Die Sieganwärter beim 24h-Rennen 2013
Die Topautos am Nürburgring

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Favoriten gegen Außenseiter, Kundenteams gegen Werksmannschaften, dazu alle großen deutschen Hersteller und 180 Rennwagen: Das 24h-Rennen auf der Nordschleife des Nürburgrings verspricht auch bei seiner 41. Ausgabe im Jahr 2013 Spannung pur.

GT3-Autos, Rennszene
Foto: BR-Foto

Das miese Wetter in der Eifel verhagelt nicht nur die Laune in der Agrarwirtschaft, sondern auch die Prognosen für den 24-Stunden-Marathon am Nürburgring: Beim zweiten VLN-Lauf zur Langstreckenmeisterschaft Ende April, als die Top-Teams ein letztes Mal für das 24h-Rennen 2013 testen wollten, sorgten zäher Nebel, Asphalttemperaturen von zwei Grad und Schneegriesel für lange Gesichter.

Kaum Testmöglichkeiten für das 24h-Rennen

Nur ein Rennen hatte man bis dahin auf der Nordschleife abspulen können – viel zu wenig, um Daten zu sammeln, Reifen auszusortieren, Fahrwerkseinstellungen durchzutesten oder die Piloten in Schwung zu bringen für das große Nordschleifen-Spektakel Mitte Mai 2013.

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Prognose oder Lotterie?

„Das Wetter treibt uns noch in den Wahnsinn“, maulte Porsche-Teamchef Olaf Manthey, der das 24-Stunden-Rennen zwischen 2006 und 2011 fünf Mal gewinnen konnte. „Wir wissen nicht, wo wir stehen – und wir wissen auch nicht, wo unsere Gegner stehen. Das gleicht alles einer großen Lotterie.“ Am Ende fand der zweite VLN-Lauf Ende April doch noch statt – aber eine seriöse Vorbereitung sieht sicher anders aus.
 
„Die Datenlage ist schlecht“, befand auch Norbert Kreyer. Der Motoren-Guru aus der Eifel ist verantwortlich dafür, dass die Topwagen aus der GT3-Klasse, die am Nürburgring den Ton angeben, ungefähr gleich schnell sind und die Fans ein packendes Rennen geboten bekommen. Das auf den Namen Balance of Performance (BOP) getaufte Einstufungsverfahren ist ein hochwissenschaftlicher Prozess – und obendrein hochpolitisch. Denn viele Hersteller engagieren sich am Nürburgring mit werksunterstützten Einsätzen.
 
Es geht also um viel, ergo würden die Hersteller selbst bei Sonnenschein ihre Karten nicht wirklich aufdecken. Denn wer bei den Testrennen zu schnell ist, bekommt fürs große Rennen kleinere Luftmengenbegrenzer für den Motor verpasst. Bei Regen und Kälte lässt sich die Performance noch besser verschleiern.

Vier Hersteller kämpfen um die 24h-Krone

Und so fragen sich die Ringfüchse: Liegen Kreyer und Konsorten richtig? Wie viele Nebelgranaten haben die Hersteller gezündet? Und hat das Wetter den Einstufungsprozess verfälscht? Die Prognose gleicht in diesem Jahr einem Indizienprozess: Mit Audi, Mercedes, Porsche und BMW kämpfen vier Hersteller um die deutsche Krone des Langstreckensports.
 
Dazu kommen Exoten wie Aston Martin oder der werksunterstützte Lexus LF-A von Toyota. 33 GT3-Rennwagen stehen in der Nennliste, insgesamt werden gut 180 Fahrzeuge am Pfingstwochenende das längste deutsche Autorennen in Angriff nehmen.
 
Man könnte es sich einfach machen und sagen: Bei den beiden VLN-Rennen siegten BMW und Audi – fertig ist die Favoritenliste. Doch Motorsport ist ein wenig komplizierter, weil viele Faktoren über die Siegfähigkeit entscheiden: Natürlich der Speed der unterschiedlichen Fahrzeuge, aber eben auch die Güte der Fahrer, die Qualität der Reifen, die Strategie der Teams und das Maß an Unterstützung durch die jeweiligen Hersteller.

Und wer steht nun wo?

