsch durch einen deutlich sportlicheren Pirelli-Mix ersetzen lassen.

Bei 181.800 Euro geht es los

Doch auch wenn der E-Antrieb in der Lage ist, seine Nachteile über Dinge wie den tiefen Schwerpunkt, die präzise Dosierbarkeit der Leistungsabgabe und die daraus entstehende Spontanität im Zusammenspiel mit den anderen Fahrdynamiksystemen wieder ein Stückweit zu kompensieren, bleiben die bekannten Haken. Der eine ist der generelle Interessenkonflikt aus sportlichen Verlockungen und einer jäh einstürzenden Reichweite, wenn man ihnen frönt. Ein anderer bleibt der Klang. Obwohl sich BMW bei der Komposition der Untermalung Oscar-gekrönte Unterstützung von Hans Zimmer geholt hat, wirkt die (abschaltbare) Geräuschkulisse gerade im M-Kontext befremdlich. Das zarte Raunen im Normalprogramm verwandelt sich im Sportmodus zu kosmischem Tosen. In "Expressive" spaced die Kreativität dann völlig. Blechbläser als Ouvertüre, eine Prise Enterprise danach und obenraus ein seltsamer Mix aus Jaulen und Nachhall, der an den Gesang balzender Seekühe erinnert. Oder so.

Und dann ist da eben noch – Sie ahnen es – der Preis, den die Zukunftstechnologie nach wie vor hat. Wobei die Tatsache, dass die Kostenskala des i7 M70 gut 35.000 Euro oberhalb des hybridgetriebenen, aber ähnlich abgestimmten M760 beginnt (und mit den 181.800 Euro Grundpreis natürlich lange nicht endet) in diesen Gefilden wohl nicht die ganz große Rolle spielt – alias Vorteil Nummer vier im Zusammenhang aus E-Antrieb und Luxusklasse.

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Fazit

Bei BMW zählt Sportlichkeit auch in Zukunft zum Markennimbus, darauf schwören sich die Entwickler immer wieder aufs Neue ein. Unabhängig von der Art des Antriebs müsse sie zur Fahrzeugklasse passen, zur Dosierung der M-Modells sowie – wichtiger Punkt – zur Längsdynamik. Und auch wenn der i7 M70 Kraft seiner beiden E-Maschinen mit unfassbarer Wucht nach vorn schießt, schafft er es, sich auch in Kurven innerhalb dieses streng gesteckten Rahmens zu halten – einer gelungenen Mischung aus gestrafften Handling-Konturen und einem uneingeschränkt überragenden Reisekomfort sei Dank.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

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