Audi Avant RS 2 im Fahrbericht
Leistungs-Transfer von Porsche zu Audi

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Audi RS 2 – ist das noch ein Audi? Oder schon ein Porsche? Der Fünfzylinder-Turbo des RS 2 klingt nach Ingolstadt, doch seine 315 PS und 410 Newtonmeter stammen aus Stuttgart-Zuffenhausen. Hier mit dem ersten bei Porsche gebauten Kombi.

Audi Avant RS2, Frontansicht
Foto: Arturo Rivas

Nogaroblau perleffekt ist eine besonders hinreißende Lackierung, die es bei Audi als Sonderfarbe zunächst ausschließlich für den Audi RS 2 gab. Auch der Letzte seiner Art wurde in dieser Farbe lackiert: Ein Stimmungsmacher für die Spurensuche des ersten bei Porsche gebauten Kombis.

Audi 80 ist die Basis des RS 2

Nogaro ist ein Städtchen in den Pyrenäen und wahrscheinlich nicht ganz zufällig Pate für den Namen der Farbe. Schließlich verfügt der Ort über eine Rennstrecke, auf der Werkspilot Frank Biela 1993 zwei Läufe zur Französischen Tourenwagen-Meisterschaft gewann – die Grundlage für seinen Meistertitel mit einem Audi 80 Quattro.

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Nach ihrem Ausstieg aus der heimischen Deutschen Tourenwagen Meisterschaft (DTM) waren die vier Ringe ins gallische Exil gewandert, um weiterhin Lorbeer ernten zu können. Als Biela in seinem Renn-Allradler den zweiten Nogaro-Erfolg feierte, begann Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen das sportliche Topmodell für Audi zu bauen: den Audi RS 2.

Der Clou: Dazu setzten die Konstrukteure unter Audi-Technikvorstand Demel, der 1994 auf den Ingolstädter Chefposten wechseln sollte, und Porsche-Projektleiter Michael Hölscher auf die Kombikarosse des Audi 80 Avant. Diese Rucksackversion des Ingolstädter Mittelklässlers war erst 1992 eingeführt worden, nur zwei Jahre später hörte bereits jeder dritte 80 auf den Beinamen Avant. Topmodell war der Audi S2 mit dem 230 PS starken Turbo-Fünfzylinder.

Entsetzen über die geforderte Leistung

Aber die selbstbewussten Audi-Techniker ahnten: In dem Reihenmotor, zwischen 1981 und 1986 Grundlage des in der Weltmeisterschaft eingesetzten Rallyemotors, steckt noch mehr – Stoff für den schnellsten Kombi der Welt mit über 300 PS. Dieser Gedanke brachte die Porsche-Entwickler in Weissach mächtig ins Schwitzen: „Zunächst waren wir entsetzt über die Höhe der geforderten Leistung“, äußerte Audi RS 2-Projektleiter Hölscher.

Nach eingehender Prüfung verpasste man für das Audi RS 2-Projekt dem traditionsreichen Fünfzylinder einen größeren Turbolader der Pfälzer Spezialisten Kühnle, Kopp und Kausch (KKK), damals eine Tochterfirma von Daimler-Benz, erhöhte den Ladedruck auf 1,4 bar, verbesserte die Ladeluftkühlung sowie die Ansaugwege und verordnete eine größere Auspuffanlage.

Damit schraubten die Leistungsexperten aus dem Weissacher Entwicklungslabor die Motorleistung des Audi RS 2 auf 315 PS und erzielten ein Drehmoment von 410 Newtonmeter bei 3.000 Touren pro Minute. Dennoch reicht die reine Zahlenlehre als Ergebnis aus dem Zuffenhausener Leistungstraining für einen echten Sportwagen-Helden nicht aus.