In der Theorie kämpfen alle Hersteller beim 24h-Rennen am Nürburgring 2013 mit den gleichen Waffen, denn sie setzen in der Regel auf Fahrzeuge aus der populären GT3-Klasse. Die Kniffe liegen im Detail. So sind beispielsweise die Mercedes SLS AMG GT3 und die BMW Z4 GT3 fast baugleich mit dem Vorjahr. Porsche jedoch hat dem 911 GT3 R ein massives Technik-Update verpasst, das mehr Abtrieb erzeugt. Audi hat ebenfalls nachgelegt, wenngleich nicht so krass wie Porsche. Doch wie soll man die Verbesserungen bitte messen – bei Schneegriesel und 2 Grad über null?
 
Porsche hat noch einen Joker in der Hinterhand, denn Teamchef Olaf Manthey setzt zwei unterschiedliche GT-Wagen ein – den GT3 und ein GTE-Auto nach Le-Mans-Reglement. Dieser Porsche 911 RSR ist die große Unbekannte im Ratespiel am Ring, denn er hat mehr Abtrieb als die GT3-Rennwagen, was auf der kurvenreichen Nordschleife hilft.
 
Nun hat die Kultrennstrecke aber auch extrem lange Geraden wie die Döttinger Höhe, und dort hat der RSR beim Topspeed einen Nachteil, weshalb der grün-gelbe RSR für das zweite VLN-Rennen einen größeren Restriktor bekam. Das wiederum erzürnte sofort wieder die Gegner aus dem GT3-Lager. Sie merken: BOP ist ein kompliziertes Geschäft.
 
Man muss Norbert Kreyer und seinem Technikerstab zu Gute halten, dass sie den kniffligen Job der Einstufung in den letzten Jahren gut gelöst haben. Nur zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr lagen beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring die schnellsten GT3-Wagen der vier Marken (Porsche, Audi, Mercedes und BMW) bei den 70 schnellsten Rennrunden innerhalb von nur 1,739 Sekunden – und das bei einer durchschnittlichen Rundenzeit von gut 520 Sekunden!

Schlupflöcher geschlossen

Dazu wurden einige Lücken im Reglement begradigt. In der Vergangenheit spielten beim 24-Stunden-Rennen der Verbrauch und die daraus resultierende Reichweite eine zentrale Rolle. Beide Themen sind nun komplett vom Tisch: Unterschiedliche Hubräume erzeugen unterschiedliche Verbräuche, die zu unterschiedlichen Tankgrößen führen. In diesem Jahr ist nicht nur die Nachtankzeit für alle identisch, ob sie nun 110 oder 125 Liter einfüllen, sondern auch die Aufenthaltszeit in der Boxengasse beim Stopp ist normiert.
 
Hier hatte es im letzten Jahr Zoff gegeben, weil einige Hersteller größere Tanks ausgehandelt hatten – die sie im Rennen gar nicht benötigten, um die Normdistanz von neun Runden zu schaffen. Das wiederum bescherte beispielsweise den Mercedes SLS AMG GT3 einen Zeitgewinn von mehreren Sekunden pro Stopp. „Die neue Lösung ist fair und konsequent, wenngleich etwas künstlich, weil Verbrauch und Effizienz nun gar nicht mehr in die Gleichung einfließen“, hält Porsche-Teamchef Olaf Manthey fest.
 
Auch das leidige Thema der Geschwindigkeitsübertretungen bei Gelbphasen wurde neu geregelt: Früher meldeten die Streckenposten Verstöße, jetzt funkt ein GPS-System Verfehlungen direkt an die Rennleitung. Bei Nichteinhaltung drohen drakonische Strafen.
 
Den Teams und Herstellern bleiben aber noch genügend Stellschrauben, um Vorteile beim 24h-Rennen am Nürburgring herauszukitzeln. So verstecken sich unter den 33 GT3-Wagen in der Nennliste 15 Autos, die durchgängig mit Profifahrern besetzt sind. Nur sie haben bei regulärem Rennverlauf eine echte Chance auf den Sieg. Die Zeit der Amateure scheint am Nürburgring endgültig vorüber zu sein – sie können bestenfalls noch um Klassensiege kämpfen.
 
