Fan-Reportage 24h-Rennen Nürburgring 2022
Oktoberfest in der Grünen Hölle

Das erste Mal seit 2019 feiern die Fans am Nürburgring das 24h-Rennen. Eine ganze Woche lang verwandeln sie die Nordschleife in ein Motorsport-Tollhaus. Auf den Campingplätzen rund um den Ring finden sich die kreativsten Fans ein.

50. ADAC TotalEnergies 24h Nuerburgring 2022
Foto: Guido ten Brink / SB-Medien

Bayerische Volksmusik ertönt aus Lautsprecherboxen auf dem Campingplatz Schwalbenschwanz. Je näher man der "Stubenmusi" kommt, desto auffälliger ist die Optik der Fans an dieser Stelle. Die Gruppe des Standplatzes hat sich in traditionelles, bayerisches Gewand geworfen: Die Männer tragen Dirndl. "Heute ist Mottoparty", sagt Tobi.

Der 31-Jährige und seine Freunde haben sich für den Vatertag ein spezielles Programm ausgedacht. Am sonnigen Abend von Christi Himmelfahrt hält damit bayerisches Alpenflair Einzug am Schwalbenschwanz. Auf dem Drehspieß rotiert der gut riechende Kassler. Passend zum Motto gibt es dazu Püree und Sauerkraut, wie Tobi ergänzt. Auf der Getränkekarte für den Tag steht ein helles, bayerisches Bier. Pro Kopf rechnet die Gruppe mit einem Bierverbrauch von einem Kasten pro Tag. Nordschleifengerecht.

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Guido ten Brink / SB-Medien
Die "Streckenposten" an der Nordschleife sorgen für den kontrollierten Biergenuss.

Fan-Rückkehr an den Ring

Für die Zuschauer ist das 24h-Rennen in diesem Jahr etwas besonders. Schließlich kehren erstmals seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie die Fans in voller Zahl zurück an die legendäre Rennstrecke. Der Ansturm auf die begehrten Campingplätze ist deshalb riesig.

Der Plan des Veranstalters, am Montagmorgen (23.5.2022) die Liegestellen für die Nordschleifen-Enthusiasten zu öffnen, funktionierte nicht. Die Fans stellten sich bereits am Wochenende davor in die Warteschlangen, um einen guten Platz zu ergattern. Vor allem am Streckenbereich Brünnchen verstopften die Camper die Bundesstraße 412.

Viele der Zuschauer hatten sich bereits mehrere Tage vor Zutritt der Plätze dort eingefunden. Die Polizei veranlasste deshalb ein vorzeitiges Öffnen der beliebten Stelle. Dadurch konnte der Verkehr wieder besser fließen, nachdem viele der Wohnmobile und Campingwagen nicht mehr auf der Straße gestanden hatten.

Auch Tobi und seine Freunde reisten bereits am Sonntag an, um montags sich ihren Platz nahe der Rennstrecke zu sichern. Einen ganzen Tag dauerte der Aufbau der gezimmerten Terrasse, der Zelte und die Installation von Wasser, Gas und Strom.

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Die Stellplätze rund um die Strecke sind nach zwei Jahren ohne Camping voll ausgelastet.

Sechs Wochen Vorbereitung

Wie die Teams müssen sich auch die Camper auf das Spektakel des 24h-Rennens vorbereiten. Insgesamt anderthalb Monate im Voraus planten Tobi und seine Jungs ihren Trip in die Eifel. Wer sich fragt, wieso man für den Ausflug so viel Zeit brauche, der sollte sich den Aufbau des Standplatzes anschauen. Eine Dusche, einen Kühlschrank, einen Backofen und eine Spülmaschine hat die Truppe zum Schwalbenschwanz gekarrt.

Mittels Stromaggregat können die Camper autark leben. Möglich wird das, weil die Jungs einander ergänzen. Tobi selbst ist Metzger und kümmert sich um das leibliche Wohl der Truppe. Sein Kumpel Thomas installierte die Terrasse oberhalb des Wohnwagens. Dabei half ihm sein Beruf als Zimmermann.

Der Nachwuchs steht bereit

Dem Oktoberfest musste der Sekt-Donnerstag bei Tobi und seinen Freunden weichen. Mit diesen fährt er seit 20 Jahren zum Nürburgring. Von seinem Vater hat er die Begeisterung Nordschleife vererbt bekommen. "Ich bin 1991 geboren und war seit ‚95 mit meinem Vater hier." Mittlerweile hat der 31-Jährige aus der Nähe von Koblenz selbst einen Sohn. "Ich fahre jetzt selbst mit meinem Vater und meinem Sohn alle vier Wochen an den Nürburgring."

Für den Nachwuchs haben die Jungs extra eine Rutsche an ihre Terrasse gebaut. So konnte Tobis Sohn sich dort austoben. Aber nicht nur Kinder nutzen die Rutsche – auch die ausgewachsenen Dirndl-Träger hatten an dem Anbau ihren Spaß.

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Guido ten Brink / SB-Medien
Die Rutsche für den Nachwuchs sorgt auch bei den Dirndl-Trägern für Gaudi.

"Zwei Wochen" Urlaub benötigt Tobi für die Sause am Ring. Die Begeisterung ist dieses Jahr auch bei ihm größer, da er zwei Jahre nicht vor Ort campen konnte.

Die Daumen drückt Tobi den Phoenix-Audis. Den Sohn von Teamchef Ernst Moser kennt er persönlich. Ron Moser ist mittlerweile der Teammanager der Mannschaft. Deshalb liegen die Sympathien bei der Marke mit den Ringen. Den Gesamtsieg holt sich seiner Meinung nach aber eine andere bayerische Marke: "Ich sag‘ BMW!" Die Münchner haben mit dem M4 GT3 ein neues Auto an den Nürburgring gebracht, das sich als schnell erwiesen hat.

Keine Pools im Brünnchen & Co.

Über die Tage an der Nordschleife lässt sich feststellen, dass die beliebten Pools der Fans verschwunden sind. Nur einen konnte man kurz bei einer TV-Einblendung auf dem Bildschirm erhaschen. Das hält die Fans nicht davon ab, ihre Party am Ring zu feiern.

Und das nächste große Event beginnt schon am 3. Juni. Dann wird es wieder laut, wenn das legendäre Rock am Ring hunderttausende feierwütige Fans anlockt. Einige 24h-Besucher werden dann gar nicht heimfahren, sondern das Festival in einer Woche auch mit ihrer Begeisterung beleben.

Ob dann wieder bayerische Volksmusik ganz oben in der Hitparade steht? Ein kleines Fragezeichen ist zumindest angebracht.

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