Gegen den BMW M3 hat der Audi RS 2 keine Chance

In auto, motor und sport scheiterte der Audi RS 2 Anfang 1994 im Vergleichstest gegen den bayerischen Erzrivalen BMW M3 (E36) mit seinem leichtfüßigen Sechszylinder-Sauger: „Für die geballte Ladung Audi spricht nur das Ladevolumen des Kombi-Hecks“, urteilte der Testredakteur.

Doch bei einem Youngtimer zählen heute andere Dinge als die nüchtern betrachteten Testwerte von einst. Der Audi RS 2 ist ein Hingucker, stimmig sind Zutaten aus dem Porsche-Programm von der Cup-Felge im 17-Zoll-Format über die 911-Blinker bis zu den Außenspiegeln eingefügt: Damit zeigte sich der erste Sportkombi äußerst selbstbewusst auf den Straßen. Außerdem passt der Audi RS 2 heute mit seiner verhältnismäßig geringen Stückzahl von knapp über 2.900 Exemplaren in das Beuteschema der Sammler.

Dazu kommt als besondere Schärfe die Porsche-Abstammung bei Entwicklung und Endmontage im legendären„ Rössle“-Bau des Zuffenhausener Stammwerks: Hier entstanden ab 1986 die insgesamt 284 Porsche der Hightech-Baureihe 959 sowie die Mercedes-Limousine vom Typ 500 E mit dem V8-Vierventiler mit fünf Litern Hubraum. Wo die Marke mit dem Stern bereits aus Tradition war, wollten die vier Ringe wieder hin – ins Premiumsegment. Der fast 100.000 Mark teure Audi RS 2 zündete eine Leuchtrakete, die den Weg zur Spitze kurz erhellte.

Knapp 3.000 Audi RS 2 werden gebaut

Ab März 1994 verkaufte Audi in 18 Monaten genau 2.896 der Avant-Sportler und damit fast 700 mehr als die ursprünglich geplante Auflage. Das ermutigte zu weiteren Taten. Nach einer Pause gehören die Audi RS 2 in den verschiedenen Baureihen heute zum Stammpersonal der Audi-Mannschaftsaufstellung.

Zudem zählen die vier Ringe längst wieder zu den sportlichen Topacts in den Rennarenen der Welt. Nur Porsche brauchte lange, um nach dem Fremdauftrag selbst Geschmack an einem sportlichen Kombi zu finden. Erst der Erfolg des Cayenne ermutigte die Sportwagenmarke zur Entwicklung eines eigenen Modells mit vergrößerter Ladefläche und langem Dach, der die Panamera-Mannschaft jetzt verstärkt. Manche Ideen brauchen eben länger, bis sie sich durchsetzen.

Doch dem Audi Avant RS 2 kann auch der Luxuskombi eines nicht streitig machen: Er ist und bleibt der erste bei Porsche gebaute Kombi, auch wenn er das Markenemblem von Audi trug – selbst die hinreißende Farbe Nogaroblau Perleffekt stammt ursprünglich aus der Porsche-Palette.

Fazit

Bei meinen hohen Erwartungen konnte das Erlebnis RS 2 nur eine Enttäuschung werden. Mir kam der Kombinationswagen der ARGE Audi/Porsche vor wie jemand, der es allen recht machen will – und scheitert. Er ist weder ein Sportwagen noch ein langstreckentauglicher Kombi. Dazu fehlen ihm Pep einerseits sowie Trinkmanieren andererseits. Aber: Als Klassiker mit geringer Stückzahl hat er seinen Wert, als Urtyp in der Nische leistungsstarker Sportkombis mit Porsche-Veredelung seinen Platz in der jüngeren Automobilgeschichte.

Technische Daten
Audi Avant RS2
Grundpreis50.925 €
Außenmaße4510 x 1695 x 1386 mm
Kofferraumvolumen370 bis 650 l
Hubraum / Motor2226 cm³ / 5-Zylinder
Leistung232 kW / 315 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit262 km/h
Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 05 / 2024
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Erscheinungsdatum 11.04.2024

148 Seiten