Natürlich ist auch die Qualität der Teams rennentscheidend, denn in ihrer Verantwortung liegen Rennstrategie und Reifenmanagement. Da kann man gewinnen – oder eben auch verlieren. Ganz besonders beim Thema Reifen, denn beim 24h-Rennen am Nürburgring ist die Wahl der Reifenpartner weiterhin freigestellt.

Die Gretchenfrage Reifen

Die Topteams verfügen über Entwicklungsreifen, die nicht im freien Verkauf erhältlich sind. Michelin rüstet wie schon in der Vergangenheit das Gros der Sieganwärter aus: Beim 24h-Rennen am Nürburgring 2013 starten 18 Top-Wagen mit Michelin-Entwicklungsreifen, darunter die beiden Porsche des Manthey-Teams, die Werkswagen von BMW (Schubert-Team und Marc VDS) und die Top-GT3 bei Audi (Phoenix, WRT und Mamerow). Auffällig dabei, dass kein Mercedes-Team mit Michelin antritt: Die Teams ROWE und Black Falcon setzen geschlossen auf Dunlop-Pneus.
 
Bei der Verteilung der „guten“ Entwicklungsreifen spielt natürlich auch die Nähe der Teams zum Hersteller eine Rolle. Am Ende aller Tage bleibt das Maß der Werksunterstützung ein wichtiger Faktor für die Siegfähigkeit am Nürburgring, und hier sind durchaus Unterschiede zu verzeichnen.

Werkssport oder Kundensport?

BMW deklariert den Einsatz beim 24h-Rennen am Nürburgring offen als Werkseinsatz, besonders in Bezug auf das Schubert-Team, wo die Top-Piloten genannt sind. Bei Audi handelt es sich nicht mehr um einen vollen Werkseinsatz wie noch 2012, sondern nur noch um werksunterstützten Kundensport. „Wir stellen zwar Werksfahrer und geben technische Unterstützung, aber die Fahrzeuge sind im Besitz der Teams, die eigene Sponsoren an Bord haben“, so Kundensportleiter Romolo Liebchen. Porsche verfährt ähnlich, auch wenn der Großteil der Werksfahrer auf die beiden Topwagen von Manthey Racing verteilt wurde.
 
Dazu bekommen nun aber auch Kundenteams, die mit dem Porsche 911 GT3 antreten, auf Anfrage Werksfahrer gestellt. Und wie bei Audi erhalten diese Mannschaften dann auch Entwicklungsreifen von Michelin – wie die Kundenteams Timbuli Racing oder die Früh-Kölsch-Truppe von Klaus Abbelen.
 
Bei Mercedes hielt man sich bisher sklavisch an die Kundensportdoktrin, doch indirekt scheint der steuernde Einfluss im Hintergrund leicht zuzunehmen. Vermutlich wurde erkannt, dass man bei den großen 24h-Rennen wie am Nürburgring oder in Spa ohne Unterstützung nichts ausrichten kann. Doch bleibt festzuhalten, dass sich Mercedes am stärksten zurückhält – und BMW sich vielleicht am stärksten engagiert.

15 Autos fahren um den Sieg

Zählt man die echten Topwagen zusammen, so werden 15 Autos um den Sieg beim 24h-Rennen am Nürburgring kämpfen. Unter den kleineren Teams wie Mamerow (Audi) oder Timbuli (Porsche) schlummert jedoch jede Menge Podest-Potenzial, sollten die Top-Teams in mechanische Probleme laufen oder von Unfällen gebeutelt werden.
 
Und wer weiß: Vielleicht ist das 24h-Rennen am Nürburgring 2013 ja mal wieder für eine Überraschung gut. Aston Martin tritt entgegen der ursprünglichen Planung zwar nur mit einem GT3 Vantage an, aber der ist top besetzt und hat ebenfalls die guten Reifen von Michelin aufgeschnallt.
 
Das miese Eifel-Wetter erzeugte zwar eine schlechte Datenlage, weshalb Prognosen schwammig bleiben. Doch die in Köln ansässigen Organisatoren des 24-Stunden-Rennens am Nürburgring bleiben bei der Fahrzeugeinstufung gelassen – getreu dem kölschen Motto: „Et hät noch immer joot jejange!“

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten